Gastbeitrag zur Diskussion: Feuerwehr in Hameln – Ingo Reddeck schreibt…

09.10.2024: Auf Facebook veröffentlichte am 30.09.2024 der ehemalige Ratsherr der SPD und Ortsvereinsvorsitzende Ingo Reddeck zur Diskussion über die Feuerwehr in unserer Stadt folgenden (wie ich finde lesenswerten) Beitrag:

Auch wenn ich heute nicht mehr in Hameln lebe, bewegt mich das Thema Feuerwehr in meiner alten Heimat nach wie vor sehr. Ich war viele Jahre in der Kommunalpolitik aktiv und auch in der Freiwilligen Feuerwehr engagiert, unter anderem als Atemschutzgeräteträger und Gruppenführer. Diese doppelte Perspektive – aus der Politik und der Feuerwehr – ermöglicht es mir, die aktuelle Diskussion um die Feuerwehr in Hameln aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten. Da ich schon einige Jahre nicht mehr aktiv in der Feuerwehr bin, ist mir bewusst, dass manches nicht mehr ganz aktuell sein mag. Umso mehr freue ich mich über aktuelle Einschätzungen.

Derzeit steht die Schaffung von zehn zusätzlichen Planstellen in der hauptamtlichen Wachbereitschaft zur Debatte, um den sogenannten Sicherheitstrupp bei Brandeinsätzen sicherzustellen. Es ist völlig richtig, dass bei einem Einsatz unter Atemschutz immer ein Sicherheitstrupp bereitstehen muss, um im Notfall eingreifen zu können. Dies schreibt die Feuerwehrdienstvorschrift 7 (FwDV 7) eindeutig vor. Allerdings stimmt es mich nachdenklich, dass dieses Thema in der Vergangenheit kaum Beachtung fand.

Besonders stört mich an der aktuellen Diskussion, dass der Brandschutzbedarfsplan erst auf Druck der SPD und Grünen in Angriff genommen wurde. Jahrelang wurde er von der CDU und FDP blockiert. Bereits vor etwa 10 Jahren habe ich einen solchen Plan innerhalb der SPD-Fraktion gefordert und das Problem noch viel früher bei Führungskräften der Freiwilligen Feuerwehr Hameln angesprochen. Nun wird plötzlich das Fehlen des Sicherheitstrupps als akutes Problem dargestellt, obwohl dieses Problem schon seit Jahrzehnten besteht. Es ist daher höchste Zeit, die Diskussion zu versachlichen.

Ich erinnere mich noch gut an einen Kellerbrand auf dem Bahnhofsgelände in Hameln, bei dem Freiwillige nicht erwünscht waren, obwohl sie dringend benötigt wurden, um den Sicherheitstrupp zu stellen. Stattdessen wollte die hauptamtliche Wachbereitschaft den Einsatz allein bewältigen. Kurz bevor die Freiwillige Feuerwehr abrücken sollte, wurde sie als „nicht notwendig“ abbestellt. Auch wenn dieses Beispiel fast 20 Jahre zurückliegt, war der fehlende Sicherheitstrupp schon damals ein eklatanter Verstoß gegen die Dienstvorschriften. Damals hat es mich sehr gewundert, dass die Kameradinnen und Kameraden dieses Risiko billigend in Kauf genommen haben. Tatsächlich finde ich es richtig und wichtig, dass die HWB sich hier für die eigene Sicherheit einsetzt.

Zur aktuellen Lage zwischen HWB und Freiwilligen kann ich keine eigenen Erfahrungen mehr beisteuern, aber es wäre überraschend, wenn das erhebliche Spannungsfeld zwischen der hauptamtlichen und der Freiwilligen Feuerwehr mittlerweile vollständig überwunden wäre.

Es ist wichtig, auch die Rahmenbedingungen zu berücksichtigen: Hameln hat knapp 60.000 Einwohner und liegt damit weit unter der Grenze, ab der eine Berufsfeuerwehr gesetzlich vorgeschrieben ist – diese greift erst ab 100.000 Einwohnern. Dass Hameln dennoch eine hauptamtliche Wachbereitschaft unterhält, geht auf die Zeit der britischen Besatzung nach dem Zweiten Weltkrieg zurück. In vielen vergleichbaren Städten in Niedersachsen wird der Brandschutz ausschließlich von Freiwilligen Feuerwehren getragen. Besonders problematisch ist die sogenannte Tagesalarmsicherheit. Während der Arbeitszeiten sind viele Feuerwehrleute aufgrund ihrer beruflichen Verpflichtungen nicht verfügbar oder brauchen wegen der Verkehrslage länger zur Feuerwache bzw. zum Gerätehaus. Der Gesetzgeber hat hier unter anderem mit der Möglichkeit von Doppelmitgliedschaften in mehreren Feuerwehren versucht, gegenzusteuern. Meine persönliche Einschätzung ist, dass hauptamtliche Wachbereitschaften (und ähnliche Lösungen) in Zukunft häufiger notwendig werden, um den „ersten Abmarsch“ sicherzustellen.

Dennoch gibt es viele alternative Lösungen, um die Tagesbereitschaft sicherzustellen, ohne neue Planstellen zu schaffen. In anderen Städten arbeiten Freiwillige Feuerwehrleute beispielsweise tagsüber im Rathaus oder in anderen städtischen Einrichtungen. Dort werden Mannschaftstransportwagen stationiert, sodass die Fahrt zum Gerätehaus (unter Einsatz von Sonder- und Wegerechten) deutlich schneller geht – oder man rückt idealerweise direkt von dort mit einem abgestellten Fahrzeug aus. Eine weitere Möglichkeit wäre es, günstigen Wohnraum für Freiwillige Feuerwehrleute in der Nähe der Feuerwache zu schaffen, wie es früher vor dem Umzug in die Feuerwache in der Ruhenstraße der Fall war. Attraktive Schulungen (z.B. Heißbrandausbildungen), Zuschüsse für Führerscheine oder die Übernahme von Kosten für Fitnessstudios könnten das Ehrenamt zusätzlich stärken und die Einsatzbereitschaft erhöhen. All diese Maßnahmen kosten deutlich weniger als die geforderte Aufstockung der hauptamtlichen Wachbereitschaft.

Und eine Variante, die sicherlich besonders die HWB nicht gerne hört: Konsequent wäre es die HWB tagsüber personell zu verstärken und dafür nachts und besonders am Wochenende nur wenige bis keine hauptamtlichen Kräfte einzusetzen. Dies wäre sehr kurzfristig umsetzbar.

Und was dann besonders die Ortsfeuerwehr Hameln nicht gerne hören wird: Konsequent wäre es, bei Einsätzen im Stadtgebiet zusätzlich eine weitere Ortswehr (abhängig vom Einsatzort) mit zu alarmieren. Das könnte auch die Einsatzbelastung deutlich besser zwischen den Ortswehren verteilen.

Und die letzten beiden Varianten (die an hervorragend kombinieren kann) wären ohne Zustimmung der Politik relativ einfach durch den Leiter der Wachbereitschaft und der Anpassung der Alarm- und Ausrückeordnung durch Stadt- und Ortsbrandmeister umsetzbar.

Ich bin jedenfalls froh, dass endlich auf allen Ebenen offen über den Brandschutz diskutiert wird. Es war ein langer Weg, überhaupt ein Problembewusstsein zu schaffen – das hat tatsächlich Jahrzehnte gedauert.

Entsetzt bin ich jedoch über den Ton, der in der Diskussion teilweise angeschlagen wird. Besonders verstörend fand ich die Aussage des Stadtbrandmeisters, der davon sprach, Kommunalpolitikern „Bilder von toten Kindern vor die Haustür zu legen“. Ich weiß von mindestens einem Ratsmitglied, das sich von nächtlichen WhatsApp-Nachrichten des Stadtbrandmeisters bedroht fühlt. Dies ist umso unverständlicher, wenn man bedenkt, dass derselbe Stadtbrandmeister 2019 die Notwendigkeit eines Brandschutzbedarfsplans noch verneinte.

Statt ständig mehr Personal für die hauptamtliche Wachbereitschaft zu fordern, sollten wir uns darauf konzentrieren, die Feuerwehr als Ganzes zu stärken, kreative Lösungen zu finden und das Ehrenamt zu fördern. Denn eines ist klar: Ohne motivierte Freiwillige ist der Brandschutz in Hameln langfristig nicht zu gewährleisten. Dabei sollten wir die vorhandenen Mittel klug und nachhaltig einsetzen – zum Wohl der gesamten Stadt. Und bitte, lasst uns dabei sachlich bleiben. Auf allen Seiten sitzen Menschen – und übrigens auch Ehrenamtliche. Dabei sollten wir aber auch bitte bei bei Wahrheit bleiben.


Ingo Reddeck

(Beiträge geben meinen persönlichen Standpunkt und nicht den meines Arbeitgebers, meiner Partei o.ä. wieder.)

Abdruck mit Genehmigung des Autors (Quelle: https://www.facebook.com/ingoreddeck)


herral, 09.10.2024


Pressemitteilung der SPD/Grüne zum Thema:

Mehrheitsgruppe SPD/Bündnis 90 – Die Grünen will weiterhin sicheren Brandschutz in Hameln

12. September 2024

https://spd-hameln.de/meldungen/mehrheitsgruppe-spd-buendnis-90-die-gruenen-will-weiterhin-sicheren-brandschutz-in-hameln


4 Gedanken zu „Gastbeitrag zur Diskussion: Feuerwehr in Hameln – Ingo Reddeck schreibt…“

  1. Wann genau gab es denn diese CDU-FDP Mehrheit, die so etwas blockieren konnte? Ich konnte das trotz Recherche nicht finden oder war das nur ein politischer Seitenhieb ohne Sachlichkeit?

  2. Ich erinnere dazu gerne an die Ratsvorlage 59/2019.

    Zu der Zeit hatte keine Fraktion/Gruppe eine eigene Mehrheit im Rat. Das ändert nichts daran, dass mit den Stimmen der CDU und der FDP der Antrag der Grünen bzw. der SPD/Die LINKE beschlossen worden wäre.

    Link zum Protokoll habe ich hier einmal verlinkt.

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