Gasteitrag: „Mediale Begleitmusik zum Warnstreik“

Hameln, 30.03.2023: „Der große Streiktag: Gerecht oder Gefahr für die Wirtschaft?“ ein Beitrag von Günter Bialkowski:

Liebe Leserin, lieber Leser,

erinnern Sie sich noch an Montag den 27.03.2023? Es ist schon ein paar Tage her und die später ausgehandelten Abschlüsse lagen noch in weiter Ferne. Da ging es ziemlich turbulent zu, in Deutschland wurde gestreikt, warngestreikt wohlgemerkt! Doch die mediale Begleitmusik dazu war fast schon unterirdisch. Erst recht die Aufmacher in den Zeitungen. „Die ausgebremste Republik“, titelte die Dewezet, „Die Revolution hat begonnen“, hörte man von t-online. Und auch „hart aber fair“, das ARD-Flaggschiff für solide Talk-Unterhaltung wollte nicht zurückstehen. Der Nachfolger von Frank Plasberg, Louis Klamroth moderierte die Sendung „Der große Streiktag: Gerecht oder Gefahr für die Wirtschaft?“ Als Gäste waren geladen: Anja Kohl, Journalistin; Marie-Christine Ostermann, Wirtschaft; Gitta Connemann, CDU-Wirtschaftsunion; Janine Wissler, Die Linke; Julia Riemer, Trambahn-Fahrerin; Frank Breutigam, Rechtsexperte ARD und Fabian Schmitz, Lieferando-Fahrer. 

Insgesamt gesehen ein anspruchsvolles Thema und kompetente Gäste! Wie die Sendung bei den Zuschauern ankam? Ob es Lösungsvorschläge, gar Hoffnung für Arbeitnehmer in ihrem Arbeitskampf um höhere und gerechte Löhne gab? Wie die Wirtschaft mit den gesellschaftlichen Veränderungen, den erstarkten Gewerkschaften umgehen würde? Offene Fragen!  

Und so sah auch ich mir die Sendung an. Mein Interesse galt aber auch den Reaktionen der Zuschauer im Gästebuch der ARD. Denn hier zeigen sich erste Stimmungen, bahnen sich Trends an! Als erstes fielen die gelöschten Beiträge ins Auge. Kein gutes Zeichen dachte ich. Doch es kam noch dicker: Die Kritik überwog, kaum Zustimmung, große Unzufriedenheit! Wer von Ihnen, liebe Leser online gehen kann, dem empfehle ich Sendung und Gästeliste nochmals durchzugehen. Es lohnt sich, Sie bekommen ein veritables Stimmungsbild, wie es um unsere Gesellschaft und ihre Interessen-Vertreter bestellt ist! Und wie Teile unserer Print- und E-Medien bei angekündigten Streiks, wie diesen, ihre Nähe und Sympathie zur Wirtschaft kaum verbergen können.

Da Sie in meinen Kommentaren klare Kante erwarten dürfen, will ich meine Meinung nicht länger hinterm Berg halten. Kontroverse Diskussionen beleben das Geschäft sagt man. Was die Diskutantinnen jedoch ablieferten war Kindergarten für Erwachsene! Diesen Mangel an Gesprächskultur hätte ich hinter den gut dotierten Jobs dieser reinen Frauenrunde nicht erwartet. Da wurde gebrüllt, gegrinst, ohne Respekt und Wertschätzung für die Argumente des anderen undiszipliniert und permanent unterbrochen, so als sei man im alleinigen Besitz der Wahrheit. Verwirrend für Zuschauer auch der schnelle Wechsel der Themen ohne echte Vertiefung. Dafür gabs moralisierende Bewertungen: Streik zu teuer, zu unverhältnismäßig, zu früh usw.! Der allgegenwärtige Fachkräfte-Mangel, die menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen in bestimmten Branchen, die teuren Lebens- und Wohnbedingungen in deutschen Städten, der Streik als solcher, alles wichtige Themen, nur leider alles nicht zielführend in dieser Runde. Der Moderator bemüht seine „unartigen“ Erwachsenen auf Linie zu halten musste scheitern: zu wenig Disziplin, zu viel Selbstdarstellung, letztlich ein zu weit gefasstes, komplexes Thema! Erschreckend die Selbstdarstellung von Fr. Gitta Connemann. Wer sich so vehement gegen das Streikrecht positioniert, andererseits die neoliberale Wirtschaftsform für die allerbeste hält, der sollte wissen, dass unsere Verfassung den Streik vorsieht, sowohl den Generalstreik als auch den politischen Streik, LAG München 1979. Ihr permanentes Eintreten für den Steuerzahler der alles bezahlen müsse, wirkte nur noch peinlich und kleinkariert. Ich glaube, sie merkte nicht einmal wie lebensfremd sie in den Augen der Arbeitnehmer rüber kam. Tage später bekommt diese Frau trotz allem ein Exklusiv-Interview in der DEWEZET, wo sie Steuersenkungen für alle als die beste aller Lösungen preist!

Die Redaktion „hart aber fair ist gefordert grundsätzliche Dinge zu überdenken. Ein digitaler Zeitmesser der immer wieder mal eingeblendet wird gehört heute in jede Sendung, damit gleiche Redezeiten für alle Diskutanten Standard werden und die Eigenprofilierung auf Kosten anderer schneller erkennbar wird!

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Günter Bialkowski

herral, 30.03.2023, Foto – Ausschnitt GdP Homepage

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