Der Kapp-Putsch 1920. Berichterstattung der historischen DEWEZET vor 100 Jahren. (#hmjournalismusweimar, #kappputsch)

1. Kurzhintergrund Kapp-Lüllwitz-Putsch

2. Zwei Zeitungsausgaben der DEWEZET vom 14. März 1920 und 20. März 1920. Deister- und Weserzeitung

3. Persönliche Bewertung/Einordnung

Die redaktionelle Bewertung des Rechtsputsches bieten eine Möglichkeit zur Einordnung der politischen Positionierung der DEWEZET-Redaktion vor 100 Jahren in der Anfangszeit der Weimarer Republik.

1. Kurzhintergrund Kapp-Lüllwitz- Putsch:

Postkartenfotos 1920

Wickipedia: „Der Kapp-Putsch…. vom 13. März 1920 war ein nach 100 Stunden (am 17. März) gescheiterter konterrevolutionärer Putschversuch gegen die nach der Novemberrevolution geschaffene Weimarer Republik. … Der Putschversuch brachte das republikanische Deutsche Reich an den Rand eines Bürgerkrieges und zwang die sozialdemokratischen Mitglieder der Reichsregierung zur Flucht aus Berlin. Die meisten Putschisten waren aktive Reichswehrangehörige oder ehemalige Angehörige der alten Armee …. Einen großen Anteil am Scheitern des Putsches hatte, neben der Verweigerung der Regierungsbürokratie und der Uneinigkeit der Militärs über die eigentliche Zielsetzung des Putsches, der folgende Generalstreik, der größte in der deutschen Geschichte.“

https://de.wikipedia.org/wiki/Kapp-Putsch

2. Zwei Zeitungsausgaben der DEWEZET vom 14. März  und 20. März 1920. Deister- und Weserzeitung

Wie stellten sich die Ereignisse im März 1920 im Weserbergland dar. Dazu hier Auszüge zweier Ausgaben aus dem historischem Archiv der DEWEZET, einer bürgerlichen Tageszeitung aus dem Weserbergland:

Die DEWEZET vom Samstag, den 14. März 1920 – 73. Jahrgang

Schlagzeile(n): Gegenrevolution in Berlin. – Sturz der Regierung.

Geheimnisvolle Verhaftungen. – Vorbereitungen zu einem Staatsstreich entdeckt. – Gegenmaßnahmen. – Verschwörung in Döberitz. – Die Regierung soll gestürzt werden. – Ein Diktator und Fachminister gefordert. – Vergebliche Verhandlungen. –Widerstandsloser Einmarsch in Berlin.

Meldung 1 (Abschrift)

„Aus Berlin wurde gestern gemeldet, daß gegen den Generallandschaftsdirektor Dr. Kapp und den Hauptmann a.D. Pabst die Schutzhaft verhängt worden sein. … Es war etwas im Gange! Aber was?

Heute liegt des Rätsels Lösung vor: es handelt sich um nichts weniger als um einen vollständigen Plan zum Sturze der Regierung. (Die Redaktion der DEWEZET schreibt dazu:)

Wir wollen weitere Einzelheiten abwarten, bevor wir zu dem Putschversuch Stellung nehmen, und uns heute auf die Wiedergabe der vorliegenden Berichte beschränken. Nur eins sei gesagt, um durch die einstweilige Zurückhaltung unseres Urteils keinen falschen Verdacht aufkommen zu lassen:

Wir haben wiederholt betont und betonen das auch heute wieder, daß wir den gewaltsamen Umsturz in jeder Form, und von welcher Seite er auch kommen möge, in entschiedenster Weise ablehnen und unbedingt verurteilen.“

Zeitungsausschnitte der DEWEZET vom 14. März 1929:

Die nächste Ausgabe der DEWEZET erschien aufgrund der Streikmaßnahmen erst sieben Tage später am Sonnabend, den 20. März 1920.

Der Berliner Staatsstreich und sein Zusammenbruch. Die Redaktion schreibt zu Beginn (Abschrift):

Die Mitschuld der Reichsregierung.

M´ Am Sonnabend, zu einer Stunde, wo über den Berliner Staatsstreich erst dürftige und unsichere Meldungen vorlagen, die weder den Umfang, noch den Ausgang der von dem Königsberger Generallandschaftsdirektor Kapp und dem General v. Lüttwitz ins Werk gesetzten Umsturzbewegung erkennen ließen, schreiben wir an dieser Stelle:

„Wir haben wiederholt betont und betonen das auch heute wieder, daß wir den gewaltsamen Umsturz in jeder Form, und von welcher Seite er auch kommen möge, in entschiedenster Weise ablehnen und unbedingt verurteilen.“

Wir haben in schärfster Weise die Novemberrevolution des Jahres 1919 verurteilt, haben uns mit Entrüstung gegen den von Unabhängigen und Kommunisten am 13. Januar unternommenen Versuch gewandt, die Nationalversammlung in dem Augenblick zu sprengen, als sie über das Betriebsrätegesetz entscheiden sollte, und rückten in gleicher Weise weit von dem Berliner Staatsstreichversuch vom 13. März ab, ehe er noch nicht begonnen hatte.

Unser Volk ist krank, schwer krank, und ein Kranker kann nur gesunden, wenn er Ruhe hat. Jeder versündigt sich am Volke, der diese Ruhe stört, die Genesung durch Erschütterung, sei es des Wirtschafts-, sei es des Staatslebens, gefährdet. Wirtschafts- und Staatsleben aber sind untrennbar: wer das eine trifft, trifft auch das andere. Nur auf einer soliden wirtschaftlichen Grundlage kann sich ein dauerhaftes Staatsgebäude erheben – nur in einem geordneten Staatswesen kann sich ein blühendes Wirtschaftsleben entfalten. Genau so, wie wir uns mit allen Mitteln und unter Zusammenfassung aller Kräfte dagegen wehren müssen, daß durch Mißregierung, durch Streiks, Arbeitsunlust, Bestechlichkeit, Schiebertum und Wucher die beginnende Befestigung unseres Wirtschaftslebens immer wieder gestört wird, müssen wir zu einer Einheitsfront des gesamten Volkes kommen, an der jeder ungesetzliche Eingriff in unser Staatsleben zu Schanden wird. Der Rechtszustand, zu dem wir endlich wieder gekommen sind, muß jedem heilig und unverletzlich sein. Niemand, wer er auch sei und auf welche Machtmittel er sich auch stützen mag, darf es ungestraft wagen, diesen Rechtszustand anzutasten! Das ist der Grundsatz, der Gemeingut des ganzen Volkes werden muß, wenn der Wiederaufbau gelingen soll.

Das Gebundensein an den bestehenden Rechtszustand gilt aber nicht nur für die Regierten, sondern auch für die Regierenden, nicht nur für die Parteien der Minderheit, sondern auch für die der Mehrheit. Für letztere als die Träger der  jeweiligen Regierungsgewalt sogar in noch schärferer Weise, denn es liegt in der Natur der Sachen, daß für den stärkeren Teil die Verführung, den oft unbequemen Rechtsstandpunkt mit dem Macht- und Nützlichkeitsstandpunkt zu vertauschen, doppelt groß ist. Auch die Regierung Ebert-Bauer hat dieser Versuchung nicht zu widerstehen vermocht. Hätte sie sich streng an den Rechtszustand gehalten, so hätte sie in dem Augenblick die Nationalversammlung auflösen müssen, als diese ihre Aufgabe, dem Volke den Frieden und die Verfassung zu geben, erfüllt hatte. Sie tat das nicht, sondern verlängerte in der allerdings sehr begründeten Besorgnis, daß mit den Neuwahlen das Ende der eigenen Herrlichkeit heranbrechen würde, künstlich die Lebensdauer der Nationalversammlung und hatte für alle Mahnungen und Proteste der Rechtsparteien nur abweisende Worte. Die Regierung mißbrauchte ihre Gewalt, indem sie bei der Besetzung der Aemter sich vielfach von Parteirücksichten leiten ließ und auch dann von diesem Verfahren nicht abging, als sich auf allen Gebieten die verhängnisvollsten Folgen zeigten. Die Sozialdemokratie, also der ausschlaggebende Teil der Regierung, gab noch kürzlich einen schlagenden Beweis für ihre ständige Bereitwilligkeit, aus Nützlichkeitsrücksichten den Rechtstandpunkt im Parteiinteress auszuschalten, als drohend das „Schreckgespenst“ der Präsidentschaftskandidatur Hindenburgs aufstieg. Eigens für diesen Fall sollte auf dem Wege der Verfassungsänderung dem Volke das verfassungsmäßig verbürgte Recht auf die Wahl des Reichspräsidenten genommen werden.

Wer Wind sät, wird Sturm ernten. Eine Regierung, die selbst mit dem Fluch der Novemberrevolution belastet ist, die sich über Recht und Verfassung hinwegsetzt, darf sich nicht wundern, wenn ihre Gewalttätigkeiten offenen Aufruhr als Gegenwirkung auslösen. Der ganze Berliner Staatsstreichversuch also war nichts als ein durch Druck erzeugter Gegendruck. Denn was wollten Kapp, Lüttwitz und ihre Anhänger? Bevor die Döberitzer Truppen auf Berlin marschierten, stellten sie ihre Forderungen: Auflösung der Nationalversammlung, Ausschreibung von Neuwahlen, Besetzung der Ministerposten mit Fachmännern. Nicht um gewaltsame Beseitigung der Republik, nicht um Wiederherstellung der Monarchie handelte es sich, sondern einzig und allein um Wiederherstellung des gewaltsam beseitigten Rechtszustandes. Wenn wir trotzdem das Kappsche Unternehmen mißbilligen, wie wir jede gegen Staat und Verfassung gerichtete Gewalttag mißbilligen, so müssen wir im gleichen Atem und mit denselben Nachdruck die Regierung verurteilen, die durch ihre ganzes Verhalten an diesem Gewaltakt mitschuldig ist.

Wenn jetzt der plumpe Versuch gemacht wird, den Staatsstreich und seine Folgen den Rechtsparteien in die Schuhe zu schieben, so ist das eine Verdächtigung, die nach dem bewährten Rezept arbeitet: „Etwas bleibt immer hängen!“ Der Name Kapp bedeutet für uns wirklich kein Programm, den wir blindlings folgen würden, und deswegen, daß das Begräbnis der Nationalversammlung schon in vier bis sechs Wochen, statt in ebensovielen Monaten stattfindet, mochten wir weder das gesamte Staats- und Wirtschaftsleben gefährden, noch das Blut auch nur eines einzigen deutschen Mannes vergießen. Auch die Reichsregierung betont in einer von Dresden aus erlassenen Kundgebung ausdrücklich, daß hinter dem Putschversuche „keine ernsthafter Politiker stehen“. Aber gehetzt muß werden: bei jeder Gelegenheit und um jeden Preis, ganz besonders aber in einem Augenblick, wo es gelungen ist, die bürgerliche Presse durch Gewalt und Bedrohung mundtot zu machen. Vier Tage lang fehlte uns jede Möglichkeit die gehässigsten Angriffe gegen das Bürgertum zurückzuweisen und ebenso lange war es uns verwehrt, durch fachliche Stellungnahme zu den Berliner Ereignissen entspannend auf die Lage einzuwirken. Hätte man uns zu Worte kommen lassen, so würden wir schon am Montag den Nachweis geführt haben, daß für Hameln die Gefahr einer Gegenrevolution nicht bestand, daß der Generalstreik hier nur offene Türen einstieß und unter den gegebenen Verhältnissen auch durchaus nicht dem Wollen der Reichsregierung entsprach.

Über den Berliner Putschversuch und seine Folgen wird noch manches gesagt werden müssen. Für heute wollen wir uns darauf beschränken, unserm innigsten Bedauern darüber Ausdruck zu geben, daß außer verhängnisvollen wirtschaftlichen Störungen auch Opfer an Blut gefordert wurden und wünschen, daß die ernste Befürchtung, die wir hegen, daß die Gegenrevolution der Herren Kapp und Lüttwitz von einer solchen der Kommunisten und Bolschewisten abgelöst wird, sich als unbegründet erweisen möge.“

Der Verfasser dieses Textes ist der Chefredakteur „Aus aller Welt“ Carl August Müller.

Nachfolgend als Überblick ohne Abschrift verschiedene Zeitungsmeldungen des Tages:

Noch eine kleine Besonderheit aus dem Anzeigenteil:

3. Persönliche Bewertung / Einordnung:

Der redaktionelle Beitrag des DEWEZET-Verantwortlichen Carl August Müller gibt vielerlei Informationen zu den politischen Grundansichten der DEWEZET Redaktion. Hier einige wesentliche Schlussfolgerungen/Thesen:

Der DEWEZET-Verantwortliche lehnte die Revolution 1918 ab:

„Wir haben in schärfster Weise die Novemberrevolution des Jahres 1919 verurteilt…“

Der DEWEZET-Verantwortliche lehnt die SPD-Regierung im Jahr 1920 ab und kritisiert diese scharf:

 „Eine Regierung, die selbst mit dem Fluch der Novemberrevolution belastet ist, die sich über Recht und Verfassung hinwegsetzt, darf sich nicht wundern…“

„Die Regierung mißbrauchte ihre Gewalt, indem sie bei der Besetzung der Aemter sich vielfach von Parteirücksichten leiten ließ…“

Der DEWEZT-Verantwortliche missbilligt die Streikmaßnahmen der Arbeiterschaft:

„…nur in einem geordneten Staatswesen kann sich ein blühendes Wirtschaftsleben entfalten. Genau so, wie wir uns mit allen Mitteln und unter Zusammenfassung aller Kräfte dagegen wehren müssen, daß durch Mißregierung, durch Streiks, Arbeitsunlust, Bestechlichkeit, Schiebertum und Wucher die beginnende Befestigung unseres Wirtschaftslebens immer wieder gestört wird,…“

„Vier Tage lang fehlte uns jede Möglichkeit die gehässigsten Angriffe gegen das Bürgertum zurückzuweisen und ebenso lange war es uns verwehrt, durch fachliche Stellungnahme zu den Berliner Ereignissen entspannend auf die Lage einzuwirken. Hätte man uns zu Worte kommen lassen, so würden wir schon am Montag den Nachweis geführt haben, daß für Hameln die Gefahr einer Gegenrevolution nicht bestand, daß der Generalstreik hier nur offene Türen einstieß und unter den gegebenen Verhältnissen auch durchaus nicht dem Wollen der Reichsregierung entsprach.“

Der DEWEZET-Verantwortliche grenzt sich von gewalttätigen Vorgehen ab:

„Wir haben wiederholt betont und betonen das auch heute wieder, daß wir den gewaltsamen Umsturz in jeder Form, und von welcher Seite er auch kommen möge, in entschiedenster Weise ablehnen und unbedingt verurteilen.“

Der DEWEZET-Verantwortliche rechtfertigt die hinter dem Umsturzversuch stehenden politischen Motive und relativiert die grundsätzliche Kritik am Putschversuch:

„Wer Wind sät, wird Sturm ernten.“

„Der ganze Berliner Staatsstreichversuch also war nichts als ein durch Druck erzeugter Gegendruck.“

„Wenn wir trotzdem das Kappsche Unternehmen mißbilligen, wie wir jede gegen Staat und Verfassung gerichtete Gewalttag mißbilligen, so müssen wir im gleichen Atem und mit denselben Nachdruck die Regierung verurteilen, die durch ihre ganzes Verhalten an diesem Gewaltakt mitschuldig ist.“

„Wenn jetzt der plumpe Versuch gemacht wird, den Staatsstreich und seine Folgen den Rechtsparteien in die Schuhe zu schieben, so ist das eine Verdächtigung, die nach dem bewährten Rezept arbeitet: „Etwas bleibt immer hängen!““

Fazit:

Im Jahre 1920 zeigt sich die DEWEZET als „konservativ-bürgerlich, wirtschaftsorientiertes, altmonarchisch – rechtskonservatives und SPD/linkskritisches Nachrichtenorgan.

Ralf Hermes, Hameln den 10.04.2020

Bericht als PDF:

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