Hameln, 24.08.2024: Vor 20 Jahren wurde zum Jahresende 2004 das Polizeikommissariat Hameln aufgelöst. Gleichfalls wurde Polizeiinspektion Holzminden aufgelöst und als Polizeikommissariat Holzminden mit den Stationen Stadtoldendorf und Bodenwerder die die Landkreise übergreifende neu gebildete Polizeiinspektion Hameln-Pyrmont/Holzminden integriert.
Die Bezirksregierung Hannover wurde aufgelöst und die Polizeiinspektionen des Weserberglandes an die neu gebildete Polizeidirektion Göttingen angeschlossen.
Ein Bericht über die jüngere Polizeigeschichte der Polizeiorganisation unter Führung des damaligen Innenministers Uwe Schünemann in den Jahren 2003/2004.
Im Jahr 2004 war ich Kreisgruppenvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei Hameln-Pyrmont und Personalratsvorsitzender der Polizeiinspektion Hameln. Gewerkschaft wie Personalrat haben damals sehr mit den Entscheidungen der neuen CDU Landesregierung gehadert. Fazit vor 20 Jahren: „Persönlich finde ich den eingeschlagenen Weg der Neuorganisation falsch! Der Standort der Polizeidirektion in Göttingen ist eine Fehlentscheidung. Noch schlimmer ist der Zusammenschluss der Polizeiinspektionen Hameln-Pyrmont und Holzminden.“
Schon am 17.09.2003 hat die damalige GdP Bezirksgruppe Hannover RB den Innenminister Uwe Schünemann angeschrieben und gebeten, die Standortentscheidungen zu überdenken. In dem dreiseitigen Schreiben wird anhand der Faktoren „Mensch“, „Geld“ und „Funktionsfähigkeit“ die Argumente der Gewerkschaft gegen die Veränderungen dargelegt.
Am 10.12.2003 veröffentlichte der GdP Landesverband Niedersachsen einen „Polizeilichen Notruf“, in dem die Personalvertretungen der Polizei in einer Protestnote aufforderten, Information und Beteiligung ernst zu nehmen. Zitat: „Wir befürchten ansonsten einen fortschreitenden Verfall der innerbetrieblichen Demokratie bei der Polizei und in anderen Verwaltungsbereichen, der auch zu Lasten der Bürgerinnen und Bürger in Niedersachsen geht.“
Die Proteste waren zunächst vergeblich.
Durch das am 01.11.2004 in Kraft tretende „Gesetz zur Umorganisation der Polizei und zur Änderung der dienst- und personalrechtlichen Bestimmungen“ wurden unter anderem sechs Polizeidirektionen sowie die Polizeibehörde für zentrale Aufgaben eingerichtet.
Im Folgenden die Ereignisse beispielhaft für Hameln-Pyrmont und Holzminden:
Das nach außen kommunizierte Ziel der Organisationsänderung war „die Basis zu stärken“. Bei Analyse der Planungen aus Gewerkschaftssicht wurde ein deutliches Missverhältnis zum angeblichen Ziel und den tatsächlichen Auswirkungen für die Region im Weserbergland deutlich.
Mit mehreren Stellungnahmen versuchte die Beschäftigenvertretung auf befürchtete Negativauswirkungen hinzuweisen.
Kernkritikpunkte waren:
- Verlust von 37 bis 46 Arbeitsplätzen (Exekutivbeamte und Angestellte) in der neuen Polizeiinspektion,
- Abgabe höherwertiger Dienstposten,
- Verlagerung der Bearbeitungszuständigkeiten mit negativen Folgen für alle.
Insbesondere der befürchtete Personalabbau führte zu besonderen Aktivitäten:
Am 13.07.2004 wurde dem Planungsbeauftragten der PD Göttingen, Hans Wargel, eine Resolution der Personalvertretungen der Inspektionen Hameln und Holzminden übersandt. Im Fazit hieß es:
„Für uns als Personalvertretung steht das derzeitige Szenario in einem eklatanten Widerspruch zu den öffentlich verkündeten Zielen der Polizeiorganisationsreform. weder bei den Kolleginnen und Kollegen, noch bei den Bürgern in den Landkreisen Hameln-Pyrmont und Holzminden dürften diese Entwicklungen auf Akzeptanz stoßen. Wir möchten daher eindringlich darum bitten, die oben beschriebenen Planungen zu verändern, damit nicht ein deutlicher Vertrauensverlust und eine Demotivierung der Mitarbeiter erfolgt.
Es darf nicht sein, dass:
a) bei uns vor Ort immer weniger Leute bei schlechterer Bewertung/Bezahlung immer mehr Arbeit machen müssen und gleichzeitig
b) gegenüber der Bevölkerung dargestellt wird, dass die polizeiliche Arbeit vor Ort gestärkt und verbessert wird, obwohl diese zumindest für unsere Landkreise objektiv nicht zu erwarten ist.“
Auch dieses Schreiben führte zu keiner Reaktion/Antwort des verantwortlichen Planungsbeauftragten.
Mit einem internen Rundbrief wurden am 17. August 2004 noch einmal alle Kritikpunkte, diesmal drastischer zugespitzt, aufgeführt.
Am 31.08.2004 kam es zu einer sehr gut besuchten Gewerkschaftsversammlung. Hier wurde von allen Anwesenden beschlossen als letztes Mittel in die Öffentlichkeit zu gehen.
Ein am 01.09.2004 vereinbartes Gespräch mit dem Planungsbeauftragten Hans Wargel und dem Vorsitzenden des Bezirkspersonalrates Klaus Molgedey wurde von Herrn Wargel abgesagt.
Am gleichen Tag wurde in den Medien über die vollzogene Organisationsänderung berichtet:
HAZ vom 01.09.2004
DEWEZET vom 01.09.2004
Am 02.09.2004 wurde nun von den GdP Kreisgruppen Hameln-Pyrmont und Holzminden ein „Polizeilicher Notruf für die Landkreise Hameln-Pyrmont und Holzminden“ an Politik und Presse versandt.
Zitat: „Bei einem Personalabbau dieser Größenordnung sind einschneidende Veränderungen auch in dem unmittelbaren Dienstleistungsangebot der Polizei für den Bürger unausweichlich. Neben der Stellenreduzierung erfolgen eine Reihe weiterer Veränderungen, die von unseren Kolleginnen und Kollegen als sehr kritisch eingeschätzt werden. Die allgemeinen Abwertungen der polizeilichen Alltagsarbeit, Zentralisierung von Bearbeitungszuständigkeiten mit damit verbundenen Weg-Zeit-Erfordernissen und anstehende Personalverschiebungen zwischen den Landkreisen führen im Innern der Polizei zu deutlicher Unruhe und fehlender Akzeptanz. An Sie als Verantwortungsträger in unseren Städten und Gemeinden appellieren wir, sich dafür einzusetzen, dass eine Schwächung der polizeilichen Arbeit und Präsenz verhindert wird.“
Die lokalen Medien wurden für Freitag den 03.09.2004 um 10.30 Uhr zu einem Pressegespräch eingeladen. Hier erläuterten Klaus Molgedey und Ralf Hermes die Sorgen der Belegschaft.
Aufgrund der nachfolgenden Presseanfragen äußerte sich Herr Wargel gegenüber den Medienvertretern und erklärte, dass die GdP zu Unrecht die Ängste der Mitarbeiter der Polizeiinspektionen schüre. Zudem erklärte er, dass es zu keinem Personalabzug käme. Die Personalstärke von 385 Polizisten und 51 Angestellten würde gehalten.
HAZ vom 04.09.2004:
DEWEZET vom 04.09.2004:
Eine spürbare Resonanz von anderer Seite (Politik/Verwaltungen) in Richtung Mitarbeitendenvertretung gab es nicht.
Am 04. September 2004 gaben die GdP Kreisgruppen zur Beruhigung der Situation insbesondere aufgrund der Zusage von Herrn Wargel „die Personalstärke von 385 Polizisten und 51 Angestellten würde gehalten“ mit dem Gewerkschaftsrundbrief Nr. 7 „Entwarnung“. In dem vierseitigen Mitgliederrundbrief wird aber auch sehr deutlich der „bittere Nachgeschmack“ in der Kommunikation erläutert. Eingefordert wurde die Bereitschaft zum direkten Dialog. Zitat: „Eins hat diese Aktion aber auch wohl deutliche gemacht: An einer Beteiligung der GdP und der Personalräte in dieser Organisationsänderung geht kein Weg vorbei. Wir werden es nicht unwidersprochen zulassen, wenn nach unserer Sicht grundlegend falsche Entscheidungen getroffen werden. Wir sind allerdings auch bereit, uns andere Argumente und Beweggründe anzuhören, um gegebenenfalls unsere Einschätzungen und Meinungen zu korrigieren. Dazu brauchen wir die Bereitschaft zum Dialog!“
Der Innenminister Uwe Schünemann antwortet auf die Gewerkschaftsanschreiben mit Datum vom 28.10.2004, also fast zwei Monate später. Er würde davon ausgehen, dass die Kritikpunkte durch Gespräche mit Herrn Wargel ausgeräumt worden seine. „Nach derzeitigen Planungen der künftigen Polizeidirektion Göttingen werden sich für die Polizeiinspektion Hameln-Pyrmont/Holzminden durch die Umorganisation voraussichtlich keine Veränderungen im Personalbestand ergeben.“
Die Beziehungen zum Planungsbeauftragten besserten sich nicht grundlegend. Nach einem erneuten Streit legte Klaus Molgedey als Vorsitzender des Bezirkspersonalrats am 03.11.2004 sein Amt nieder.
Am 25.11.2004 wurde eine neue GdP-Bezirksgruppe PD Göttingen gegründet. Hier wurde Klaus Molgedey mit viel Beifall aus dem Amt des Vorsitzenden der GdP-Bezirksgruppen Hannover RB verabschiedet. Der neue Bezirksgruppenvorsitzende Harald Calsow würdigte ihn als „Gewerkschafter mit Herzblut, immer mit vollem Einsatz für die Mitglieder und hier insbesondere für die mit der kleineren Lobby„.
Nachsätze:
1. Das Klima zwischen Gewerkschaft, Innenminister Schünemann und dem Polizeipräsidenten blieb belastet. Ein Ergebnis der öffentlichen Auseinandersetzung war, dass die Verantwortungsebene für Gewerkschaft und Personalrat zukünftig Zeit zum direkten Austausch fand und Diskussionen teils sogar in einem aufgeschlossenen und freundlichen Klima verliefen.
2. Die Erklärung, die befürchteten Personalabzüge für die Polizeiinspektion nicht umzusetzen, wurde mit einigen leichteren Schwankungen im Grundsatz eingehalten.
Beiträge des Lokalsenders radio aktiv zur Organisationsreform aus den Jahren 2003 und 2004:
(*6) Interviewdatei – radio aktiv vom 18.11.2003: Landrat Heißmeier
(*7) Interviewdatei – radio aktiv vom 10.03.2004: Planungsbeauftragter Hans Wargel
(*8) Interviewdatei – radio aktiv vom 23.03.2004: Innenminister Uwe Schünemann zur Organisationsänderung
(*9) Interviewdatei – radio aktiv vom 31.08.2004: Inspektionsleiter Bernd Wiesendorf
(*10) Interviewdatei – radio aktiv vom 04.09.2004: Nachrichtenbeitrag Polizeipräsident Hans Wargel
(*11) Interviewdatei – radio aktiv vom 04.09.2004: GdP Vorsitzender Ralf Hermes
Ralf Hermes, 24.08.2024
Nachtrag: In der Zeitschrift „proPOLIZEI“, Ausgabe März/April 2024 gibt es auf Seite 10 folgenden Beitrag zum „20-jährigen Dienstjubiläum“:
Quelle:
https://www.polizei-nds.de/startseite/wir_uber_uns/presse/propolizei/propolizei-110352.html
Siehe dort rechte Spalte Ausgabe März/April 2024
herral, 24.08.2023