Blutiger Demonstrationsverlauf in Flensburg vor 100 Jahren. Bericht Nds. Volksstimme

Bericht der Niedersächsischen Volksstimme vom 07.01.1920 über ein Angriff auf eine Schutzpolizeikaserne in Flensburg mit 9 Toten Arbeitern als Folge:

Schwere Blutopfer in Flensburg.

Der „Vorwärts“ läßt sich aus Kiel berichten: Anläßlich der Beerdigung des von der Schutzpolizei erschossenen Kommunisten Erich Hoffmann ist es am Dienstag abend, gegen 10 Uhr, in Flensburg zu einer Demonstration gekommen, bei der, wie bisher bekannt, neun Tote und 22 Verwundete zu beklagen sind. Sämtliche Ausschreitungen sind lediglich auf das Konto der Kommunistenführer zu setzen, die sich in einer gemeinsamen Vertrauensmännerversammlung mit unserer Partei verpflichtet haben, für Ruhe und Ordnung zu sorgen, aber später die Menge zu einem sinnlosen Sturm auf die Kaserne aufputschten. Wir geben im folgenden die amtliche Darstellung der Vorgänge durch das Oberpräsidium. Dabei bemerken wir, daß die Darstellung vollkommen übereinstimmt mit den Auffassungen sämtlicher parteigenössischen Augenzeugen:


Am 4. Januar 1921 haben bei der Beerdigung des am 29. Dezember anläßlich seiner Festnahme erschossenen Monteurs Hoffmann in Flensburg die Kommunisten, darunter aus Hamburg herbeigeeilte Führer, am Grabe aufhetzende Reden gehalten, durch welche die Menge aufgefordert wurde, gegen die Schutzpolizei vorzugehen. Flugblätter des gleichen Inhalts sind unter die Teilnehmer an der Beerdigung verbreitet worden. Von rund 7.000 Teilnehmern hat indessen der größte Teil sich nicht verhetzen lassen, sondern ist nach der Beerdigung nach Hause gegangen. Nur etwa 300 bis 400 Personen sind in gemeinsamen Tupps vor die Kaserne der Schutzpolizei gezogen und haben vor dieser unter Absingen revolutionärer Lieder auf Karl Liebknecht und Rosa Luxenburg demonstriert. Nachdem die Menge drei Stunden die Polizei auf diese Art in der Kaserne belagert hatte, wobei ein Versuch, das Tor zu stürmen durch Spritzen mit einem Hydranten verhindert worden war, zogen die Demonstranten ab und hielten zwei Versammlungen ab. Beide Lokale haben sie sich gegen den Willen der Saalbesitzer mit Gewalt bemächtigt. Hier wurden von führenden Kommunisten erneut Reden gehalten und die Menge aufgefordert, die Schutzpolizeikaserne zu stürmen. „Es müsse noch Blut fließen.“ Etwa 200 bis 300 Demonstranten zogen nunmehr gegen 1/2 12 Uhr abends erneut vor die Kaserne. Diesen schloß sich eine große Menge Neugieriger an, um von weiten die Vorgänge zu beobachten. Die draußen postierten Beamten der Schutzpolizei wurden nunmehr in die Kaserne zurückgezogen. Die Demonstranten drückten das Straßentor ein und stürmten auf das innere Kasernentor. Daraufhin rückte die Schutzpolizei nach Abgabe von Schreckschüssen wieder bis zum Straßentor vor und verschloß dieses. Erneut stürmte die Menge gegen das Straßentor an, wobei aus der Mitte eine Reihe von Schüssen fiel. Darauf rückte die Schutzpolizei wieder vor, um die Kaserne zu verteidigen. Einige über die Köpfe abgegebene Salven hatten keine genügend abschreckende Wirkung, so daß die Schutzpolizei gegen die angreifende Menge nunmehr scharf feuerte. Darauf stob die Menge auseinander. Es ist bei dem Vorgehen der Schutzpolizei auf ihrer Seite ein Beamter verwundet worden; die Demonstranten haben 9 Tote und 22 Verwundete zu verzeichnen. Ferner sind etwa 40 Personen aus der Reihe der Demonstranten verhaftet worden. Unter den Verhafteten befindet sich auch der Führer der Kommunisten in Flensburg.


Zurzeit herrscht in Flensburg Ruhe. Die Sozialdemokratische Partei hat noch in der Nacht ein Flugblatt herausgegeben, in dem sie energisch von den Demonstranten abrückt, die Bestrafung der Aufwiegler fordert und an die Arbeiter die Aufforderung richtet, heute früh in die Betriebe zu gehen. Dieer Aufforderung haben die Arbeiter restlos entsprochen. Sämtliche Betriebe sidn in Flensburg in vollem ge. Die Polizei ist soweit verstärkt, daß zu Befürchtungen weiterer Unruhen kein Anlaß vorliegt.


Bei der Kaserne handelte es sich um die Duburgkasserne.

Es handelt sich um eine Einheit der Sicherheitspolizei.

Ich habe diesen Beitrag auch auf der Seite republikpolizei.de eingestellt und hier noch mit weiteren Zeitungsberichten der KPD-Zeitung „Die Rote Fahne“ ergänzt. Siehe:

Ein Polizeieinsatz vor 100 Jahren (4.1.1921) im Pressespiegel der damaligen Zeit – Republikpolizei

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