Wenn Grabsteine reden wird’s spannend! Deisterfriedhof Hameln

Steine die (Lokal)Geschichte erzählen. Aus der Perspektive des Todes in einem Landschaftspark, der auch Friedhof genannt wird. Über zwei Stunden vermittelte der Hamelner Historiker Bernhard Gelderblom anhand verschiedener Grabstätten auf dem Deisterfriedhof Lokalgeschichte. Spannend und in einem ganz anderem Umfeld als in den gewöhnlichen Vortragsräumen.

Kennen Sie die Geschichte des Pferdedoktorsteins?

Foto: Ralf Hermes, 28.09.2019

Die Rückseite des Steins auf dem Deisterfriedhof enthält folgende, heute kaum noch zu entziffernde Inschrift: „Wir sind durch Pferdearztes Hand / zu früh hierher geschicket, / zur Warnung für das Vaterland / und den, der dies erblicket./ Sein Leben traue jedermann / nur sicherer Ärzte Hände an! / Geht er auch dann die Todesbahn, / hat er doch seine Pflicht getan.“

Der Stein wurde 1792 errichtet und erinnert an die 1785 und 1788 geborenen Kindern des Hamelner  Schneidermeister Lüdeking und seiner Frau. Weiter Informationen dazu findet man auch in einem DEWEZET Beitrag vom 18.10.2013.

Markant die Grabsteinplatte von Franz Georg Ferdinand Schläger, gehauen aus einem Findlingsstein:

Hamelns berühmter Senior (=Hauptpfarrer) an der Stadtkirche in Hameln wirkte sehr vielfältig von 1822 bis 1869. Er war Seelsorger im Hamelner Stockhof (Gefängnis) und begründete die erste Hamelner Zeitung, die „Hamelnschen Anzeigen zum Besten der Armen“, die laut Herrn Gelderblom nach dem Gottesdienst verkauft wurden und eine Vielzahl von Informationen nicht nur kirchlicher Art enthielten.  Weitere Infos siehe: https://de.wikipedia.org/wiki/Franz_Georg_Ferdinand_Schl%C3%A4ger

Sehr versteckt daneben, befindet sich der Grabstein seines Nachfolgers.

Friedrich Sprenger, geboren 1792, übernahm auch die Leitung der neugegründeten höheren Töchterschule (heute Vikilu) und veröffentliche Hamelns Lokalgeschichte in „Sprenger´s Geschichte der Stadt Hameln“.

Sein Sohn August Schläger liegt ebenfalls auf dem Deisterfriedhof bestattet. Er wurde Konsul und war u.a. in Österreich tätig. Sein Sohn Berthold wurde Arzt und baute 1889 das Haus Mühlenstraße 1. Heute befindet sich dort das Senior Schläger Haus. Siehe: http://www.senior-schläger-haus.de/senior.html

Auf der Internetseite des Senior-Schläger-Hauses findet sich dann auch der Bogen zum dann sehr bescheidenen Grabstein zu dem laut Bernhard Gelderblom wohl bedeutendsten Mann der Stadt Hameln.

Zunächst aber der Textauszug zu Senior Schläger:

„Pastor Schläger hat sich insbesondere um das Wohl der ärmeren Menschen gesorgt. Er war ein Mann, der die Not der Menschen wahrnahm und immer bemüht war, sie zu lindern. Er war Mitglied im General-Armen-Collegium, gründete die „Hamelner Anzeigen zum Besten der Armen“, um aus dem Erlös Hilfsbedürftige zu unterstützen.  Er betreute Strafentlassene und Wandergesellen, setzte sich für Kranke ein und war als Seelsorger der Hamelner Strafanstalt um gute Behandlung der Verurteilten und deren Resozialisierung bemüht. Dabei arbeitete er eng und vertrauensvoll mit seinem Freund, dem damaligen Bürgermeister und Leiter der Haftanstalt Domeier zusammen.“

Georg Domeier, verstorben 1993

Laut Bernhard Gelderblom wurde die ehemalige Kanalstraße zu Ehren von Johann Georg Domeier (1770 -1853) in Domeierstraße umbenannt. Domeier war königlicher Oberkommissar (ernannter – nicht gewählter – Bürgermeister) von Hameln und leistete erstaunliches zum Wiederaufbau der Stadt nach der Schleifung der Festung durch die Franzosen. Durch den Verkauf u.a. der Hamelner Mühlen gelang es ihm städtische Schulden zu tilgen und den Weiterbetrieb und die Sanierung durch Privatinvestoren zu gewährleisten.

Über Domeier heißt es an anderer Stelle:

„Nach dem Freiheitskrieg übernahm Johann-Georg Domeier, Bürgermeister von 1817 bis 1853, das Gefängnis. Er setzte in Hannover seine Pläne durch, den veralteten Karrenbetrieb durch eine Art Fabrik zu ersetzen. Durch eigene Hauswirtschaft mit Gärtnerei sollte sich die Anstalt selbst erhalten und die Gefangenen sollten zu produktiver Arbeit herangezogen werden. Er beseitigte die Tagelöhner im Aufsichtsdienst und schuf eine geschulte Beamtenschaft in Uniform, Staatsstellung und Pension. Außerdem schaffte er es auch, ein neues Stockhaus auf dem ehemaligen Festungsgelände zu errichten.“ (Quelle: http://www.hamelner-geschichte.de/index.php?id=28 )

Spannend auch die Geschichte des Grabsteines der

Sara Susanne Coch.

“RUHE SANFT GELIEBTE TREUE FREUNDIN SALLY COCH“

„DEIN HERZ GING GANZ AN UNS; DAS UNSRIGE SO GANZ AN DIR“

C.F.v. Reden – P.v. Reden. Fritz-Arthemise-Clotilde-Auguste – Claus Wilhelm von Reden

Sara Susanne Coch  … am 28Feb1778 gestinHamelnam20Dez1913.

Du starbst den Tod fürs Vaterland, ergriffen vom Lazarethfieber bei der Pflege verwundeter Lützowscher Jaeger aus dem Gefecht an der Goerde.

Gestiftet wurde dieser Empirestein vom Besitzer des Redenhofes am Ostertorwall in Hameln, Oberstleutnant c.F. von Reden der zusammen mit seiner Frau und den Kindern als Stifter auf den Stein verewigt ist. Die Sara Susanne Coch (genannt Sally) ist eine Freundin der Philippine gewesen. Es ist zu vermuten, dass sich sich auch die Erziehung der genannten Kinder gewidtmet hat. Die poetischen Inschriften verraten, dass die Spenderin eine dichterich begabte Frau war. (Quelle DEWEZET vom 14. April 1956 und 6.7.1967)

Nebeneinander liegen dann die Grabstätten der Familien Buttenbaum und Niemeyer.

Der Buchdrucker Georg Friedrich Buttenbaum und seine Ehefrau Louise geb. Hahn sind in Besitz des Hauses Osterstraße 19 und betreiben dort Druckmaschinen. 1934 stirbt Georg Friedrich Buttenbaum und seine Witwe sowie die älteste Tochter Theodore führen die Druckerei fort. Sie drucken dort u.a. die Werke von Senior Schläger. Theodore Buttenbaum heiratet dann Carl Wilhelm Niemeyer, der die Deister- und Weserzeitung gründet.

Seiter geht es zur Grabstätte von Clara Rese mit einem markanten Stein, der besonders anrührt:

„keinen Herzschlag weckt das Weinen, keinen holt es aus dem Grab

Tätig froh sollst du erscheinen, jeden Tag der froh sich gab.“

„der erde früh entschwunden an ewigen höhen zu gesunden“

Clara Rese verstarb Weihnachten 1920 im Alter von 23 Jahren. Im Archiv der DEWEZET finden sich leider keine weiteren Hinweise. Das Grabmal ist von Seiten der Stadt Hameln als erhaltenswert eingestuft.

Rückseite:

Als du in schwerer Krankheit mich geflegt

Und ich zurückgekehrt zu neuem Leben

Da einte segnend uns des Priesters Hand.

Doch kurz war nur der Liebe glücklich Band!

Denn als du mir den ersten Sohn gegeben,

Und ihn mir an das Vaterherz gelegt-

Da konnte ….

Mein Glück musste ich hier in dieser Erde betten

….

Monumental, aber auch tragisch die Geschichte des Walter Banneitz.

Mit der Familie Banneitz ist ein Stück heimischer Wirtschaftsgeschichte verbunden. Die Villa Banneitz steht am Ostertorwall und wurde aufwendig saniert. Bernhard Gelderblom hat hierzu in der DEWEZET einen Doppelbeitrag geschrieben. Tragisch die Geschichte von Walter Banneitz, der im August 1937 verhaftet wurde und durch ein Gericht wegen Homosexualität zu vier Monaten Gefängnis verurteilt wurde. Es folgte die gesellschaftliche Ächtung. Siehe hier die DEWEZET vom 23.02.2019.

Diese Stationen waren nur ein kleiner Einblick in die vielfältige Kultur und die Geschichten, die der städtische Friedhof bereithält.

Der Dank geht an Bernhard Gelderblom, der einige davon für uns aufbereitet hat. Siehe auch:

http://www.gelderblom-hameln.de/

Beitrag als PDF:

Einzelbilder :

Ralf Hermes, 29.09.2019

2 Gedanken zu „Wenn Grabsteine reden wird’s spannend! Deisterfriedhof Hameln“

  1. Es ist beeindruckend, wie viele jahrhundertealte Grabsteine in sehr wenigen Worten eine ganze Geschichte erzählen. Daher ist es nicht verwunderlich, dass sich viele geschichtsinteressierte Personen mit Grabsteinen beschäftigen. Dies hat mich erstmalig dazu veranlasst, darüber nachzudenken, wie wohl mein eigener Grabstein nach meinem Tod gestaltet sein wird.

  2. Kürzlich entdeckte ich die bewegende Geschichte eines Grabsteins auf dem Deisterfriedhof in Hameln. Dieser Stein, der an die früh verstorbenen Kinder des Schneidermeisters Lüdeking erinnert, wurde 1792 errichtet. Die kaum noch lesbare Inschrift auf dem Stein hat mich tief berührt. Sie erzählt von einer vergangenen Zeit und den Schicksalen, die sich dahinter verbergen. Meine Recherchen und der daraus resultierende Vortrag haben gezeigt, wie wichtig es ist, solche lokalen Geschichten zu bewahren und weiterzugeben. Es ist faszinierend, wie viel Geschichte in einem einzigen Grabstein stecken kann.

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