Gastbeitrag: Ist die AfD eine Nazi-Partei?

Hameln, 02.06.2025: Günter Bialkowski schreibt ein eindrückliche, lesenswerte Zeitzeugeneinschätzung!

Zwei Ereignisse der letzten Zeit markieren innenpolitisch, dass sich die Debatte um die AfD bei uns verschärft hat. Das ist das Ergebnis der letzten Bundestagswahl, bei der die AfD auf 20,8 % der Wählerstimmen gekommen ist. Und das ist zum anderen der Tag, an dem der Verfassungsschutz die AfD als gesichert rechtsextrem eingestuft hat. Seither gibt es so etwas, wie einen Kulturkampf der sich z. T. als Meinungsstreit bis in die Familien ausbreitet.

Damit einher geht der Diskurs, darf man Parallelen zwischen AfD und der Nazipartei von damals ziehen? Was ist überhaupt Nazi? Und was ist sprachlich erlaubt? Hier wabern viele Begrifflichkeiten durch die Republik und dann gibt es auch noch die Nazikeule. „Die uns aber nicht weiterbringt“, sagt der neue Bundeskanzler Friedrich Merz.

Und so haben sich in Deutschland viele große Tageszeitungen mit diesem Thema beschäftigt und das geht immer noch weiter. Hier empfehle ich jedem Interessierten einmal zu googeln. Sie werden staunen zu welchen vieldeutigen Aussagen Politiker und Journalisten kommen. So mache ich von meinem Meinungsrecht gebrauch und setze meine These dagegen.

Als Angehöriger der Vorkriegsgeneration, in Gelsenkirchen geboren, mitten im Revier, wo die Bombardierungen der Alliierten wegen der Kohle und Waffenschmiede schon sehr früh einsetzten. Und später bei der Kinderlandverschickung 1940/41 ohne Eltern, habe ich in den letzten Kriegsjahren die menschliche Kälte und Gewalt, Tiefflieger-Einsätze, den vorzeitigen Zusammenbruch der Behörden und der „Volksgemeinschaft“ erlebt. Die vielen Schulausfälle ließ später viele Schüler ohne Abschluss in ein tiefes Loch fallen. Dies alles habe ich in meiner Hirnrinde abgespeichert.

Die Stunde Null kam und ging vorüber: Hunger, Kälte, Rückführung, das feige Verstecken und Abtauchen von Nazi-Militär aber auch von lokalen Amtspersonen, die aufgelöste Ordnung, Chaos, das alles blieb. Dazu die seelischen Verletzungen! Die zerstörten Bildungschancen! Mir wurde dies erst später, welch eine Ironie, ausgerechnet durch Nazi-Lehrer voll bewusst. Die gab es immer noch. Frustrierte, aus dem Krieg heimgekehrte und an ihrer Ideologie gescheiterte (oder immer noch daran festhaltende) Persönlichkeiten, die ohne Gnade die kriegsbedingten Schwächen und Bildungslücken der Schüler und Schülerinnen als persönliche Faulheit und Dummheit brandmarkten! Auch das Prügeln mit dem Rohrstock ging ihnen noch locker von der Hand. Nichts war normal wie wir es heute kennen, dies bleibt eine unterbelichtete Seite der Medaille von Dr. Adenauers Kultur- und Familien-Politik.

Obwohl wir erst neun oder zwölf Jahre alt waren, agierten wir zerlumpt und hohlwangig wie halbe Erwachsene, nicht nur auf dem Schwarzenmarkt, es ging ums nackte Überleben. Nur nicht durchhängen! Es ist diese Zeit in der ich meinen eigenen Überlebens-Willen erstmals fühlte und der mich später zu meinem ganz persönlichen „Nie wieder!“ verpflichtete.

Doch für die Nachwelt heute, den unwissenden, gleichgültigen, spektakulär und populistisch nach Beachtung suchenden jungen Menschen so viel zur Orientierung: Was wir heute in den Zeitungen lesen oder Medienblasen hören, ob man die AfD mit Nazis vergleichen darf ist mir zu theoretisch, zu weit weg. Denn erstens fehlt die Gefühls-Komponente zur Realität von damals, niemand kann heute nachfühlen welcher Druck - welche Ängste damals in der Luft lagen, nicht nur durch die fliegenden Festungen und Tiefflieger der Alliierten, auch die Blockwarte in den Häusern und Wohnblocks trieben ihr Denunziantentum. Und zweitens, bezieht sich inhaltlich vieles auf die Zeit des Anfangsverhalten der NSDAP, als die Kriegsgräuel der Wehrmacht und der Holocaust an Juden und anderen Minderheiten noch nicht begonnen und die Alliierten unser Land noch nicht in Schutt und Asche gelegt hatten. Dieses Wissen darum hat sich nicht wenigen Opportunisten und Mitläufern, trotz Stauffenbergs Hitler-Attentat, erst in der jungen Bonner-Republik erschlossen. Oder auch, weil sich der kollektive Wahnsinn noch lange in den Köpfen halten konnte. Diese Haltung ging sodann in das große Schweigen über das Geschehene über. Wer dagegen verstieß galt schnell als Nestbeschmutzer. Die rechten Folge-Parteien, auch die AFD blenden diese Zeit bis heute aus! War ja nur ein „Vogelschiss der Geschichte“ Alexander Gauland. Dies ist der eigentliche Skandal unserer Nachkriegsgeschichte, die Ausblendung heutiger Parallelen einfach zu verleugnen, lächerlich zu machen, Fakten umzukehren, zu destabilisieren! Hier kann man auch einige Politiker und Medienvertreter dazu zählen. Aus dieser Verantwortung kommen wir aber niemals heraus!

Ich halte auch die vielfach geäußerte Differenzierung, dass nur ein Drittel der AfD-Mitglieder rechtsradikal und völkisch seien, zwei Drittel aber nicht, für eine verharmlosende Taktik: Denn in der Rückschau wissen wir um die Gefahr der NSDAP, die Behörden und Institutionen infiltrierte und als kleine rechtsaußen Partei später in der Lage war ein ganzes Land, ja ganz Europa in den Abgrund zu reißen! Diese Gefahr birgt auch die heutige AfD in sich, davor warnt nicht nur die Forschung und der Verfassungsschutz, sondern auch die Überlebenden der Vorkriegs-Generation, die letzten Zeitzeugen der verlorenen Kinder-Generation.

Die Frage, ob die AfD eine Nazi-Partei ist, muss nach unserem heutigen Wissensstand beantwortet werden. Nach Spiegel-Analyse von 2021 - Wolf Wiedmann-Schmidt, stellt sie eine potenzielle Bedrohung für unsere Demokratie dar. Und sie ist eine Geschichte der ständigen Häutung, ebd.. Das ist es, was sie so gefährlich macht, sie ist unberechenbar, ein Vertrauensvorschuss großer Wählermassen, nur weil sie z.Z. die größte Oppositionspartei ist, müsse sie auch demokratisch an Regierungen beteiligt werden, halte ich für sehr gefährlich. Denn jeder der in unserer freien Demokratie gewählt wird ist nicht automatisch ein Demokrat und Verteidiger unseres Rechtsstaates. Im Gegenteil, siehe Höcke u. andere! Das dürfte uns unsere jüngste Geschichte ein für allemal gelehrt haben.

Die Rolle der AfD ist Opposition! Hier kann sie sich disziplinieren, verbal und inhaltlich zu einer demokratischen Partei häuten. Ich glaube, Friedrich Merz der neue Bundeskanzler wird dereinst daran gemessen werden, ob er diese Opposition auf Abstand halten - gar verkleinern konnte! Die innere Sicherheit und Abwehr jeglicher neo-faschistischer Bestrebungen sollte er wie die Sicherheit nach außen gleichrangig behandeln und zur Chefsache machen! Und wir, wir alle müssen unsere Protesthaltung gegen die AfD immer wieder bei Wahlen, aber auch friedlich auf Straße bringen. Weimar darf sich nicht wiederholen.

Günter Bialkowski

herral, 02.06.2025

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