Hameln, 03.10.2023: Am 02.10.2023 veröffentlichte die DEWEZT im überregionalen Teil auf Seite 3 als „Story des Tages“ einen Beitrag über den Höhenflug der Rechtsextremen als kein reines Ostphänomen. Dazu erreichte mich der folgende Kommentar von Günter Bialkowski:
Blaue Insel Gelsenkirchen
Warum immer wieder Gelsenkirchen? Wenn Journalisten nicht mehr weiter wissen, wie sie Ihrer Zielgruppe den Aufstieg der AfD erklären sollen, dann setzen sie auf das probate Stilmittel Reportage, wobei der Akzent auf „szenisches Erzählen“ liegt! Aus der Sicht der Heimat-Zeitung DEWEZET hier im Weserbergland, war wohl Gelsenkirchen wieder einmal dran. Nun ist der renommierte Journalist Thorsten Fuchs vom Redaktionsnetzwerk Deutschland kein Unbekannter. Was motiviert ihn Gelsenkirchen in seinem Bericht „Blaue Insel Gelsenkirchen“ eine Hochburg der Rechtsextremen zu benennen?
Als ehemaliger Gelsenkirchener, der seine Heimatstadt durch Print-, E-Medien und Online-Verbindungen immer noch gut kennt, um hier mitreden zu können, finde ich diesen ganzseitigen Beitrag in Teilen falsch angelegt. Dass der Haushalt Gelsenkirchens seit Jahrzehnten unterfinanziert ist, hängt mit der Strukturkrise zusammen auf die unser Wirtschaftssystem bis heute keine adäquate Antwort gefunden hat! Trotzdem bekommt diese Stadt immer mehr Migranten und Flüchtlinge zugewiesen. Eine politische Vorgehensweise, auf die der Autor Thorsten Fuchs mit keinem Wort eingeht. Wenn seine einfühlsame Reportage, sein faktenbasierter Bericht insgesamt aber politisch sehr distanziert rüber kommt, dann hätte er erst gar nicht schreiben sollen. Ein scheinbares Motiv wird greifbar, wenn er am Beispiel Gelsenkirchens den Aufstieg der Rechtsextremen auch im Westen unserer Republik erklären möchte. Seine Szenarien des Niedergangs und der menschlichen Missachtung, wie sie in seinen gefühlvollen Milieu-Beschreibungen (Beispiel Erle etc.) zum Ausdruck kommen greifen jedoch zu kurz. Baden-Württemberg, ein wirtschaftlich prosperierendes „Muschterländle“ mit großer „Mitte-Dichte“ wäre hier ein viel treffenderes Beispiel! Doch hier ginge es ja nicht ohne Einblicke und Beschreibungen in tiefe Bürgerlichkeit und der z.T. vernetzten neuen Eliten.
Zu guter letzt lässt der Autor noch Lukas Günther, den Vizefraktionschef der SPD im Gelsenkirchener Rat zu Wort kommen. Zitat: „Im Rat, sagt er, würden SPD, Grüne und CDU gegen die AfD gut zusammenarbeiten.“ Diese Zusammenarbeit wünschen sich viele Leser und Bürger auch in Berlin! Doch was bleibt haften von diesem Beitrag, der eigentlich unsere komplexe Gesellschaft, den großen Wandel in die Moderne zum Inhalt hat? Und an dessen Schwelle sich die AfD mit einer „Kümmerer Attitüde“ gerade unseren sozialpolitischen Problemen zuwendet und mit zunehmend antikapitalistischer Rhetorik zur Verunsicherung der Bevölkerung beiträgt (entnommen aus Interview Annika Leister mit Martin Schulz, Vorsitzender der Friedrich-Ebert-Stiftung). Der Leser, nicht nur Konsument dieses Beitrages, sondern immer auch Betroffener, wird den „Hilferuf“ des Lokalpolitikers der SPD verstehen, ein „ewiges“ Haushaltsdefizit, das ewige Erbe aus Kohlezeiten, kann in unseren krisengeschüttelten Tagen bei vielen Menschen zum Vertrauensverlust in unsere Demokratie führen. Für GE muss es einen Schuldenschnitt geben, sonst verpuffen alle Anstrengungen der Stadt, der demokratischen Parteien, der freien Wirtschaft und vieler ehrenamtlich tätiger Mitbürger. Strukturen, die diese Ungerechtigkeiten zulassen gehören geändert!! Ausdrücklich widersprechen möchte ich der Schlussfolgerung des Autors in dieser Sache könnte es sich auch um eine Kapitulation des SPD-Politikers Günther handeln.
Meines Wissens sehen dies die Statuten der ältesten demokratischen Partei Deutschlands nicht vor.
Günter Bialkowski
herral, 03.10.2023