Gastbeitrag „Was wäre, wenn …?“

Hameln, 28.02.2024: Nachdenktext von Günter Bialkowski. Stimmungs-7Sorgen-Demokratie? Reaktion auf zwei DEWEZT-Leserbriefe.

Sind wir eine Stimmungs-Demokratie in der wir uns von Umfragen leiten lassen. Sind wir eine Sorgen-Demokratie, weil immer mehr Zeitungen und Institutionen Sorgentelefone, Beratung und Hilfen anbieten? Wir könnten hier noch weiter fragen, Fakt ist, der Grat der Unzufriedenheit war bei uns noch nie so hoch wie heute. Leben wir in Zeiten großer Sorgen, latenter Bedrohung?

Zwei Leserbriefe Ende Febr. 2024 in der DWZ zeigten mir die Richtung an, wo uns derzeit der Schuh am meisten drückt. Ich nenne hier nur die Überschriften und empfehle allen Interessierten die lesenswerten Beiträge noch einmal nachzulesen: „Wie kann man noch AfD wählen?“ Und „Was wird unser Weg sein?“ Beide Verfasser beschreiben Teile unserer Wirklichkeit, bewerten und richten dabei fragend den Blick in unsere Zukunft.

Ja, wohin führt unser Weg? Nehmen wir die vielen Demonstrationen gegen rechts, AfD und Demokratiefeinde, dann können wir für den Moment durchatmen. Die Mehrheit unserer Bevölkerung hat die Grauzone verlassen und sich sehr deutlich für unsere Demokratie entschieden. Ja, es wird Wahlen geben in diesem Jahr nicht nur Landtagswahlen im Osten auch Kommunalwahlen etc.. Wie werden sich die Bürger entscheiden, werden viele nach rechts abbiegen und der AfD die demokratische Machtübernahme ermöglichen? Nach den Warnungen und Protesten ziviler Gruppen, Verbände, Politiker, Gewerkschafter, Wirtschaftsvertreter hat sich nun auch die kath. Bischofskonferenz deutlich gegen die AfD positioniert. Das „Nie wieder ist jetzt!“ scheint überall angekommen. Und doch schafft es die AfD die Menschen durch ihre Kümmerer-Attitüde und Deutschtümelei Erwartungen zu wecken, die unsere demokratischen Parteien, unsere Regierung, unser Rechtsstaat offenbar nicht erfüllen können, nur sie?! Vornehmlich die vielen irrlichternden Protestwähler geben Rätsel auf, die wohl nur Psychoanalytiker erklären können. Denn Unzufriedenheit mit den Regierungen gab es immer schon und für eine Dolchstoß-Legende reicht heuer die Phantasie nicht.

Hier an diesem Punkt unterbreche den Gedankenfluss und nehme Sie mit in den Dezember 2024. Die Lage in Deutschland und in Amerika hat sich gerade total verändert. Die Afd hat Regierungsmacht errungen. Und in Amerika sitzt Donald Trump zum 2. Mal im Weissen Haus. Details und Prozente können wir außen vorlassen, weil wir nicht zu sehr ins Spekulative abrutschen wollen. Allein der Schock, dass Nazis in Deutschland abermals durch demokratische Wahlen und trotz Holocaust an Regierungsmacht gelangen können, lässt mich fürs Erste resignieren!

Dieses Szenario kann passieren! Sind wir darauf vorbereitet? Es wäre schön, wenn hierzu viele Leser ihre Meinung einbringen würden. Hierbei geht es nicht ums Recht haben, nicht ums Überzeugen wollen. Lasst uns den angedachten Zielkonflikt nicht in AfD-Sprech, noch in Social-Media-Manier diskutieren. Uns allen, auch den Besorgten und Unzufriedenen, könnte vielleicht klar werden, was wir an unserer Fehler behafteten Demokratie haben, wieviel Freiheit sie uns dennoch garantiert. Und welche Dimension großer Unwägbarkeiten Regierungs-Beteiligungen der AfD im Herbst für die nächste Bundestagswahl mit sich bringen könnte.

Nach Prof. Dr. Eva Walther, Sozialpsychologin gehöre ich durch meinen Geburtsjahrgang 1937 zu den jüngeren, mehrfach geschädigten Kriegskindern. Mir erschließen sich bei dem Gedanken, dass sich Nazis wieder durch demokratische Wahlen an die Macht puschen können, schlimme Bilder aus den Endtagen des Nazi-Reiches. Millionen Kinder kämpften damals mit körperlichen und seelischen Schäden die ihnen der Krieg verursacht hat! Viele, allzu viele Kinder und Jugendliche mußten ihr Leben lassen, wurden regelrecht verheizt! Mein Appell richtet sich an die Eltern heute, sprechen sie mit Ihren Kindern was Nazis unserem Land, den deutschen und europäischen Juden und der ganzen Welt angetan haben! Nie wieder ist jetzt!

Wir Heutigen tragen Verantwortung. Kämpfen wir gemeinsam gegen die vielfach vorherrschende Unbekümmertheit, Naivität oder die ist-mir-egal-Stimmung unserer Heranwachsenden, nicht zuletzt auch gegen die Dummheit nicht weniger Erwachsener. Wir haben eine Chance!

Günter Bialkowski

2 Gedanken zu „Gastbeitrag „Was wäre, wenn …?““

  1. Nach längerem Nachdenken komme ich zur Hypothese, dass es derzeit doch mehr Menschen gibt, die mit ihrer wirtschaftlichen und sozialen Lage unzufrieden sind und keine Chance der Verbesserung sehen, als vor beispielsweise 30 Jahren. Ich glaube nicht, dass es nur ein psychologisches Problem ist, sondern dass die Lage sich für viele tatsächlich verschlechtert hat. Diejenigen, denen es gut geht, können leicht auf die anderen herabsehen, doch das hilft nicht weiter. Diese Menschen brauchen Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Ich sehe keine Partei, die das Armutsproblem ernsthaft angeht.
    Vermutlich gab es immer viele Menschen, die sich nicht für Politik interessiert haben und mit der Hoffnung ganz angenehm gelebt haben, „die da oben“ werden es schon richten. Jetzt, wo das spürbar nicht mehr der Fall ist, mündet das in die Wut der Enttäuschung, das sich Abwenden von den alten Volksparteien und das sich Zuwenden zu denen, die bessere Zeiten versprechen. Die Menschen wollen gut regiert werden und Sorgen abgenommen bekommen. Doch wer kann und macht das?

  2. Hallo Frau Wendling, nur kurz zu ihren letzten Sätzen. Mein Opa war Ortsgruppenleiter der NSDAP in einem kleinen Ort nordöstlich von Hannover. Er sagte nach dem Kieg:“Wir haben uns große Hoffnung gemacht, dass mit den Nationalsozialisten ALLES besser wird. Was dann kam haben wir nicht geahnt, nicht erwartet und nicht gewollt“.
    Nun, die sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse waren 33 völlig Andere als heute. Diesen Nährboden kann ich heute bei bestem Willen nicht erkennen. Wir werden alle satt, es besteht nahezu Vollbeschäftigung und wir brauchen Migration, die uns, in einer alternden Gesellschaft, weiterhilft.
    Viele heutige Sorgen kann ich nicht verstehen. Außer einem Rechtsruck in der Politik (und dem Klimawandel).

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