Gastbeitrag zum Artikel „Die Kirchen bauen die Brandmauer“, Thoralf Cleven, DWZ 22.03.24

Hameln, 23.03.2024: Von Günter Bialkowski erreichte mich folgende lesenswerte Gedanken/Informationen:

Der ganzseitige Beitrag von Thoralf Cleven, der als „Story des Tages“ daherkommt, ist in seiner Breite und Tiefe interessant, lesenswert! Die Kirchen, im Plural, bauen die Brandmauer gegen die AfD und rechte Gesinnung. Schon die Überschrift signalisiert: Wir sind uns einig! Das war nicht immer so!  Zum anderen baut gerade der christliche Parteivorsitzende der CDU Friedrich Merz ebenfalls an der Brandmauer gegen rechts. Wie es scheint in Ost-Deutschland nicht ganz erfolgreich.

Ich weiß noch um die diffusen und sehr harten Lebensbedingungen um 1945! Deutschland lag am Boden. Die Menschen waren froh überlebt zu haben! Überall standen leere, hole Mauern, ausgebrannte Ruinen, weil es damals keine gemeinsame Brandmauer gegen den völkischen Nationalismus gegeben hat. Die Kriegs- und Vernichtungsgräuel der Deutschen kamen durch die Alliierten-Mächte nach und nach ans Tageslicht! Die evangelischen Christen gestanden nach internen Kämpfen voller Selbstzweifel im sog. Stuttgarter Schuldbekenntnis Okt.1945 ihr Versagen im Kampf gegen den den Nationalsozialismus ein. Die Katholiken waren damals nicht dabei. Ihr Weg, durch Rom und Papst Pius Xll und seinem Konkordat-Abkommen mit Hitler-Deutschland von 1933 war ebenfalls gescheitert! Dieses Szenario in dieser Zeit lässt erahnen, welchen Weg die Kirchen bis heute gegangen sind.

Im Februar verabschiedete die Deutsche Bischofskonferenz die Erklärung „Völkischer Nationalismus und Christentum sind unvereinbar“, dies zielt in Richtung AfD. Die amtierende EKD-Ratsvorsitzende Kirsten Fehrs zieht nach: „Wir ziehen die gemeinsame Konsequenz, vor der Wahl rechtsextremer Parteien einschließlich der AfD zu warnen, weil sie Minderheiten ausgrenzen und die Demokratie gefährden.“ Der Politik-Wissenschaftler Andreas Püttmann, den Thoralf Klefen neben anderen zu Wort kommen lässt, nennt dass einen „Coup, der die AfD kalt erwischt hat.“ Dass kann man so sehen. Wird doch hier der AfD das schmückende Etikett „konservativ“ von den konservativen Institutionen Kirchen weggenommen. Sie werden demaskiert als das was sie sind: erbärmliche Nationalisten, ohne Menschlichkeit und ….!

Klare Worte findet der Journalist Kleven auch zum Thema Glaubwürdigkeit beider Kirchen. Und doch zeigt die jüngste JouGov-Umfrage, dass eine Mehrheit von 44 Prozent der Deutschen die Positionen beider Kirchen zur AfD positiv bis sehr positiv bewerten! In Verbindung mit den gerade statt gefundenen großen Demonstrationen auf Straßen und Plätzen, auch bei uns in Hameln und in ganz Deutschland eine beruhigende Position? Doch das sind Moment-Aufnahmen. Wahlergebnisse sehen häufig anders aus. Und da haben wir noch große Fragezeichen angesichts der bevor stehenden Wahlen in diesem Jahr.

Wie gehen nun die Gemeinden im innerkirchlichen Raum mit dem Thema AfD und rechtem Gedankengut um? Stehen sie vor einer Zerreißprobe? Der Pfarrer im Kirchspiel Bautzen gibt Auskunft. Das Bild ist uneinheitlich, gespalten! In jedem Fall lesenswert!

Mir gefällt sein Plädoyer für die Auseinandersetzung, für Offenheit und Einsatz für unsere Demokratie! Wir müssen es wieder lernen, uns für die Demokratie einzusetzen und dürfen dies nicht nur von unseren Politikern erwarten. Recht hat er! Das, was für den Osten gilt, sollte auch für uns im Westen gelten. Und gerade hier bekommt es auch Thoralf Cleven nicht gebacken? Gerne würde man hier etwas über Auseinandersetzungen im Kirchengemeinderat, in Gemeindeversammlungen in Niedersachsen lesen oder hören. Doch so eine lebendige Gemeinde gibt es scheinbar nicht?! Hier wird lieber über die Frage diskutiert „Wie politisch darf die Kirche sein?“ Bestenfalls werden Appelle von den Kanzeln verlesen. Verlautbarungen über die Medien vertrieben! Angesichts der leidvollen Erfahrungen die beide damaligen Großkirchen mit der Ideologie, dem Rassenwahn, der Vernichtung unwerten Lebens in kirchlichen Heimen und Anstalten mit der Nazi-Diktatur gemacht haben, finde ich diese Aussagen, Verlautbarungen und dieses Ausklammern, den Nicht-Umgang mit der AfD und rechten Strömungen innerhalb kirchlicher Immobilien geradezu naiv, hirnrissig bis brandgefährlich.

Ich halte fest und vermute, der Autor Thoralf Cleven hätte auch in diesem Beitrag gerne über den Bau der Brandmauer bei uns vor Ort in den Kirchen von Niedersachsen berichtet. Alles paletti bei uns? Die letzten Umfragen im Febr. 24 sehen die AfD in Niedersachsen bei 21 Prozent, Tendenz steigend. Dies müsste eigentlich alle Leitungsebenen innerhalb der Kirchen alarmieren, auch die der Evang.-luthr.-Landeskirche Hannover. Doch es ist ruhig.

Der evang. Theologieprofessor Michael Haspel von der Universität Erfurt und Jena weiss mehr, es gibt Rechtspopulismus in den Gemeinden und sagt: „Im Moment scheint es mir der Fall zu sein, dass wir da viel zu schnell hinweg schauen. Eigentlich wissen das viele, aber es wird nicht laut gesagt. Das ist so, wie man so schön sagt, der Elefant im Raum.“ Damit dürfte klar sein, trotz der Bedrohungslage durch AfD, Populismus und Nationalismus haben die Kirchen den richtigen Umgang mit diesem Phänomen noch nicht gefunden! Gemeinsame Erklärungen in die Gesellschaft hinein sind das Eine. Eine wirklich neue Haltung bis in die kleinsten Zellen der Kirchengemeinden ist bisher nicht erkennbar! Kann das Projekt Brandmauer unter dieser Prämisse gelingen? Es wäre schön, wenn die heutige Pastoren-Generation, die sich von früheren Generationen durch Vereinzelung und Ausdünnung abhebt, hierzu – wie auch Gemeindeglieder Stellung beziehen würden. Ostern steht vor der Tür, die höchste christliche Dichte mit Stressfaktor für Pastorinnen und Pastoren! Fürs Fußvolk, egal ob kirchen-aktiv, randständig oder schon ausgetreten, es gibt ein paar freie Tage und viel Zeit zum Erholen aber auch zum Nachdenken. Schöne Ostern!

Günter Bialkowski

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