Was in der Hamelner Zeitung stand. Lokalnachrichten vom 14.12.1920:
Über einen Polizeikampf
Wird uns von der Polizei berichtet: Am Sonnabend nachmittag wollte der hiesige Krimminalwachtmeister Oppermann den seit längerer Zeit steckbrieflich verfolgten Einbrecher Martin, Am Fort Luise, in seiner Wohnung festnehmen. Martin war heimlich in der Wohnung seiner Frau zum Vorübergehenden Aufenthalte anwesend. Es entspann sich ein Kampf zwischen Martin und dem Kriminalbeamten, wobei der Verbrecher dem Kriminalbeamten
einen Messerstich in die Pulsader beibrachte. Dem Martin gelang es aus seiner Wohnung zur flüchten und die Korridortür hinter sich zu verschließen. Der Beamte schlug mit der noch heilen Hand eine Scheibe in der Korridortür ein, um von außen die Tür zu öffnen, wobei er sich ebenfalls erhebliche Verletzungen zuzog. Martin hatte einen großen Vorsprung erreicht, konnte auch noch dem inzwischen ohnmächtig gewordenen Beamten nicht mehr verfolgt werden. Die Verfolgung des Martin, der in den Klüt hinein geflüchtet war, wurde von der Polizei mittels zweier Automobile aufgenommen, bis in die Dunkelheit hinein wurden die Wälder abgestreift. Martin aber leider nicht mehr ergriffen.
Sprechsaal.
(Für Einsendungen unter dieser Rubrik trägt die Redaktion nur die Verantwortung im Sinne des Pressegesetzes)
Liefert die Waffen ab.
Dieser Mahnruf ist genug erfolgt, aber vergebens. Es werden jetzt die Wohnungen der deutschen Staatsbürger nach diesen elenden Überbleibseln der Menschenmordwerkzeuge durchsucht. Auch bei uns in Hameln hat man hiermit begonnen, wogegen auch nichts einzuwenden ist. Aber wo wurde in Hameln der Anfang gemacht? Ein Stadtviertel, welches sich selbst den Namen Freiheit gegeben hat, und dessen Einwohnern auch sehr viel an Freiheit gelegen ist, mußte zuerst zu den Waffensuchungen herhalten. Wird doch diese Kolonie von einzelnen Personen als eine ganz …. Bezeichnet, denn es wohnen dort mit einigen Ausnahmen Kriegsteilnehmer und vor allen Dingen wie sich seinerzeit der rechtsstehende Bürgervorsteher Burkhart im Stadtparlament äußerte, Anhänger der Linken. Mit anderen Worten, „die Roten“, und daher mußte man dort bei diesen Einwohnern zuerst nach Waffen haussuchen. Aber Schwein gehabt! Es wurde vorgefunden, bei einem kürzlich vom Militär (Baltikummer) entlassenen Staatsmann, ein Armeerevolver, ferner kein Gewehr, kein Maschinengewehr, kein 12 Zentimeter-Mörser, vielleicht sind diese alle in den vielen Gärten vergraben und könnten bei diesen Durchsuchungen Notstandsarbeiter beschäftigt werden. Den Polizeiorganen vor allen Dingen der Gendarmerie, würden vielleicht mehr Waffen in die Hände fallen, wenn solche Stadtteile durchsucht würden, deren Einwohner nicht mit der Waffe in der Hand das deutsche Vaterland verteidigt haben und jetzt im Frieden gerne mit dem Schießprügel spielen. Aber bei solchen, nach dem vielen Pressemeldungen zufolge, wie große Güter oder dergleichen, wo große Gewehrlager, ja sogar ganze Batterien versteckt gehalten werden, würde sich eine derartige Razzia lohnen. Die Einwohner der Kolonie „Zur Freiheit“ haben die Nase voll von den Mordwerkzeugen, und dieses ist ja auch durch die Haussuchungen am 11. Dezember d.J. vormittags bestätigt.
Vereinigung der Hausanwärter der Kolonie „Zur Freiheit“. I.A.: Fr Kramer.
Waffensuche in Hameln
Wir haben heute einer Sprechsaalnotiz aus dem Ortsteil Freiheit kommentarlos Raum gegeben. An dieser Stelle wollen wir nur noch einmal die Tatsache registrieren, daß man dort ausgerechnet bei Arbeitern resultatlos nach Waffen gesucht hat. Aber das hat man nicht nur in der roten Freiheit getan, sondern auch am Gegenpol hat man sich in dieser Beziehung bemüht. Nicht etwas im Ruderhaus an der Pyrmonterstraße, man ist bis hinaus nach Wangelist gegangen, nach einem Ortsteil, der in letzter Zeit als nicht weniger rot verschrien ist, wie die Freiheit. Zur Ehre unserer Polizei wollen wir aber attestieren, daß man auch noch wo anders war und dort nicht tatenlos. In der Gegend des Felsenkellers konnte man, und zwar nicht bei Arbeitern, reiche Funde machen. Das möchte doch für die Polizei ein Fingerzeig sein, wo noch etwas zu holen ist. Schade, daß sie nicht auch auf dem Lande zuständig ist. Bei den Saboteuren der Volksernährung, die auf dem Lande wohnen, würde man jedenfalls sehr erfolgreich arbeiten….
Hagenohsen. In einer sehr gut besuchten Volksversammlung sprach gester abend die Genossin Helfers-Hameln. Die Genossin verstand es, durch ihre Ausführungen den Anwesenden die Situation zu schildern. Insbesondere ermahnte sie die sehr zahlreich anwesenden Frauen, sich mehr als bisher um die Bewegung zu kümmern. Stürmischer Beifall lohnte den Vortrag. Trotzdem Gegner anwesend waren, meldete sich niemand zum Wort. Der Erfolg war eine ganz Anzahl Neuaufnahmen für die Partei!
Obernkirchen. Stolz weht die Flagge schwarz-weiß-rot. Wer ein Stückchen echten (?) Patriotismus sehen will, gehe mal zum hiesigen Kino! – Ob dem Besitzer, der aus überstürzter Revolutionsangst seinem Lokale dem ehemaligen Hotel „Deutscher Kaiser“ einen anderen Namen gab, dies gereut ist und er seine Gesinnung zweigen will aber ob irgend ein patriotischer oder Kriegerverein ein großes Fest gefeiert hat. Der ganze Saal ist mit großen schwarz-weiß-roten und schwarz-weißen Fahnen „festlich“ geschmückt. (Nach der Zahl der Fahnen sollte man meinen, alle Spießbürger von hier hättenihre Heiligtümer ausgestellt.)
Amtliche Nachrichten. Stadt Hameln. Bekanntmachung des Magistrats.
Am Vorabend des Weihnachtsfestes und am 1. Weihnachtstage dürfen öffentliche und theatralische Vorstellungen, Schaustellungen und sonstige öffentliche Lustbarkeiten, mit Ausnahme der Aufführung ernster Musikstücke (Oratorien, das Bühnenweihfestspiel „Parsival“ von Rich. Wagner, das Fuchsische Christusdrama oder andere Aufführungen dieser Art) nicht stattfinden.
Der Herr Regierungspräsident ist befugt, am 1. Weihnachtstage öffentliche theatralische Vorstellungen, die ein höheres künstlerisches Interesse bieten und Lichtspielvorführungen zu gestatten, soweit diese Vorstellungen und Vorführungen mit einem dem Ernst des Tages entsprechenden Spielplan geschehen. Etwaige Anträge der in Absatz 2 erwähnten Art sind spätestens zehn Tage vor der Veranstaltung durch unsere Vermittlung beim Regierungspräsidenten zu Hannover vorzulegen.
Stadt und Kreis Rinteln – Rinteln, den 13. Dezember 1920.
Weihnachtsstimmung
Die fremde Stadt durchschritt ich sorgenvoll, – der Kinder denkend, die ich ließ zu Haus. – Weihnachten wars: durch all die Gassen scholl -Der Kinderjubel und des Markts Gebraus.
Und wie der Menschenstrom mich fortgespült, – drang mir ein heiser Stimmlein in das Ohr: -„Kauft , lieber Herr!“ Ein magres Händchen hielt -feilbietend mir ein ärmlich Spielzeug vor.
Ich schrak empor: und beim Laternenschein – Sah ich ein bleiches Kinderangesicht: – Wes Alters und Geschlecht es mochte sein – erkannte ich im Vorübertreiben nicht.
Nur von dem Treppenstein darauf es saß, -noch immer hört ich mühsam wie es schien: -„kauft lieber Herr!“ den Ruf ohn Unterlaß: -doch hat wohl keiner ihm Gehör verliehen.
Und ich? – Wars Ungeschick, war es die Scham, – am Weg zu handeln mit dem Bettelkind? – Eh meine Hand zu meiner Börse kam, – verscholl das Stimmelein hinter mir im Wind.
Doch als ich endlich war mit mir allein, – erfaßte mich der Angst im Herzen so. als saß mein eigen Kind auf jenem Stein – und schrie nach Brot, indessen ich entfloh.
(Autor vermutlich Arno Reichard)
Abschrift: Ralf Hermes, 15.12.2020
Quelle: Stadtarchiv Hameln