Hameln, 16.03.2024: Gastbeitrag von Günter Bialkowski zu überregionalen Beiträgen aus der DEWEZET vom 15.03.2024, Gedanken zum Umgang mit der AfD und der Frage zur Aufarbeitung der DWEZET-Geschichte.
Liebe Leserin, lieber Leser,
ich weiss nicht, wie es Ihnen ergeht, wenn Sie Beiträge zur Tagespolitik in der DWZ lesen?
Wie es mir ergeht, kann ich Ihnen gerne schildern. Nehmen wir Blatt zwei vom 15.03.24. Zwei Überschriften springen sofort ins Auge „Kein Platz für Feinde der Demokratie“ und „Nervöses Taktieren“. Beide Artikel sind aktuell, die Journalisten Daniela Vates und Felix Huesmann befragen in einem Interview den neuen und ersten Polizei-Beauftragten des Bundes. Thema ist die Gefahr der Unterwanderung der Polizei-Behörden. Sie berichten und schätzen ein, wie der aktuelle Sachstand ist. Im Leitartikel „Nervöses Taktieren“ läßt uns Huesmann teilhaben, wie er die Nervösität der AfD im Münster-Prozeß erlebt.
Der Satz „Die AfD diktiert den Richtern und dem beklagten Bundesamt für Verfassungs-Schutz ihren Zeitplan“ ist für mich bedeutungsschwer! Auch wenn man es nicht auf Anhieb erkennen kann, dieses Taktieren – hier geht es um ein Hinauszögern, kennen wir aus vielen anderen Presse-Berichten, Erkenntnissen der Polizei und des Bundes-Verfassungsschutzes. Dieses Infiltrieren, Unterwandern, Einschüchtern, Privatpersonen wie Bundes- und Lokal-Politiker mit Klagen überziehen ist inzwischen bundesweit bekannt. Hier, an dieser Stelle sind wir noch lange nicht der wehrhafte Staat, den uns Politiker in Sonntagsreden mehr beruhigend denn real verkünden.
Zum Stichwort „bedeutungsschwer“: Als spätes Kriegskind mit voller Speicherplatte an Kriegs- und Nachkriegserfahrungen in meinem Kopf, Gefühl und Herzen gebe ich zu bedenken: Es werden diese legalen demokratischen Mittel und Möglichkeiten sein, deren sich diese AfD heute bedient um unseren Rechtsstaat zu verunsichern, zu diskreditieren und die eigene Klientel Kampagne fähig zu halten. Später, sobald sie an der Macht sind und in Thüringen könnte es im Herbst bei den Landtagswahlen zum ersten Mal der Fall sein, wird diese AfD innerhalb kürzester Zeit diese Mittel und Möglichkeiten aus Macht-Erhaltungsgründen abschaffen! Eigene – labile nicht ganz durchsätzungsstarke Leute werden spontan ausgewechselt und durch harte Typen ersetzt werden. Historische Forschungsarbeiten weisen in diese Richtung! Man braucht sich nur die politischen Ereignisse des Jahres 1933 ansehen, dann bekommt man ein Gefühl dafür, wie schnell die demokratischen Institutionen, Behörden etc. unterlaufen, infiltriert und durch schnell formulierte Not-Verordnungsgesetze abgeschafft wurden.
Letzter Punkt: Mich wundert immer häufiger der verkürzte Blick bzw. wie professionell aber ohne Biss unsere Journalisten und Moderatoren in Zeitungen und Medien über die AfD und ihre rechten Umtriebe berichten. Auch ich stehe für Professionalität und gute Recherchearbeit. Bin aber überzeugt, dass unser Journalismus, unsere Presse der veränderte Lage, die mit dem Erscheinen der AfD als Partei in Deutschland eingetreten ist, nicht angemessen entgegen treten! Das rechte Gedankengut war ja schon vorher da und auch das wurde nicht adäquat aufbereitet. So gibt es z.B. bis heute bei der DWZ keine eigene Aufarbeitung, kein eigenes Nachdenken über die Zeit von 1986 bis 2002 über die eigene gesellschaftliche Position und politische Ausrichtung der DWZ-Redaktion. Das Farbe bekennen und Haltung zeigen formuliert man dann doch lieber an die Zivilgesellschaft. Die hat dank vieler ehrenamtlicher Akteure zu tausenden im Bürgergarten Haltung gezeigt!
So gesehen halte ich das Format des deutschen Leitartikels und des Kommentars für überholt, zu unpersönlich, ja antiquiert. Es wäre heute sinnvoller, wenn die übertriebene Professionalität reduziert und wir in Leitartikeln und Kommentaren schon auf Seite zwei mehr persönliche Haltung und demokratischen Mut und weniger Eigenprofilierung erfahren dürften. Wir brauchen einen wehrhaften Journalismus, in der gesamten Medienbranche mehr Mut, mehr Vernetzung im Kampf gegen die AfD und dem europäischen Nationalismus und Populismus. Nicht wenige Leser vermissen die kritische Begleitung der agierende Populisten Europas aber auch jener EVP-Politiker, die deren Treiben zu wenig Widerstand entgegen setzen!
Wer sich eine veränderte, krisengeschüttelte, in weiten Teilen verunsicherte Zivilgesellschaft in Deutschland und Europa als Arbeitsfeld auserkoren hat, der muss auch selber angemessen liefern!
Günter Bialkowski