Hameln, 12.04.2024: Am 10.04.2024 erreichte mit folgender Gastbeitrag von Günter Bialkowski zu: „Immer mehr Menschen wählen Notrufnummer, obwohl kein Notfall vorliegt – so will man gegensteuern“
Ja - hier liegt ein Notfall vor! Und zwar ein systemischer. Und - er wird sich mit Sicherheit nicht auf den Landkreis Hameln-Pyrmont beschränken. Der Beitrag von Dorothee Balzereit recherchiert in einem sozialen Umfeld, wo es noch weitere Baustellen gibt. Aus vielfältigen Erfahrungen dürften viele Menschen auch die völlig überdrehte / überlastete telefonische Erreichbarkeit der niedergelassenen Ärzte und Krankenhäuser zählen! Zeigt uns doch der tägliche Abgleich auch hier eine andere Realität. Für das System offenbar nicht eine Fußnote wert.
Meines Erachtens handelt es sich um Folgen der seinerzeit von politischer Seite heftig gewollten Privatisierung unseres Gesundheits-Wesens. Gemeinnützigkeit und staatliche Gesundheitsvorsorge abschaffen und mehr Wettbewerb durch private Träger ins System bringen, dann wird es schon gehen, das war damals (Mitte 1990er Jahre f.) die Devise neo-liberaler Politik. Ob die betroffene Bevölkerung diesen Schritt mitgehen wollte, wer hat das je ermittelt?
Heute, nach kräftigen Bürokratisierungs-, Digitalisierungs- und Arbeitsverdichtungs-Schüben mit ihren verheerenden psychischen Belastungen für Kranke und besonders für alte Menschen, haben wir es laut gerontologischer Forschung mit vier Altersgruppen zu tun, von denen die jungen Alten diesen handwerklich gut gemachten Artikel verstehen werden. Die beiden letzten Gruppen, die Alten und die sehr Alten (91 Jährige aufwärts) kommen mit dem System nur schwer zurecht. Weil diese Gruppen von deutschen Journalisten und Medien nicht differenziert abgebildet und bedient, Krankheitsbilder - aber auch der Alterungsprozess der Menschen oft anders verlaufen als es uns ausgeklügelte betriebswirtschaftliche Konzepte und Strategien suggerieren wollen! Das sind die wahren Gründe, warum unter den Alten immer mehr Menschen den Notruf etc. wählen. Meines Erachtens hätte hier die DWZ-Redaktion einen ganzheitlichen Schreibauftrag mit großer Recherche erteilen sollen. So konnte / mußte Fr. Balzereit im DWZ-bekannten Schreibstil arbeiten und als Grund ergab sich „die Unwissenheit“ der Menschen. Und die kann sich bekanntlich nicht wehren. Wer heute über dieses Thema schreibt, der muß sensibel genug, mutig genug - manchmal gegen die eigene Redaktion anschreibend, sich die alten und sehr alten Menschen in den stationären Pflege-Einrichtungen und zu Hause ansehen, mit Pflegenden dort oder eben zu Hause sprechen. Nur noch hier findet man, ein - von keiner Werbe- oder Beratungsbranche verzerrtes Bild vor! Und sie werden immer mehr, „ihre Eigenständigkeit“ lange hinter sich gelassen - wollen sie nur noch in den Arm genommen werden …! - siehe Erkenntnisse der Altersforschung.
Da aber auch jüngere und mittlere Menschen im Landkreis Hameln immer häufiger den Notruf etc. wählen, müssen wohl auch noch andere Erfahrungsgründe vorliegen. Es wäre m.E. Aufgabe einer Heimatzeitung diese wahren Gründe zu thematisieren! Und zwar auf Augenhöhe mit den betroffenen Basis-Gruppen unserer Gesellschaft. Vieles spricht dafür, dass das Fortbestehen und Nebeneinander von gesetzlicher Krankenversicherung und privater Kranken-Versicherung der Kardinalfehler im heutigen freien Gesundheitsmarkt ist! Nicht wenige Dauer-Baustellen in unserer heutigen ärztlichen, pflegerischen und krankenhäuslichen Grundversorgung haben hier ihren Ursprung. Und weil den politischen Parteien hier keine ganzheitliche Reform gelingen will, wird es auch weiterhin Raum für immer neue Mythen-Bildungen geben!
Günter Bialkowski
herral, 12.04.2024