Hameln, 09.10.2024: Günter Bialkowski schreibt:
Es war zu erwarten. Der erste Jahrestag des Hamas-Massakers in Israel -der einzigen Demokratie im ganzen Nahen Osten, würde einen Schwerpunkt der Berichterstattung in Medien und Zeitungen bilden. Und so finden sich am Montag, den 7. Okt. in der DWZ gleich vier Beiträge die sich mit dem Nah-Ost-Problem und dem erstarkten Antisemitismus beschäftigen. Ich finde alle lesenswert und möchte den schreibenden JournalistenInnen an dieser Stelle ausdrücklich danken. Gleicher Dank gilt auch allen Politikern und Politikerinnen, die sich dem „verfestigten Judenhass“ in Deutschland und dem „offenen Israel-Hass“ (Zentralrat der Juden, Josef Schuster) entgegen stellen.
Nach der Lektüre überblickte ich mein Leben, es begann im 3. Reich kurz vor Kriegsbeginn und auch die unmittelbare Nachkriegsgeschichte bis etwa 1965 - nicht gerade arm an Nazi-Turbulenzen, kollektivem Verdrängen, Wiederaufbau und Aufarbeitung des geschichtlichen Nazi-Terrors mit Mill. Toten etc., glaubte ich allen Ernstes, dass wir als Gesellschaft mit der Überwindung des Antisemitismus schon einmal weiter waren. Doch dann las ich die Artikel noch einmal, sah entsprechende Fernseh-Berichte in unseren Städten und kam ins Grübeln. Hatte ich mir das in meinem Kopf vielleicht nur eingebildet, weil ich mit der Ungeheuerlichkeit des deutschen Antisemitismus und seinen Menschheits-Verbrechen sonst nicht klar gekommen wäre?
Dann blickte ich auf den Aufmacher auf der ersten Seite „Antisemitismus werden wir niemals akzeptieren“, Worte des Bundeskanzlers Olaf Scholz und ich dachte an die vielen Bürger jüdischen Glaubens in Deutschland, die voller Vertrauen bei uns wieder Fuß gefasst haben. Die unsere Demokratie gefestigt sahen und nun diese Anfeindungen! Doch dann fiel mir die Beharrlichkeit und der Widerstand der SPD am Kipppunkt unserer ersten Demokratie ein, damals in der Kroll-Oper zu Berlin als die Nazis auf breiter Basis das ganze öffentliche Leben gleichschalteten! Und ich sehe heute auch andere demokratische Parteien und Politiker, die sich kämpferisch dem erstarkten Antisemitismus entgegen stellen. Und ich setze auf das „ wir „ unseres Bundeskanzlers. Wir alle, so auch meine feste Überzeugung, werden den selben Fehler nicht noch einmal begehen. Die Mehrheit will frei und in einer rechtsstaatlichen Demokratie leben, wo alle Minderheiten gleichberechtigt leben können. Alle gemeinsam werden wir auf Straßen und Plätzen für Freiheit und Demokratie gegen die Feinde der Demokratie von rechts, links, der Mitte, den Hamas-Terroristen und - Sympathisanten eintreten. Ich glaube, nur wenn wir es wirklich gemeinsam wollen, uns nicht der Illusion hin geben, die AfD sei doch auch demokratisch usw., werden wir den Antisemitismus wieder zurück drängen.
Das bedeutet aber auch, dass wir bei jüdischen Demonstrationen mehr Mut und Engagement zeigen müssen. Hier müssen wir unsere Passivität, die schon in der Weimarer Republik spürbar war überwinden. Alle demokratischen Gruppen müssen heute für einander einstehen, jede Minderheit, die demokratisch legitimiert ist und auf der Basis unseres GG lebt, hat Anspruch auf unsere Solidarität. Nur so geht Demokratie heute.
Günter Bialkowski