Wer aufmerksam die DEWEZET vom 18.05.2019 gelesen hat, dem müsste auf der Titelseite aufgefallen sein:
- Der „tausendfachen“ Kindesmissbrauch in Lügde relativiert sich in den Zahlen erheblich. Konkret werden in einer Pressemitteilung der Landgerichts Detmold den Angeklagten 293 Taten vorgeworfen. Jede einzelne Tat ist schlimm genug. Dennoch sollte man den Unterschied in der Dimension warnehmen.
- Die jetzt konkret gennannte Zahl der Missbrauchsopfer liegt bei 22 bislang wurde oftmals der Begriff „mehr als 40 Kinder“ verwandt.
Herr Thimm geht auf dieses Zahlendifferenzen in seinem Titelseitenbericht nicht ein. Im zweiten Bericht des Weserberglandteil wird dann wieder mit den „alten“ Zahlen gearbeitet. Warscheinlich ist es auch egal – das eine kann man als Verdacht juristisch nachweisen, das andere vermuten. Dennoch ist der Bericht von Frau Balzereit ein kleiner Lichtblick. M.E. erstmals werden hier die Darstellungen des Landrates bzw. der Kreisverwaltung journalistisch neutral wiedergegeben, so dass ich nicht das Gefühl hatte, als Leser in eine bestimmte Richtung gedrängt zu werden.
Im Gegensatz dazu steht die Berichterstattung von Herrn Thimm vom Tag davor. Dieser nutzt nun wieder Spekulationen der CDU Kreistagsmitglieder Körtner und Siegmund um „neue“ Vorwürfe gegen den Landrat zu verkünden. An den Aussagen/Wiederholungen aber kann ich nichts Neues finden. Herr Thimm lässt in gewohnter Manier die „Gegenseite“ nicht annähernd zu Wort kommen und die Anschuldigungen stehen mal wieder im Raum.
Erst Frau Balzereit veröffentlicht in ihren genannten Artikel die Position des Landrates dazu, so dass man sich selber ein Bild machen kann.
Nochmal zurück zur Begrifflichkeit des „tausendfachen Missbrauchs“. Wer vorzeitig berichtet, ist auf Mutmaßungen angewiesen. Vorsicht ist daher immer angebracht und es gibt genügend Beispiele, dass die Dimension des Verdachtes sich hinterher nicht bestätigt. Wer aufmerksamkeitswirksam berichten will (muß), greift zu den Maximalzahlen.
Im Grundsatz gilt weiterhin: Spekulation, Einseitigkeit, Emotionalisierung und Übertreibung sind der Tod der Glaubwürdigkeit. Journalisten müssen sich diesem Problem stellen. Den „Lügenpressevorwürfe“ der Rechten in der Vergangenheit darf man nicht mit überzogen kritischer Berichterstattung konkret hier in Richtung Kreisverwaltung begegnen. Übertreibungen helfen niemanden.
Nochmal: Kritischer Journalismus ist unabdingbar für eine Demokratie. Die Medien als „vierte“ Gewalt sind Baustein der Meinungsbildung. Pressefreiheit bedeutet Verantwortung, insbesonders bei so hochemotionalen Themen die Kindesmißbrauch.
Pressefreiheit bedeutet auch kein unantastbares Kritikverbot in Richtung der Journalisten. Wir brauchen dringend eine kritische Diskussion über die für mit in der Summe inakzeptable Berichterstattung der DEWEZET im Fall Lügde (#dewezetkorrektiv) in Hameln.
Ralf Hermes, 18.05.2019