„Sichtschutz für Vorgärten“ – wie krank ist unsere Gesellschaft?

Hameln, 13.03.2024: Gastbeitrag von Günter Bialkowski.

Am 12. März 24 greift Marc Fisser in der Tages- und Heimatzeitung DWZ ein interessantes gesellschaftliches Thema auf. Um es vorweg zu sagen, sein Aufmacher „Sichtschutz für Vorgärten“ verschleiert die Dimension die hinter dem eigentlichen Bestreben nach Abgrenzung steht. So wie der Journalist das Thema aufbereitet sind wir es von der DWZ schon länger gewöhnt. Überschaubar mit Ausbreitung ins Persönliche, wird das Problem personalisiert und damit klein gehalten. Dabei geht es doch um weit mehr als nur um „optische Abgrenzungen“ zum Nachbarn! Bei ganzheitlicher Recherchearbeit hätten hier politische und psychologische Herleitungen dem Leser in jedem Fall mehr Orientierung geboten, diese Entwicklungen besser zu verstehen. Bauordnungen, Gesetzesvorgaben, Nachbarschaftsrechte etc. werden angeführt, auch unsere liberalen landesrechtlichen Regeln erwähnt. Das was hier gerade sichtbar wird, geschieht jedoch in unserem freiheitlich und rechtsstaatlich organisierten Gemeinwesen ohne Steuerung !

Für mich stellt sich die Frage, warum wird hier wie so häufig mit Druck und möglichen Sanktionen gearbeitet „Die Stadt kann … auf dem zivilrechtlichen Weg zwingen“ ! Hätte der Journalist Marc Fisser, von dem wir gute Beiträge lesen durften, einen Blick in die große Politik geworfen, also ganzheitlich gearbeitet, dann hätte er davon berichten können, dass z. Z. die ganze Welt von Nationalismus und Isolationismus heimgesucht wird, selbst von unserem größten Bündnispartner USA klingt die Botschaft: Amerika first. Überall werden Trennlinien, Mauern, sichtbare und verhüllende Grenzzäune zur Abschottung errichtet. Was im Großen erlaubt, ja gerade zu von manchen Strömungen, Parteien, Politikern populistisch angestrebt wird, auch bei uns puscht sich gerade die AfD mit dieser Attitüde an die Macht, kann im Kleinen wohl nicht strafbar sein! Und so scheint dieses Phänomen in den Köpfen der Menschen tief verankert.

Das Thema eignet sich zum „Tacheles Thema“. Mit tiefgreifender Recherche könnten hier die Gründe aufgezeigt werden, die Länder wie auch Privatpersonen zu solchen Handlungen greifen lassen! Und wie durch (falsche) Werte- und Moral-Beimessungen nicht nur die Politik in Verruf sondern auch das ganze soziale Leben zerstörerischen Formen ausgesetzt wird: siehe Kälte, Ab- und Ausgrenzung, Radikalisierung bis hin zu Hass und Gewalt-Anwendung! Auf Anhieb fallen mir zur Abschottung folgende Motivlagen ein: Reichtum und Armut, Rasse, Religion, Politik, Hegemonie-Bestrebungen und Ängste. Wer möchte, kann hier das große Politik-Versagen im Großen wie im Kleinen fest machen, wenn nicht gerade hier das große Konflikt-Potenzial für die Zukunft der Menschheit liegen würde! Hier gäbe es für die Heimat-Zeitung die Chance anders als in social media, wo mit kleinsten vorgefertigten Info-Häppchen Leser wie Leserinnen bewusst gegängelt werden, hintergründig und transparent zu berichten!

Gleichzeitig zeigen uns die Abgrenzungs- und Sichtblenden-Zäune in Hameln und Umgebung aber auch wie krank unsere Gesellschaft inzwischen ist. „Nähe und Freundlichkeit“ suchen wir uns lieber in Urlauben bei unseren Nachbarn im Süden Europas! Hier müssen wir mit „Herzenswärme“ Bildungs-Konzepte gegen den neu erblühenden Nationalismus entwickeln und nachhaltig durchziehen, denn h i e r im Kleinen entwickelt er sich und zeigt begünstigt durch die GG garantierte liberale Grundhaltung unserer freiheitlichen Demokratie immer wieder seine destruktiven Facetten und Formen.

Leider ist die DWZ mit diesem harmlos abgelieferten Beitrag nicht auf der Höhe der Zeit! Vielleicht sind Leser und schreibende Leser manchmal auch die besseren Seismographen und schlagen frühzeitig Alarm! Die presserechtlich schwache Stellung schreibender Leser ist jedoch vielen bekannt, auch die DWZ distanziert sich durch ihre Regeln. Eine alternative Tageszeitung vor Ort gibt es nicht! Bleibt die Ressource „wacher und für die Demokratie eintretender Leser“ in Hameln für den öffentlichen Meinungsbildungsprozess halt vielfach ungenutzt! Gut, dass es da eine private, nichtkommerzielle Seite „Hamelner Bote“ gibt, die sich mit Lokalnachrichten über Hameln beschäftigt. So findet auch dieser Beitrag den Weg in die Öffentlichkeit.

Günter Bialkowski


herral, 13.03.2024

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