Sachbericht zum Projekt „Erinnerungsort Zwangsarbeit“

Hameln, 13.07.2025: Am 11. Mai, anlässlich von 80 Jahre Kriegsende, konnten in Hameln der Erinnerungsort Zwangsarbeit eingeweiht werden. Er schließt eine Lücke in der Erinnerungskultur der Stadt Hameln.

Nachdem nun auch die Abrechnung des Projekts abgeschlossen ist, wurde von Bernhard Gelderblom ein Sachbericht dazu vorgelegt. Er legt Zeugnis ab von einem aus seiner Sicht glücklichen und geglückten Ablauf des Projektes. Hier einige Auszüge aus dem Bericht:

Sachbericht zum Projekt „Erinnerungsort Zwangsarbeit“
In Hameln erinnern mehrere gesonderte Erinnerungsstätten an Opfer des NS-Regimes. Zu nennen sind hier der Gedenkort an die Deportation der Hamelner Juden in der Bürenstraße sowie die Tafel am Weserufer beim Hotel Stadt Hameln und die Gedenkstätte auf dem Friedhof Am Wehl, beide für die Opfer des Zuchthauses, aber auch das Projekt Stolpersteine.
Für die Erinnerung an das massenhafte Leid der Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter und ihre zahlreichen Toten (670 Männer, Frauen und Kinder) gab es bislang in Hameln keinen öffentlichen Ort. Gut zehntausend Menschen vorwiegend aus Osteuropa befanden sich zwischen 1939 und 1945 in Hameln-Pyrmont, die meisten gegen ihren Willen deportiert. Einmal hier, konnten sie nicht mehr zurück: Sie mussten Zwangsarbeit leisten.
Ein Bewusstsein für das Unrecht, das den ausländischen Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern und den Kriegsgefangenen angetan wurde, hat sich in Deutschland und in Hameln nur wenig entwickelt.

Die Idee eines Erinnerungsortes Zwangsarbeit Hameln-Pyrmont und die lange Suche nach einen geeigneten Ort
Im Mai 2022 richtete der Verein für regionale Kultur- und Zeitgeschichte eine kurze Skizze unter dem Titel „Vorüberlegungen für einen Erinnerungsort an die ausländische Zwangsarbeit während des NS-Regimes in Hameln-Pyrmont“ an die Stadt Hameln.
Der Gestaltungsvorschlag sah Stelen mit „Gesichtern“ von Deportierten und kurze Angaben zu ihrem Schicksal vor. Die Informationen stammten aus dem Briefwechsel, den Bernhard Gelderblom in den Jahren 2001 und 2002 mit Betroffenen überwiegend aus Polen und der Ukraine geführt hatte. Zu den „Gesichter“-Stelen sollte eine Informationstafel kommen.
Als Standort schlug der Verein eine Grünfläche längs der Nordseite der Ohsener Straße zwischen Guter Ort und Wittekindstraße vor. Dafür sprach die räumliche Nähe zum Industriegebiet Süd, in dem die ehemaligen Rüstungsfabriken Domag und Kaminski und zahlreiche Barackenlager gelegen hatten. Die Nachteile des Vorschlags, die Ferne zur Innenstadt, der geringe Publikumsverkehr und der mangelnde Reiz der Umgebung, lagen freilich auf der Hand.
In mehreren Sitzungen des Vereins mit der Stadtverwaltung unter Leitung des Hamelner Oberbürgermeisters Griese im Frühjahr 2023 wurden andere Orte (der Ada-Lessing-Park und der in Neugestaltung befindliche Europa-Platz) erwogen, jedoch verworfen. Erkennbar war, dass alle Beteiligten das Projekt grundsätzlich begrüßten. Das galt auch für Mitglieder der Ratsfraktionen, mit denen der Verein das Gespräch suchte.
Im April 2024 überbrachte Herr Griese aus der Sitzung der Fraktionsspitzen einen neuen Vorschlag für den Ort: „Eine vorhandene Rasenfläche an der Weserpromenade in Höhe der Eisenbahnbrücke“ und außerdem die Zusage, dass die Stadt das Projekt unterstützen werde.
Der Vorschlag überzeugte sofort. Der Ort liegt in Sichtweite zum Industriegebiet; er ist, nicht zuletzt durch den Weserradweg, belebt und von Autoverkehr ungestört. Das rostige Gitterwerk der alten Brücke versprach dem Ensemble der Stelen einen deutlichen Akzent.

Verabredungen mit der Stadt Hameln: Der Verein als Bauherr
In Gesprächen mit Herrn Sven Szubin, dem Leiter des Fachbereiches 5, am 17. Mai und am 5. August 2024 und zuletzt per e-mail vom 22. Oktober 2024 wurden die Weichen gestellt.
– Die Stadt Hameln stellt das Grundstück am Weserufer in Höhe der Eisenbahnbrücke kostenlos zur Verfügung.
– Die Anlage wird in engem Austausch mit Frau Naumann von der Abteilung Stadtgrün vom Verein für regionale Kultur- und Zeitgeschichte hergestellt.
– Der Verein legt einen Gestaltungsplan sowie ein Leistungsverzeichnis inkl. Kostenschätzung vor.
– Im Blick auf den Hochwasserschutz ist zu gewährleisten, dass die Stelen demontierbar sind.
– Die Stadt beteiligt sich in Gestalt von Bank, Mülleimer und zwei Fahrradbügeln. Den Einbau realisiert die vom Verein beauftragte Baufirma für die Stadt.
– Für Menschen mit Behinderungen ist der Zugang zu ermöglichen.
– Zur Vorbereitung der Bevölkerung veranstaltet der Verein im Herbst 2024 eine Ausstellung im Hamelner Münster.
– Der Erinnerungsort wird im Frühjahr 2025, möglichst zum 80. Jahrestag des Kriegsendes am 8. Mai, eingeweiht.
– Nach seiner Fertigstellung geht das Denkmal in Gestalt einer Schenkung in das Eigentum der Stadt über.
– Der Verein sorgt für einen Pflegepaten, der Platz und Tafeln sauber hält.


Das Team aus Landschaftsplaner, Landschaftsbaufirma und Designer und die Kostenplanung
In der Folge gelang es dem Verein, den Landschaftsplaner Andreas Bergmann (Büro Bergmann Freiraum Landschaft Hameln) als Planer, Bauleiter und Kontaktmann zur Stadt Hameln zu gewinnen. Damit war eine professionelle bauliche Umsetzung gesichert.
Nach Abstimmung des Entwurfs wurden ein Leistungsverzeichnis samt Kostenschätzung erstellt und im Rahmen einer Freihändigen Vergabe drei Angebote heimischer Landschaftsbaufirmen eingeholt. Den Auftrag erhielt die Firma Bente Garten- und Landschaftsbau in Hehlen. Sie hatte sich dem Verein durch die Errichtung des Dokumentations- und Lernorts Bückeberg in den Jahren 2019-2021 empfohlen.
Der Auftrag für die Erarbeitung des Designs der Tafeln und die Druckvorlagenherstellung ging an Jörg Mitzkat. Da Jörg Mitzkat bereits über reiche Vorarbeiten zum Thema verfügte, wurde hier auf eine Ausschreibung verzichtet.
Im Blick auf die Besonderheit des Themas gewährten beide Firmen einen Nachlass.
Landschaftsplaner Andreas Bergmann arbeitete komplett ehrenamtlich.

Die Umsetzung des Entwurfs

Am 20. Juni 2024 lag der Entwurf vor.
– Sieben schmale, niedrigere Stelen stehen in unregelmäßiger Anordnung rings um eine größere Informationstafel, die beidseitig mit Texten, Fotos und Plänen bestückt ist. Die schmalen Stelen zeigen auf Vor- und Rückseite „Gesichter“ von Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern und enthalten kurze Angaben zu ihrer Biographie.
– Um den Erinnerungsort begehbar und barrierefrei zu gestalten, ist rings um die Stelen eine wassergebundene Oberfläche geplant.
– Für Bank, Fahrradständer sowie Mülleimer ist Platz auf der Ostseite der Weserpromenade vorgesehen.
Texte und Bilder steuerte Bernhard Gelderblom aus seinem reichen Fundus und vor allem aus dem Briefwechsel bei, den er in den Jahren 2021/22 mit ehemaligen Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern vorwiegend aus Polen und der Ukraine geführt hatte.

Die Finanzierung
Die Finanzierung war Aufgabe des Vereins. Die Ausstellung unter dem Titel „Gesichter – NS-Zwangsarbeit in Hameln-Pyrmont“, die vom 24. Oktober bis 29. November 2024 im Hamelner Münster zu sehen war, stimmte die Bevölkerung auf das Thema ein, stellte einen Entwurf des Erinnerungsortes vor und warb um Spenden. Spenden in der unerwarteten Höhe von annähernd 5.000 Euro gingen ein.
Daneben warb der Verein erfolgreich Fördermittel bei einer Reihe von niedersächsischen Stiftungen ein, der Stiftung niedersächsische Gedenkstätten in Celle, der VGH Stiftung Hannover und der Heimatförderung der Stiftung der Sparkasse Weserbergland sowie beim Kirchenkreis Hameln-Pyrmont.
Überraschend kam im März 2025 eine bedeutende Spende von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Ortsverband Oldendorf und Umgebung.

Der Bau
Der Hochwasserschutz verlangte, dass die Stelen mit wenig Aufwand abbaubar sein müssen. Dies machte kurzfristig den Wechsel des Anbieters der Stelen samt einer statischen Berechnung erforderlich. Der erforderliche Antrag auf wasserrechtliche Genehmigung wurde am 7. April 2025 von der Stadt Hameln positiv beschieden.
Die Baumaßnahme, die kurz nach Ostern am 23. April 2025 startete, gestaltete sich problemlos. Am 8. Mai erfolgte die Abnahme von Seiten der Stadt und des Vereins.

Die Einweihung und Rückmeldungen von Besuchern
Die Einweihung fand am 11. Mai unter großer Anteilnahme der Hamelner Bevölkerung statt.

Bei strahlendem Sonnenschein erhielt die Veranstaltung ihren besonderen Charakter durch die starke Beteiligung der ukrainischen Gemeinschaft. Diese steuerte u.a. drei Gesangsbeiträge bei und lud anschließend zu Tee und Blinis ein. Organisiert hatte das Irina Napreenko vom Büro für Integrationsfragen der Stadt Hameln.
Es sprachen Oberbürgermeister Claudio Griese, Landrat Dirk Adomat, die Geschäftsführerin der Stiftung niedersächsische Gedenkstätten Dr. Elke Gryglewski, Oksana Omelchenko für die ukrainische Gemeinschaft, Bernhard Gelderblom für den Verein sowie Irina Napreenko vom Integrationsbüro.

Die Rückmeldungen von Seiten der Besucher sind durchweg positiv. Gelobt wird die Anschaulichkeit der Tafeln und die Kürze und Prägnanz der Texte sowie – und vor allem – die Stimmigkeit des Ortes.
Auch die Resonanz in den heimischen Medien war durchweg erfreulich. Neben der Hamelner Deister- und Weserzeitung berichteten die Radiosender NDR 1 sowie RadioAktiv Hameln.

Desiderata
Die Suche nach einem Pflegepaten, der Platz und Tafeln sauber hält, ist bisher nicht abgeschlossen. Solange schauen Mitglieder des Vereins nach dem Ort.
Wegen der starken Trockenheit ist die auf einer Teilfläche vorgenommene Ansaat von Rasen verdorrt. Dort ist inzwischen Rollrasen verlegt worden (ohne zusätzlich anfallende Kosten).

Ein Fazit
Der Erinnerungsort Zwangsarbeit wurde pünktlich zum 80. Jahrestag des Kriegsendes fertiggestellt. Möglich war das durch ein hohes ehrenamtliches Engagement zahlreicher Beteiligter. Er schließt eine erhebliche Lücke in der Erinnerungskultur der Stadt Hameln.

Bernhard Gelderblom


herral, 13.07.2025

Botenbericht zur Eröffnungsveranstaltung:

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