Auch abseits der Berichterstattung von Lügde gibt es einiges Bemerkenswertes zur Berichterstattung der DEWEZET in der letzten Woche festzustellen. Kommentarstand: 23.04.2019
Drei „Volkswut“-Artikel sind mir aufgefallen.
„Was würde wohl Justitia, die Göttin der Gerechtigkeit dazu sagen, dass Hartz-IV-Empfänger ihr Kindergeld zurückzahlen müssen?“ So die Fotounterschrift. Eine „entsetzte Mutter“ im Verschiebebahnhof der Behörden! Zwar hat der Bundesfinanzhof, so ist in dem Artikel auch zu lesen, den Behörden Recht gegeben – die Frage wie Justitia entschieden hat, ist demnach geklärt. Eine fast ganzseitigen Artikel auf der Titelseite Hameln ist der Vorgang der Zeitung wert. Hier geht es um Emotionen. Wird da einer Hartz-IV-Empfängerin, die ihren Berichtspflichten nicht nachgekommen ist, unrecht getan?
Am 15. April berichtet die DEWEZET auf der Titelseite des Weserberglandteils über einen „Kämpfer gegen staatliche Willkür“ und schreibt darüber, wie der Staat den vorsorgenden Bürger „schröpft“: „Wenn Merkel, so heißt es im Brief, eine Entlastung von Betriebsrentner ablehne, brüskiere sie damit 18 Millionen Menschen, die seit 2004 satte 44 Milliarden Euro an Krankenkassen- und Pflegebeiträge gezahlt hatten. Ein Gesetz sabotiere hier die Lebensplanung viele Menschen: „ohne Vorwarnung, ohne Übergangsfrist und rückwirkend.“ Nicht nur die Personalisierung auf „Merkel“, immerhin unseres Bundeskanzlerin und die Sprache ist befremdlich. Die Sache an sich liest sich für mich kompliziert. Hier hätte ich mir die andere Sichtweise dazu als Information auch gewünscht. So bleibt für mich der „Volkswut“ Eindruck und ein seltsames Gefühl.
Zwei Tage später berichtet die Zeitung über einen verzweifelten Hundehalter, der eine Steuererhöhung um 583 % zu tragen hat. 738 Euro, also monatlich 61,50 Euro, muss der Hundehalter als Steuerlast tragen. Auslöser allerdings war, so berichtet die Zeitung auch, dass sein Hund eine „Beißattacke“ gegen eine Joggerin im Hamelner Klütwald durchgeführt hat und diese daraufhin stationär im Krankenhaus aufgenommen werden musste. Schwer verletzt kann man dazu auch sagen. Für die Joggerin „der Beginn eines medizinischen Leidensweges“ Das Foto zeigt einen „niedlichen“ Border Collie. 583 %.
Drei Artikel mit deutlicher, unterschwellig emotionaler Kritik an „die da oben“, Verwaltung, Behörden, Bürokratie. In der Sache wohl ehr nicht berechtigt, aber gefühlt?
Ich hab da ein ganz schlechtes Gefühl, wenn ich so etwas so geballt serviert bekomme.
Aber die Emotionen wurden noch weiter bedient und zwar kräftig und an weiterhin sehr exponierter Stelle:
Gleich zwei große Artikel beschäftigten sich mit dem Schicksal eines kleinen armen Hundes – „Milo“ und das trauriges Ende des Jack-Russel-Terriers ist gleich zweimal auf der Titelseite des Hameln-Teils zu finden. Mit Kommentar über das Hundeschicksal und diversen Spekulationen.
Am 20 April sind es dann 12 Hundebabys, die gerettet wurden. Das 13. starb. Der Fall aus Rehren auf der Titelseite des Weserberglandteils. Ausführlich wird berichtet, was die Besitzer aus Estland, Somalia und den Niederlanden den Tieren angetan haben und sich dann auch noch vor den immensen Kosten für die Unterbringung, Heilbehandlung und Quarantäne gedrücken. Emotion pur! Facebook in spezieller Art gedruckt auf Papier.
Sehen wir jetzt noch den Kontex zu einem Sportbericht vom 17. April „Wenn die Zöpfe zappeln“ – Beobachtungen über die Bewegung weiblicher Zopffrisuren („Haar-Peitsche“) beim Handball, so fragen ich mich, ob das im Zusammenschnitt eine Satire ist.
„Trivial first“ als Zukunftsmotto für Qualitätsjournalismus? Ich frage mich, ob Hamelns DEWEZET Leser wirklich so emotions- und unterhaltungsorientiert sind. Alles hat seine Berechtigung aber es kommt auf die Gewichtung und das Gleichgewischt zwischen Unterhaltung-, Skandal- und Informationsjournalismus an. Für mich gibt’s da in den letzten zwei Wochen eine deutliche Schieflage.
Zum Ausgleich und um mit einem Lob zu enden. Die Donnerstagsausgabe der DEWEZET war in meinen Augen so, wie ich sie mir wünsche. Ausgewogen, ihr Geld wert. Auch „Wir von hier“ ist wichtig. gut auch die Berichte zum Thema „Schottergarten“ oder heute zur Stadtbücherei. Daher jetzt ein Ende mit einen kleinen Lichtblitz im Schattental.
Ralf Hermes, 23.04.2019