Gastbeitrag: Kipppunkt – ja oder nein

Hameln, 27.01.2025: Gedanken von Günter Bialkowski zur AfD und den aktuellen Diskussionspunkten.

Liebe Leserinnen und Leser,

Deutschland erlebt bisher die längste Demokratie-Phase seiner Geschichte. Und dennoch haben viele Menschen das Gefühl, das sich gerade etwas verändert. Kann das vielleicht am Wahlkampf liegen, der gerade Fahrt aufnimmt? Jedenfalls deutet einiges in diese Richtung.

Die Ausgangslage ist dabei entscheidend. Zum ersten Mal haben wir mit der AfD eine Partei am Start, die laut Umfragen bei 20-22 % Wählerzustimmung angekommen ist. Es stellt sich deshalb die Frage, was macht diese Partei für Wähler attraktiv? Da Teile unsere Eltern- und Großeltern-Generation den Nationalsozialismus hervor gebracht haben, sind wir durchaus in der Lage eine vergleichende Analyse zur Ausgangslage damals wie heute herzustellen. Dabei ergeben sich vergleichbare aber auch ungleiche Fakten, wie wir noch sehen werden. Und so ergibt sich für uns alle, die weit wichtigere Frage, steuert unsere Demokratie auf einen Kipppunkt zu?

Damals hatten die Menschen gerade den 1. Weltkrieg hinter sich, mit den Folgen hatten sie zu kämpfen. Es gab die Weltwirtschaftskrise, es gab Hunger, hohe Arbeitslosigkeit, Not und Elend vor allem in der Zeit der Weimarer-Republik. 1925 wurde zum ersten mal die Dreigroschenoper von Bertold Brecht uraufgeführt (erst kommt das Fressen dann die Moral). Und es gab Sehnsüchte nach nationaler Größe, nach dem geordneten Kaiserreich oder auch nach einem starken Führer, und es gab eine große Minderheit, die Juden.

Und heute: Im Schnelldurchlauf ein paar Fakten und Wahrnehmungen: Keine Reparationszahlungen, geringfügige Arbeitslosigkeit, nach Expertenurteil ist Deutschland ein wohlhabendes Land, allerdings mit starken Tendenzen zur sozialen Zweiteilung in einen größeren Teil der verarmenden und von Existenzängsten geplagten Bevölkerungsteil, und einem kleineren Teil von Superreichen und Milliardären. Aus diesem
Spannungsfeld heraus und der Tatsache dass bei uns heute 21,2 Mill. zugezogene Migranten leben, sind der deutschen Demokratie weitere Parteien zugewachsen. Darunter auch die AfD. Die Ausgangslage zu damals ist also eine völlig andere. Und die eingangs gestellte Frage, steuert unsere Demokratie auf einen Kipppunkt zu, hat offenbar stark mit dieser Partei zu tun, so kann man die jüngste Zuspitzung im nun vollentbrannten Wahlkampf deuten.

Die größte Minderheit heute sind Migranten, davon die meisten Muslime. Und es gibt einen Oppositionsführer Friedrich Merz, der nun den weiteren Zustrom verhindern oder zu minderst kanalisieren möchte. Weil er dieses Wahlkampf-Thema nicht der rechten, zu Teilen völkischen AfD überlassen will. Dahinter steckt wohl das Kalkül, dass die AfD bei der Wahl am 23.02.25 noch mehr Stimmen einfahren könnte als sie vermeintlich jetzt schon hat. Dabei glaubt Friedrich Merz, dass sein Vorstoß, der von der SPD und den Grünen heftig kritisiert wird, verfassungskonform ist. Was bis zur Stunde nicht geklärt ist.

Hier möchte ich nun einen Punkt machen und Sie als potenzielle Wählerinnen und Wähler mit in die Pflicht nehmen. Nach dem die Ausgangslagen damals wie heute nicht identisch sind, wir aber dennoch wissen, dass die AfD die Begriffe Remigration und Abschiebetickets in ihr Wahlprogramm aufgenommen hat, sie sich als Partei weiter radikalisiert hat und wir alle nicht wissen, wohin mit ihr die Reise führen kann, glauben Sie oder halten Sie es für möglich, dass diese AfD unserer Demokratie den Kipppunkt bereiten wird? Sie müssen mir nicht antworten, aber denken Sie in der Wahlkabine daran, dass wir darüber gesprochen haben.

Noch in diesem Jahr werden durch Außen-Einflüsse, Krisen und die Stagnation unserer Wirtschaft sich unsere Binnenlage drastisch verändern, wir werden steigende Arbeitslosigkeit bekommen und unsere persönlichen Lebensverhältnisse werden sich anpassen müssen. Damit nähern wir uns noch lange nicht den Verhältnissen der 1933
Jahre. Es fehlt uns das Abducken und die Angst vor den Schlägertrupps der SA und der GEStAPO der SS, was für eine freie Demokratie ja das Lebens-Elixier bedeutet. Wie aber diese ständige Angst das Leben erwachsener Menschen im Alltag verändern kann, das habe ich als kinderlandverschicktes Kind in der Endphase des Krieges erfahren dürfen und für mein Leben abgespeichert. Niemanden wünsche ich dieses Dauerpressing der Psyche. Diese Prägung ließ mich diesen Text schreiben. Und jeder der die AfD heute für eine ganz normale Partei hält und sie durch eine persönliche Wahlentscheidung auf demokratischem Wege zur Macht verhilft, der unterschätzt die Wandlungsfähigkeit dieser Partei. Nehmen wir ihre Radikalisierung ernst. Wer andere Menschen, ganze Gruppen zu Feindbilder hochstilisiert, der macht auch später vor den eigenen Leuten keinen Halt.

Ja -es hat sich gefühlt bei uns was verändert! Lassen wir keinen Kipppunkt unserer Demokratie zu. Die politischen Alternativen werden durch diesen Wahlkampf immer deutlicher, geben wir um unserer Kinder und Enkelkinder Willen nur demokratischen Parteien unsere Stimme. Ich zähle auf Sie.

Günter Bialkowski

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