Am 17.07..2019 veröffentlichte u.a. der Focus und die DEWEZET eine Erstmeldung über ein Urteil im Fall Lügde die dann in den lokalen Facebookgruppen hohe Reaktionen auslösten. Konkret ging es um ein abgetrenntes Nebenverfahren gegen eine Person, die der Anstiftung und Beihilfe zum sexuellen und schweren Missbrauch von Kindern schuldig gesprochen wurde. Der Täter hat in mindestens vier Fällen an Webcam-Übertragungen teilgenommen, bei denen auf dem Campingplatz in Lügde ein Kind missbraucht wurde. Zudem wurde er wegen des Besitzes von kinderpornografischen Fotos und Videos verurteilt. Der 47 jährige war geständig, er ist nicht vorbestraft. Die Richterin bezeichnete seine Tat als „schäbig und menschenverachtend“. Der Mann wurde von einen Gutachter als voll schuldfähig eingestuft. Er hatte vor der Verhandlung sieben Monate in Untersuchungshaft gesessen.
Das Gericht wertete das Geständnis des Täters zu dessen Gunsten. Das Urteil lautet zwei Jahre Freiheitsentzug auf Bewährung. Er muss die Haft nur dann antreten, wenn er gegen die Bewährungsauflagen verstößt. Die Staatsanwaltschaft hatte zwei Jahre und neun Monate gefordert. Bei diesem Strafmaß wäre eine Bewährungsstrafe ausgeschlossen gewesen.
Soviel zur Sachlage. Die frei zugängliche Erstinformation der DEWEZET lautete:
Der Beitrag wurde von der Zeitung auf der eigenen Facebookseite geteilt und bis zum Abend 185 mal kommentiert. Sämtliche KommentarschreiberInnen entrüsteten sich über das Urteil. Hier einige der auffälligsten Beiträge:
In der Hamelner Facebook Gruppe „Wenn du in Hameln aufgewachsen bist…“ wurde ein Focus Bericht als „Eilmeldung“ geteilt:
Hier gab es innerhalb kurzer Zeit am Abend 130 Kommentare. Auch hier einige der herausragenden:
Mir macht die Stimmung in den Kommentaren Sorge. Bei aller Emotion – die Sachlage bei der verurteilten Person ist anders als bei den Haupttätern. Die Staatsanwaltschaft hat die Möglichkeit in Revision zu gehen und das Urteil des Gerichtes überprüfen zu lassen.
Unser Rechtssystem ist ziemlich milde. Ich hätte auch nichts gegen härtere Strafen im Einzelfall einzuwenden und keinerlei „Sympathie oder Mitgefühl“ für die Täter von Lügde. Ich möchte es aber nicht mit den Todesstrafensystemen in Saudi Arabien, China oder sonstwo eintauschen wollen.
Insgesamt haben wir ein aufwendiges, m.E. vorbildliches Rechtssystem mit unabhängigen Richtern, die qualifiziert ausgebildet werden. Man wird nicht einfach so Richter oder Staatsanwalt.
Woher aber kommen diese emotionalen Entgleisungen bei so vielen Facebook-Kommentaren. Auch hier wird es viele Erklärungen geben.
Nichts passiert ohne Grund und es gibt wie immer viele miteinander verknüpfte Antworten. In diesen Fall bleibt für mich die Rolle der DEWEZET zwiespältig. Ich habe unter #dewezetkorrektiv mehrfach die Intensität der Berichterstattung im Fall Lügde kritisiert. Sie ist meinen Augen unverhältnismäßig und überzogenen. Zudem gibt es auf der Facebookseite der DEWEZET offensichtlich keine richtiges Moderationskonzept – man lässt den Kommentarschreibern scheinbar freie Hand. Jedenfalls ist eine Moderation nicht erkennbar.
Wer dieses nicht für bedeutsam hielt, sollte langsam wach werden. Die Geister die hier verstärkt, geweckt, bestätigt werden, werden uns allen noch große Probleme bereiten.
Es ist nur ein kleiner Baustein, sicherlich.
Ralf Hermes, 18.07.2019, 00:20 Uhr / überarbeitet am 18.07.2019, 08:40 Uhr
Ein Gedanke zu „Lügde: Die „Volkswutstimmung“, die bei Facebook sichtbar wird, macht mir Sorgen.“