Gastbeitrag: Müssen wir Altenpflege neu denken?

Hameln, 21.01.2024: Von Günter Bialkowski: Hier der letzte Satz vorweg: „Es wäre schön, wenn Sie mir ihre Erfahrungen, Kenntnisse, kritischen Anmerkungen und vor allem ihre Meinung mitteilen würden. Wir brauchen den lebensnahen Diskurs, nur das bringt uns weiter.“

Liebe Leserinnen und Leser,

ja wir haben Probleme in der Altenpflege und großen Personalmangel! Dabei gibt es nur wenige Berufe die so sinnstiftend sind, wie der des Altenpflegers oder der Altenpflegerin. Und doch haben Altenpflege-Berufe ein Imageproblem. Machen wir uns mal den Kopf, woran das liegen könnte. Und vergessen wir dabei ruhig, was wir darüber von kompetenter Seite schon alles gehört oder gelesen haben.

Was meinen Sie, liegt es an schlechter Bezahlung, gibt es zu wenig Karrierechancen? Wird der Beruf zu wenig wertgeschätzt, wie uns Zeitungen und Medien berichten? Ist das Bild des Alters bei uns Deutschen das Problem, zu negativ besetzt? Brauchen wir vielleicht noch mehr Professionalisierung als wir schon haben? Wir merken, das Problem ist gar nicht so leicht zu fassen. Vielleicht ist es von allem etwas! Und wenn wir uns an dieser Stelle noch die vielen Akteure dazu denken, die in der Alten-Pflegebranche mitwirken, z. T. bestimmen wohin die Reise gehen soll, dann können wir vielleicht erahnen warum wir keine nachhaltige Reform hinbekommen. Obwohl sich seit Jahrzehnten alle politischen Lager mehr oder weniger darum bemühen.

Auch ich beschäftige mich seit langem mit der Problematik, war über Jahre stationär in der Branche tätig. Und habe für mich ganz persönlich eine gesellschaftliche Gruppe ausgemacht, der es noch schlechter geht als allen anderen, weil diese Menschen nicht mehr ausweichen, anders agieren können. Ja Sie ahnen, wer gemeint ist, es sind unsere alten, z.T. sehr alten Menschen und ihre pflegenden Angehörigen! Dieser Gruppe hat unser heutiger Gesundheitsminister Dr. Karl Lauterbach kürzlich geholfen, zumindest konnte er ihre Kostenseite etwas entlasten. Manche sagen, zu wenig und der Personal-Notstand wird damit schon gar nicht gelöst. Alles richtig, doch was wäre, wenn es diese Gruppe der pflegenden Angehörigen gar nicht gäbe oder sie ihren Dienst an der Gesellschaft plötzlich einstellen würde? Diese Menschen tun es ehrenamtlich, weil es sich um ihre Liebsten und nächsten Angehörigen handelt, das sollte niemand vergessen. Unser System würde zusammenbrechen.

Wenn wir an dieser Stelle alles miteinander abwägen, zu welchem Ergebnis kommen Sie dann? Vielleicht teilen Sie mir in einem Kommentar mit, was Sie denken. Anders als z. B. in interessengeleiteten Tageszeitungen ist der Hamelner Bote unabhängig und neutral. Hier können Sie ohne auf einen vorgefertigten Leitartikel Rücksicht nehmen zu müssen frei und offen ihre Meinung sagen. Ich werde dies im Folgenden auch tun.

Für mich besteht kein Zweifel, das Thema Altenpflege ist ein gesellschaftliches Dauerthema. Wirklich voran kommen wir nicht. Hieraus sollten wir ableitend eine Frage stellen: Müssen wir Altenpflege – anders als in der Krankenpflege – nicht ganz neu denken? Und der Ansatz muss ganz unten beginnen! Alle Menschen müssen wieder beteiligt werden! Was uns fehlt, was bei aller Technisierung und Professionalisierung immer mehr verloren geht oder schon verloren gegangen ist, ist menschliche Nähe, Zuwendung, persönliche Ansprache und in Extremfällen sogar die Achtung vor der menschlichen Würde! Weder konnte dies die Politik verordnen, noch konnten betriebswirtschaftliche Umstellungen und modernstes Management der letzten Jahrzehnte dies sichern oder herbei führen. Also setzen wir im System andere Prioritäten, überprüfen wir unsere Haltungen!

Aus Zeit- und Platzgründen nur zwei Beispiele. Beispiel Tageszeitung. Wer könnte besser als eine Heimatzeitung sich vor Ort um authentische Begegnungen mit Heimbewohnern, deren Angehörigen und ihren Sorgen bei Arztbesuchen und anderen Dingen um Hilfestellung bemühen, Gespräche auf Augenhöhe mit Anwohnern initiieren, sich bei Heimleitern und Pflegepersonal kampagnefähig erweisen, wenn es um Durchführung von jahreszeitlichen Festen etc. für Heimbewohner und Nachbarschaft im Viertel geht.

Beispiel Nachbarschaft. Auch von dieser Seite Mangel, kaum Kontakte. Das schlechte oder gar-nicht-Verhältnis der Anwohner zu den in der selben Straße gelegenen Heimbewohnern, deren Angehörigen und Mitarbeiter-Personal gehört längst aufgegriffen und thematisiert. Es gibt auch gute Beispiele: Literatur oder googeln!

Schlussendlich zwingen uns neben den aufgezeigten Mangel- und Fehlentwicklungen auch gesundheitliche Erkrankungen der Seele bei alten wie jungen Menschen zum Umdenken! Zunehmend neben der Demenz, soll hier vor allem die seelische Vereinsamung mit wachsenden Potenzial benannt werden. Unser Älterwerden können wir nachhaltig nur in den Griff bekommen, wenn wir wieder ganzheitlich denken lernen. Uns weitere Aufsplitterungen und Spezialisierungen ersparen, weil noch mehr Anonymisierung nicht mehr vertretbar ist. Und wir Altenpflege wieder als gemeinschaftliche Aufgabe annehmen müssen an der alle mitwirken und durch Schulen, Behörden etc. heran geführt werden! Wichtig: unsere Haltung muß auf den Prüfstand. Mitgefühl, Empathie und Herzenswärme muß wieder ins System! Auch wenn ich hier manches aus Zeit- und Platzgründen nicht ansprechen konnte. Was ich hier geschrieben habe ist mein ganz persönliches Fazit.

Es wäre schön, wenn Sie mir ihre Erfahrungen, Kenntnisse, kritischen Anmerkungen und vor allem ihre Meinung mitteilen würden. Wir brauchen den lebensnahen Diskurs, nur das bringt uns weiter.

Günter Bialkowski


Gastbeiträge oder Pressemitteilungen geben nicht die Meinung der Botenredaktion wieder. Veröffentlicht wird, was für lesens-/nachdenkenswert befunden wird.

herral, 21.01.2024.

Ein Gedanke zu „Gastbeitrag: Müssen wir Altenpflege neu denken?“

  1. Ich war bis 2022 33 Jahre in der Pflege tätig. Davon 29 Jahre als Pflegefachkraft. Die Probleme in der Pflege waren schon in meiner Ausbildung (1990 – 1993) bekannt und wurden seitdem von allen Regierungen verschlimmbessert. Wir arbeiten mit einer unzureichenden Personalausstattung, ohne allgemeinverbindlichen Tarifvertrag. Planbare Freizeit ist für Pflegekräfte eher die Ausnahme. Dazu kommen Problemlösungsansätze seitens der Politik die die Situation nur verschlechtern. Hier fällt mir die Zwangsweise Verkammerung der Fachkräfte ein aber auch das die Zugangsvoraussetzung für die Altenpflege inzwischen die mittlere Reife ist. Inzwischen steigen immer mehr Auszubildene vor Ende der Ausbildung aus und unsere Berufsverbände faseln von Akademisierung der Pflege.

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