Abrissplanungen: Altes Hallenbad Hafenstraße (Veranstaltungszentrum)

Hintergrundinfos und Erstbewertung (!) zu den Planungen und der derzeitigen politischen Beschlusslage.

Grundinfos zum alten Hallenbad in der Hafenstraße:

1953 gebaut und 1954 eröffnet. Saniert 1981. Geschlossen 2003. (Das Hallenbad Einsiedlerbach wurde 1981 eröffnet.)

2006 Änderung des Flächennutzungs- und Bebauungsplanes zum „Sondergebiet Hafenstraße“. Übernahme des Gebäudes und der Parkflächen (11 Parkplätze) durch den Unternehmer Rainer Timpe (damals u.a. Ausrichter der Hamelner Solarmesse „Soltec“. Der Inhaber des Unternehmens „ma“ sagte zu, seinen Firmensitz von Minden nach Hameln zu verlegen. Es sollten zwei neue Arbeitsplätze in Hameln entstehen. Die Stadt übertrug Herr Timpe die Fläche zum symbolischen Preis von einem Euro. Die Maßnahme wurde auch als Wirtschaftsförderung bezeichnet. Die Kalkulation für den Abriss des Hallenbades belief sich im März 2006 auf 235.000 Euro. Diese hätte genau dem Bodenrichtwert (damals 115 Euro pro Quadratmeter) entsprochen. Herr Timpe war damals einer von 7 Bewerbern um die Fläche. Er bekam den Zuschlag für die Nutzung als Bürogebäude und nach Absprache mit der HMT als Veranstaltungshalle für z.B. Kleinkunst, Versteigerungen, Spezialmärkte oder Messen.

Herr Timpe sprach im Januar 2008 dann von einer Investion von 1,1 Millionen Euro in das Objekt. Dazu wurden Förderanträge mit einen Zuschuss von 20 % Prozent des Investionsvolumens bei der N-Bank gestellt. Für diesen Zuschuss aus Steuergeldern musste nachgewiesen werden, dass Timpe über die Hälfte seines Umsatze in der Region Hameln erwirtschaftet.

Im April 2009 startete dann mit einem „Nachtkongress“ im „Alten Hallenbad“ der Veranstaltungsbetrieb mit 1.000 Tanz-Fans.

Im Jahr 2019 gab es dort laut Facebookseite eine „Hamelner Profiboxnacht“, die „Nacht der Pflege“, private und religiöse Feiern sowie eine Veranstaltung des Bundesorchesters der Spielleute.

Internetseite des Veranstaltungszentrums: http://www.altes-hallenbad-hameln.de/hallenbad.php

Eigendarstellung: „Geschäftsführer Rainer Timpe erwarb im Jahre 2006 von der Stadt Hameln ein altes Hallenbad aus den 50er Jahren und baute es in mehr als zweijähriger Bauzeit zu einer modernen Veranstaltungshalle mit Verwaltungstrakt um. Die Halle wird inzwischen für die unterschiedlichsten Veranstaltungen gebucht. Einige Beispiele: Hochzeiten, Tanzpartys, Box-Veranstaltungen, Dia-Shows, Betriebsfeiern, Schulabschlussfeiern , Abschlussbälle, Kunstausstellungen, Vortragsreihen und Trauerfeiern. Mit unseren jährlich bis zu zehn Messen können wir seit langem ein kontinuierliches Wachstum verzeichnen.“ (Website aufgerufen 20.02.2021)


Impressionen 14.02.2021:

Der Eigentümer des Veranstaltungszentrums „Altes Hallenbad Hafenstraße“ plant nunmehr den Abriss des Gebäudes und eine Umnutzung der Fläche für Wohnbebauung.

Nach derzeitiger Rechtslage ist diese nicht möglich, da das Grundstück im Bebauungsplan als Sondergebiet mit der Zweckbestimmung Dienstleistungen, Ausstellungen, Freizeit gem. § 11 BauNVO festgesetzt ist.

Daher soll gem. § 13a Baugesetzbuch die Änderung als Bebauungsplanverfahren der Innenentwicklung erfolgen. Ziel wäre es, eine wohnbauliche Nutzung zu ermöglichen.

Die vorhandene Parkanlage soll im Bebauungsplan, wie bisher, als öffentliche Grünfläche, mit der Zweckbestimmung Parkanlage ausgewiesen bleiben.

In der Begründung zur Änderung heißt es von Seiten der Stadt:

„Unter städtebaulichen Gesichtspunkten ist die Entwicklung von Wohnbauflächen an diesem innenstadtnahen Standort sinnvoll, da die Inanspruchnahme bislang unbebauter Freiflächen an anderer Stelle im Gemeindegebiet vermieden werden kann. Damit werden die Nachverdichtungsmöglichkeiten in Hameln genutzt und es kann auf die Umwandlung landwirtschaftlicher oder als Wald genutzter Flächen verzichtet werden. Dem Grundsatz der Innenentwicklung wird damit vollumfänglich Rechnung getragen.“

Änderungsbeschluss als Grafik:

Einstimmig hat sich der Stadtentwicklungsausschuss Hameln für eine Planänderung eingesetzt. Radio Aktiv berichtete am 16.02.2021:

„Geplant ist ein 4 1/2 Etagen hohes Haus. Von 19 „seniorengerechten Wohnungen“ ist in einem Entwurf die Rede. Größe 89 bis 155 qm und eine Tiefgarage mit 29 Parkplätzen.

Am 10. März soll der Rat entscheiden.“

Radiobericht:

Am 04.02.2021 titelte die DEWEZET mit der Hauptschlagzeile „Seniorenwohnen an der Hafenstraße?“ und berichtet über erste Entwürfe des Hamelner Bauunternehmens Kontur Bau Vision. Rainer Timpe wird dort zitiert, „dass es Überlegungen meinerseits gibt, das „Alte Hallenbad“ in absehbarer Zeit in ein Gebäude mit Wohnungen für einen Interessentenkreis im Alter von 60+ umzuwandeln.“

Die DEWEZET berichtet am 13.02.2021 mit der Überschrift „Seniorenwohnen statt Altes Hallenbad: Idee des Eigentümers überzeugt Politik„. Im Bericht heißt es u.a., dass die Politik von der Idee für einer Wohnanlage für Senioren überzeugt wurde. Parteiübergreifend votierte der Stadtentwicklungsausschuss für eine Änderung der Planvorgaben.


Im Ratsinformationssystem der Stadt Hameln sind die ersten (unverbindlichen) Entwurfskonzepte für ein Wohnhaus/Mehrfamilienhaus einsehbar:


Bewertung / Meinung / Gedanken:

  1. Der in den Medien gebrauchte Begriff „Seniorenwohnanlage“ ist irreführend. Die durchschnittliche Wohnungsgröße der ersten Planungen beträgt 129 Quadratmeter. Pro Wohneinheit sind 1,5 Tiefgaragenstellplätze vorgesehen. Die Planskizze spricht von seniorengerecht. Vermutlich ist hier der barrierefreie Zugang gemeint. Ehrlicherweise sollte von einer Luxuswohnanlage gesprochen werden, die mit dem Begriff „Seniorenwohnanlage“ sprachlich verharmlost werden soll. Nur sehr, sehr wenige Menschen in Hameln werden sich Miete oder Eigentum in so einem Objektes leisten können.
  2. Das Hallenbad Hafenstraße wurde für die Gemeinschaft gebaut. Es ist von der Architektur bemerkenswert und war vor der Sanierung durchaus denkmalschutzwürdig. Auf die Stellungnahmen von Herrn Schween und Herrn Gelderblom dazu nehme ich Bezug. Entscheidend aber ist die Bindung der Fläche an einen Gemeinnutzen, welche auch mit der Übertragung des Grundstückes/Gebäudes an Herrn Timpe nicht aufgehoben, sondern nur verändert wurde. Ein Veranstaltungsstandort hat Gemeinschaftsfunktion auch für den Wirtschaftsstandort Hameln.
  3. Stickwort Nachhaltigkeit: Die Übertragung des Gebäudes erfolgte zum symbolischen Preis von einem Euro. Die Sanierung wurde mit ca. 200.000 Euro öffentlicher Fördergelder unterstützt. Das Gebäude befindet sich in einem zumindest von außen gesehen einwandfreien, sehr guten Zustand. Die Verschleißerscheinungen in der Substanz dürften sich bei 12 Jahren Nutzungsdauer in Grenzen halten. Diese „Wegwerfmentalität“ entspricht in keinem Punkt den Anforderungen von ressourcenverantwortlichem Wirtschaften.
  4. Durch die Corona Lage ist die Situation derzeit für sehr viele Gastronomen und Veranstaltungsortbetreiber/Kultureinrichtungen problematisch. Wenn alle sofort aufgeben würden, hätten wir ein Problem.
  5. Zum Gebäudekörper der Neuplanung: Optisch würde die Dimension des neuen Gebäudes den Eindruck an diesem Standort wesentlich verändern. Die Gebäudehöhe verdoppelt sich. Der Verlust des historischen Kerns des alten Hallenbades wäre bedauerlich.
  6. Der als „zu fällen“ bezeichnete Baum ist ein Naturdenkmal. Auch eine sehr markante Säuleneiche befindet sich in Nähe des Gebäudes. Die Parkanlage wie die Teichanlage würde sich durch die Bebauung wesentlich verändern.

Dieses sind nur erste, schnell getippte Gedanken / Recherchen. Es wäre z.B. auch interessant zu prüfen, welche Bestimmungen und Bindungen durch die öffentliche Förderung des Umbaues bestehen.

Ich möchte die Politik und Verwaltung bitten, die oben geschilderten Gedanken in die Meinungsbildung einzubeziehen.


Veranschaulichung der Raumwirkung des neuen Gebäudes im Vergleich zu jetzt:

Ralf Hermes, Hameln, 20.02.2020

3 Gedanken zu „Abrissplanungen: Altes Hallenbad Hafenstraße (Veranstaltungszentrum)“

  1. Aus eigenen, brandaktuellen Erfahrungen zur Vermarktung einer seniorengerechten Wohnung möchte ich nur kurz mitteilen:“Seniorengerecht“ ist im wesentlichen eine Wohnung. die durch einen barrierefreien Aufzug erschlossen ist und auch in der Wohnung frei von Barrieren ist. Eine Tiefgarage sollte ebenfalls an den Aufzug barrierefrei angebunden sein. Sprich: Oppi und Omma fahren unterirdisch in das Gebäude ein, räumen in der Tiefgarage aus ihrem Porsche Cayenne (deshalb auch 1,5 Stellplätze per WE) die Tageseinkäufe in einen Rollator. Im wesentlichen dürfte es sich dabei um 2 Brötchen, 4 Scheiben Roastbeef vom Ardennen-Rind und eine Bildzeitung handeln. Sonntags auch mal eine Zigarre. Echtes Essen bringt der Bringdienst, deshalb sollte unbedingt ein Bediensteten-Aufzug vorgesehen sein. Aber der Reihe nach: über den Edelstahl-Aufzug geht es dann in den viereinhalbten Stock in eine marmorgeflieste 89 bis 158 qm große „seniorengerechte“ Wohnung mit Sky-View. Wenn dann schon leichte Demenzerscheinungen vorhanden sind, kann man sich in 158 qm großen Wohnung mit seinem Rollator schon tüchtig verfahren. Aber dann kommt ja der Pflegedienst und zeigt wo die Multi-Media-Wand hängt. Eigentlich sollte man für jede Etage noch ein eigenes Schwimmbecken vorsehen, man gönnt sich ja sonst rein garnix. Das könnte mit dem Architeken Simon ein wenig versöhnen, der seine Füße morgens sicherlich immer nur in eine kalte Waschschüssel mit Kernseife gesetzt hat.

    Ich wollte mich ja kurz fassen, könnte aber noch stundenlang so weiterfabulieren. Das erspare ich ihnen. Mein Frage: Suchen Sie eine 95qm-Eigentumswohnung in Hamelns Nordstadt ohne Schwimmbecken und ohne Aufzug? Hochparterre (8 Stufen, puh!) mit Tiefgaragenstellplatz, in den garantiert kein Porsche Chayenne reinpasst?
    Dann wenden Sie sich gerne an den Verfasser des Kommentars, steht im Telefonbuch.

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