Gastbeitrag: „Die dunkle Seite der Kirche“ DEWEZET vom 25.01.2024

Hameln, 27.01.2027: Am 26.01. erreichte mich folgender Gastbeitrag von Günter Bialkowsik.


Man kann es schon nicht mehr hören und lesen. Und doch, dass Thema Missbrauch in der Kirche gehört aufgearbeitet und zwar in einem größeren gesellschaftlichen Rahmen. Die beiden Journalisten Thorsten Fuchs und Thoralf Cleven machen ihren lesenswerten Beitrag in der DWZ mit der Schlagzeile auf, „Die dunkle Seite der Kirche“. Ich frage mich, wie mag diese Überschrift auf heutige Jugendliche wirken, die gerade von ihren PastorenInnen konfirmiert worden sind. Ob dieses Thema je besprochen wurde? Doch nicht nur das Herzstück der evangelischen Kirche „die Gemeinde / das Pfarramt“ haben aktuelle Aufarbeitung bitter nötig. Auch die Behörden, Heime, Schulen, Elternhäuser etc. haben zum Teil erhebliche Schatten in ihrer Vergangenheit. Wie ein dunkler Mantel legte sich in der Nachkriegszeit der Missbrauch und das Beschweigen des selben auf die ganze Gesellschaft. Und – sie ließ Gewalt und Züchtigung zu!

Heute wissen wir, dass ein hoher Anteil von Missbrauch im familiären Umfeld, nicht nur in kirchlichen Räumen praktiziert und gemäß dem robusten Erziehungsstil der NS-Zeit auch noch geprügelt wurde. Nicht selten in besonders frommen Familien. Schulen, Erziehungseinrichtungen waren keine weissen Flecken. Habe selber noch Anfang der 50er Jahre Prügel mit dem Rohrstock auf Hand-Innenflächen, Gesäß und Ecke-Stehen von frustrierten Nazi-Lehrern hinnehmen müssen. Besonders perfide: weder Eltern, noch die Erwachsenenwelt hatte ein Bewußtsein dafür. Vieles wurde einfach Beschwiegen!

Wer sich heute gefühlsmäßig ein Bild aus dieser Zeit (50er/60er J.) verschaffen möchte, dem empfehle ich, sich einmal Reportagen von Journalisten anzuhören. Sprech und Ton hart und Respekt – bisweilen Gehorsam einfordernd wie in realen Nazi-Tagen! Deshalb kann ich es bis heute nicht verstehen, dass selbst Studien die zur Aufarbeitung des Missbrauchs erstellt werden, wie selbstverständlich erst nach 1945 einsetzen! Der Missbrauch ist aber ein universelles Phänomen mit langer Vorgeschichte, in der Nazizeit nochmals verstärkt und in der Kontinuität bis heute anhaltend. Und Menschen sind schuldig geworden! Das ist Fakt und so ging es weiter weil Menschen und Strukturen noch vom Nazigeist geprägt und durchdrungen waren.

Einmal abgesehen von den Bemühungen hoher kirchlicher Funktionäre, den betroffenen Opfern die durch Täter des kirchlichen Klerus an Körper und Seele geschädigt, heute Genugtuung, Entschädigung und vor allem Respekt und Zuwendung zukommen zu lassen, bleibt darüber hinaus die Berichterstattung unserer Journalisten und Medien eine offene Frage. Manche Menschen finden hier wird von Zeitungen und Medien zu reißerisch berichtet, andererseits aber auch so, dass wir Leser und Konsumenten dieser Nachrichten auf der Zuschauer-Tribüne sitzen und wir gefühlsmäßig gar nichts damit zu tun haben. So ist es aber nicht wirklich! Würden die Medien ganzheitlich berichten, müßten sie in der erforderlichen Zusammenschau – über Normen und Verhaltensweisen der ganzen Gesellschaft berichten, wie ich es hier versucht habe. Zumindest würden einige sehr beschämt auf ihre Eltern und Großeltern zurück blicken. Unsere Elternhäuser mit ihren persönlichen Defiziten und ihren Kollateralschäden aus der Nazizeit sind involviert gewesen, auch wenn wir Heutigen damit real nichts gemein haben.

Daraus ergibt sich ein Lerneffekt für uns alle: immerzu sensibel, wachsam und kritisch bleiben, denn selbst einem Pastor, Religionslehrer, Bischof etc. kann man nur bis ins Gesicht sehen. Was in seinem Kopf vor geht, wie er veranlagt ist, weiss nur er selbst. Auch deshalb können vermeintliche Schutzräume in der Kirche und überall zu Fallen werden. Dass hier auf diesem Gebiet einiges in Bewegung geraten ist, zeigen uns die massenhaften Kirchenaustritte. Aus Fairness Gründen sollten wir den Vertrauensschwund der Kirchen nicht mit Häme begleiten, nicht alle sind schuldig geworden! Und in reformierter Form, kleinteiliger und ihrer gesellschaftlichen Privilegien entmachtet sollte Kirche durchaus ihre Daseinsberechtigung behalten. Denn es wird immer Menschen geben, die die Botschaft der Kirche für ihre ganz persönliche Lebensgestaltung brauchen werden.

Günter Bialkowski

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