Baugebiet „Am Rennacker“: 14 Bauplätze mit Überschwemmungsrisiko und ohne Kompensation der Naturschäden.

Die Stadt Hameln teilte am 28.01.2021 mit, dass von Montag dem 1.2. bis zum 12.02.2021 die Straße Rennacker auf Höhe des TC-Heimes gesperrt wird. Grund sind Erschließungsmaßnahmen für das Neubaugebiet „Am Rennacker“.

Hintergrundinfos:

In der Ratssitzung vom 27. Mai 2020 wurde u.a. der Bebauungsplan Nr. 487 „Am Rennacker“ als Satzungsbeschluss im Verwaltungsausschuss einstimmig, im Rat bei einer Stimmenthaltung beschlossen.

Die 14 Einfamilienhausgrundstücke sollen im Losverfahren vergeben werden. Eine Fläche wird für eine Mehrfamilienhausbebauung vorgesehen.Das Baugrundstück befindet sich im Eigentum der Stadt Hameln. Es war ursprünglich mal als Fläche für einen Sportplatz vorgeplant.

Es wird ein brachliegende landwirtschaftliche Fläche (zuletzt 2019 als Erdbeerplantage genutzt) in der Größe von 12.800 qm zu einem Neubaugebiet umgewandelt. Das Baugebiet liegt direkt gegenüber des Sporthofes und grenzt an die Jugendverkehrsschule an.

Der zur Kostendeckung notwendige Veräußerungspreis beläuft sich auf rd. 130 €/m²

Problem Hochwasserlage:

Der Hochwassergefahrenkarte (HQ extrem) des Niedersächsischen Landesbetriebs für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz ist zu entnehmen, dass der Geltungsbereich von einem möglichen HQ extrem betroffen ist (Stand Dezember 2013). Es handelt sich hierbei um Flächen, bei denen nach § 73 WHG ein signifikantes Hochwasserrisiko ermittelt wurde.

Problem Natur-/Bodenschutz:

Naturschutzfachlich wird der Fläche nur ein geringe Bedeutung für den Arten- und Biotopschutz zugemessen. „Eine besondere bzw. hohe Lebensraumbedeutung ist für das Plangebiet insgesamt aufgrund der Nutzungsintensität, der strukturellen Gegebenheiten sowie der Lage nicht erkennbar. Vorkommen besonders oder streng geschützter, seltener oder gefährdeter Arten konnten bei einer Begehung vor Ort nicht festgestellt werden. Über das Vorkommen solcher Arten liegen auch keine Erkenntnisse vor.

Zu den ökologischen Auswirkungen insgesamt erfolgt in der Beschlussvorlage die abschließende Bewertung:

„Ja. Eine bisher als Acker / Erdbeerfeld genutzte Fläche wird der Wohnbebauung zugeführt. Dadurch entsteht ein Kompensationsdefizit, dass gemäß der Regelungen des § 13 a des BauGB nicht ausgeglichen werden muss.“

Das bedeutet, dass keine Kompensation für die Versiegelung des Bodens erfolgt. (Das Gebiet ist kleiner als 20.000 qm.)

Hierzu einen Auszug aus der Bewertung der Stellungnahme des Landkreises, untere Bodenschutzbehörde vom 13.12.2019:

„Durch die geplante Ausweisung des Baugebietes kommt es zu einer fast vollständigen Versiegelung der aktuellen landwirtschaftlich genutzten Bereiche, wodurch die natürliche Pufferfunktion für das Grundwasser als auch die Nutzungsfunktion für die Landwirtschaft verloren geht.“


Die im Rahmen des Stellungnahmeverfahrens von der Unteren Naturschutzbehörde und dem örtlichen NABU eingereichte Vorschläge wurden weitestgehend nicht berücksichtigt.

Beispiele aus der Stellungnahme des Nabu:

Das Defizit für den Naturhaushalt wird mit 10.208 Werteinheiten (Gegenwert rund 16.300 Euro) beschrieben. Der NABU schlägt vor, dieses als freiwillige Kompensation für den Arten- und Naturschutz aufzuwenden.

Die Stadt Hameln lehnt den Vorschlag ab. Begründung sinngemäß: Nach derzeitiger Rechtslage hätte man auch eine Sportplatz bauen können, da ist ein Baugebiet für die Natur besser.

Aufgrund der Lage des Gebietes im Überschwemmungsgebiet der Weser wird das Vorhaben in Anbetracht des Klimawandels und nicht auszuschließender Änderungen des Überschwemmungsgebietes vom NABU als „gewagt“ angesehen. Er fordert vor der Ausweisung des Gebietes die Prüfung der ÜSG Neuberechnung abzuwarten.

Die Stadt Hameln lehnt das ab. Aufgrund der anderen umliegenden Bebauung müssten mittelfristig grds. Hochwasserschutzmaßnahmen für das Klütviertel geplant werden.

Der Nabu befürchtet zudem durch die Nähe zum Sportheim zukünftig ein großes Konfliktpotential mit den Bürgern durch Lärmbeeinträchtigungen.

Die Stadt Hameln wird die Käufer auf diese Besonderheiten hinweisen.


Die Untere Naturschutzbehörde der Stadt Hameln hatte vorgeschlagen aufgrund des beschleunigen Verfahrens nach § 13a BauGB (keine Ausgleichspflicht vorgegeben), dass

  • 8 Einzelbäume entlang der Breslauer Allee als Fortführung der bereits vorhandenen Alleebaumpflanzungen auf einem im städtischen Eigentum und damit in städtischer Kontrolle verbleibenden Pflanzstreifen anzulegen.
  • Eine 3 m breite Eingrünung zur Grenze zum Verkehrsübungsplatz mit einer flächendeckenden Bepflanzung vorzunehmen.

Die Stadt Hameln hat die weitergehende Naturschutzvorschläge abgelehnt, sie würden das Verfahren verzögern.



Historische Bedeutung der Fläche:

Die Kommunalarchäologie hat im Zuge der Vorabbeteiligung folgende Stellungnahme abgegeben.
„Das Plangebiet liegt in unmittelbarer Nähe der in ihrer Lage vermuteten mittelalterlichen Wüstung „Wenge“ (Hameln, FStNr. 191). Der Ort musste dem Stift Hameln den Zehnt geben, welches 1292 bestätigt wurde. 1377 tauscht Graf Bernhard von Everstein seine 4 Hufen Landes in Wenge gegen etliche Güter in Welsede und Deitlevsen ein. Im 14.Jh. fiel das Dorf wüst. In Wenge gab es am Fuße des Klüt eine Kapelle des Dionysius, die der Graf von Schaumburg 1244 dem Stift Hameln schenkte. 1516 stiftete ein Kannengießer der Kapelle eine Kommende, die 1590 immer noch vorhanden war.
Mit dem Auftreten archäologischer Bodenfunde im Plangebiet ist daher zu rechnen.



Persönliche Bewertung:

  1. Hier wird ein Bauen im Hochwasserrisikogebiet ermöglicht. Als Auflagen werden Kellergeschosse grds. nicht erlaubt sein und die Oberkanten der Erdgeschossfußböden müssen mindestens 30 Zentimeter über den maßgeblichen Gelände liegen. In Anbetracht der zu erwartenden Auswirkungen und Risiken der Klimaveränderungen ist diese Flächenauswahl problematisch.
  2. Bei schneller Durchsicht der Verfahrensunterlage ist eine sehr restriktive Regelung bei der Zubilligung von Ausgleichs- und Naturschutzmaßnahmen feststellbar. Die Maßnahmen orientieren sich an den Minimalgrenzen. Die Stadt Hameln weist damit den sich auch lokal starkt verschärfenden Problemen von Arten- und Naturschutz, wie auch dem Stellenwert von Gründstrukturen in der Stadt keine wesentliche stadtplanerische Bedeutung zu.
  3. Eine kritische Diskussion bzw. ein politisches Hinterfragen der Entscheidungen war für mich in der Öffentlichkeit nicht feststellbar.

Ralf Hermes, 31.01.2021

Planunterlagen sind im Ratsinformationssystem der Stadt Hameln zu finden.

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