Gastkommentar : Zum Leitartikel: „Der Angriff von Dresden ist ein Alarmsignal“

Hameln, 08.05.2024: von Günter Bialkowski zum DEWEZET Beitrag von Markus Decker vom 06. Mai 2024.

"Das Entsetzen über die Brutalität in Dresden ist groß, schreibt Markus Decker in seinem Leitartikel vom 06.Mai 2024 in der DWZ. Und entfaltet seine Gedanken, was wir alles brauchen, um der inneren Gewalt entgegen wirken zu können. Besonderes Augenmerk widmet er unserer Zivilgesellschaft und schreibt: „Der Protest der vielen hilft, jene Lethargie zu bekämpfen, die uns alle zu befallen droht.“ Nach dem ich mehrmals zum medizinischen Begriff Lethargie gegoogelt habe, finde ich, hätte der Autor hier passender den psychischen Begriff Angst einsetzen sollen. Unsere Gesellschaft, zu mindest der große Teil, der um den Erhalt unserer Demokratie besorgt ist, wird gerade hart auf die Probe gestellt. Von Entsetzen und Ausweglosigkeit gelähmt, ringen die Menschen um Orientierung, suchen nach Halt, Stabilität und haben Angst. Bei vielen spielen die Erfahrungen der Eltern und Großeltern aus der späten Weimarer-Zeit und den Anfängen der Nazi-Diktatur noch eine zusätzliche angstbesetzte Rolle, wenn sie auf die Gewaltexzesse unserer Tage blicken!

Markus Decker sieht in der Häufung und in der Steigerung der Gewalt gegen Politiker und Partei-Engagierte für unsere Demokratie ein Alarmsignal und empfiehlt eine lagerübergreifende Gegenwehr gegen die „rechtsextremistischen Kreise“! Hier an dieser Stelle wünschte ich mir einen konkreteren Markus Decker. Diese Entwicklung hat einen Namen! Ich zitiere BR 24 zur Bundestagswahl 2017: Damals formulierte der Spitzenkandidat der AfD Alexander Gauland im Deutschen Bundestag : „… Wir werden sie jagen, wir werden Fr. Merkel oder wen auch immer jagen - und wir werden uns unser Land und unser Volk zurück holen.“ Diese Kampfansage an unsere Demokratie, diese Drohung an unsere Zivilgesellschaft vollzieht sich gerade jetzt vor unseren Augen! Ich frage mich, warum haben wir nicht angesichts unserer kollektiven Erfahrungen mit Weimar, den Schlägertrupps der Nazis von damals und den ersten Verfolgungen unserer jüdischen Bürger diese Frechheit gegen alles was uns bis dahin wichtig und wertebesetzt war einfach durchgehen lassen? Und warum wurden die Provokationen der AfD im Deutschen Bundestag nicht härter bestraft? Schon vor der Bundestagswahl 2017 warnte der SPD-Politiker Sigmar Gabriel vor neuen Nazis im hohen Hause! Fasst messbar mit diesen Entwicklungen 2017 ff. wurde die Sprache, wurden die Parolen auf den Straßen radikaler, härter, brutaler! Nach dem einige konservative Politiker für diese Entwicklung auch noch sprachliche Vorlagen lieferten, in dem sie politische Mitbewerber verunglimpften, t-online, Florian Harms, 07.05.2024.

Hier an dieser Stelle wiederholt sich gerade deutsche Geschichte lieber Leser, liebe Leserin! Wir müssen nur zuhören, wenn uns die wenigen KZ-Überlebenden aus den Anfängen der Nazi-Barbarei berichten! Und trotz allem scheuen wir uns, scheut sich unsere freie Presse Nazi-Vergleiche anzustellen! Ja - wir erleben gerade eine Umkehrung deutscher Geschichte. Nazi-Verfolgte werden von Rechtsgerichteten und deren Sympathisanten-Umfeld instrumentalisiert. Andere ziehen vor Gericht, um sich den Anschein von demokratischen Normalverhalten zu erschleichen. Neue Persilscheine sind wieder gefragt!

Ja, dass ist alles sehr alarmierend und das schildert Markus Becker in seinem Beitrag über den brutalen Vorfall in Dresden deutlich. Fazit: Wir dürfen uns nicht in die Defensive drängen lassen! Die Demokratie muss aus der Mitte unserer Gesellschaft gegen rechte Gewalt verteidigt werden. Eine demokratische Rechte, wie Sie Markus Decker offenbar sieht, sehe ich zur Zeit nicht. Hier rüber sollten deutsche Medien erst einmal einen offenen gesellschaftlichen Diskurs einleiten! Noch ist das Göbbels-Zitat von 1935, wo er in einer Rede über „die Dummheit der Demokratie“ spottet, von deutschen Universitäten nicht aufgearbeitet worden. Der Beweis, dass es „demokratische Rechte“ gibt, ist bis heute nicht erbracht. Man kann darüber eine Meinung haben, dass es sie gibt, aber das ist kein tragbarer Beweis und schon gar nichts Gerichtsfestes. Und die heutigen Rechten testen jeden Tag aufs Neue, wie sie mit Hetze und Gewalt unsere Demokratie am schnellsten den Garaus machen können.

Also - wovor haben deutsche Journalisten Angst, wenn sie Vergleiche ziehen müßten? Was wir bis heute nicht haben ist eine gemeinsame Strategie gegen rechte Gewalttäter. Ein „Weiter so“ darf es nach dem Gewaltakt gegen Matthias Ecke nicht mehr geben. Und bei allem Engagement der Zivilgesellschaft, wir werden auch um Strafrechts-Verschärfungen nicht herum kommen. Wir brauchen hierzu nicht nur eine schnelle Ministerpräsidenten-Einigung, sondern auch einen schnellen Parteien-Konsens. Unsere Bundes-Innenministerin hat gerade viel zu tun, unsere Demokratie nach Innen wehrfähiger als bisher zu machen. Parteienstreit darf es hier nicht mehr geben!

Europa hat sich mit vielen Parteien zur anstehenden Europawahl aufgestellt. Noch einmal haben wir in freier Entscheidung die Wahl zwischen Demokratie und Populismus. Werden unsere heutigen rechtslastigen Erfahrungen, unsere bisher erlebten Gewaltausbrüche auf unseren Straßen, die Entwicklungen in Polen, Ungarn, Italien, den Niederlanden uns in der Wahlkabine daran erinnern, unsere Stimme wirklich nur demokratischen Parteien zu überlassen? Ich glaube fest daran, dass wir es schaffen werden. Seit es die AfD gibt, haben wir gemeinsam immer wieder in den Abgrund blicken können. Nein - wir haben dazu gelernt: Wir wählen die Freiheit, wir wählen ein demokratisches Europa!"

Günter Bialkowski

herral, 08.05.2024

Ein Gedanke zu „Gastkommentar : Zum Leitartikel: „Der Angriff von Dresden ist ein Alarmsignal““

  1. Gewalt und Angst sind entscheidende Faktoren, um Menschen einzuschüchtern. Ich empfehle die Tagebücher des Journalisten Victor Klemperer ab 1933, die belegen, wie schnell ein Klima der Angst in Deutschland regierte. Bin mit der Lektüre erst im Jahr 1934 angelangt, doch es ist schon schlimm genug, wie die Menschen manipuliert wurden, einander misstrauten etc.

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