Hameln: Die Niedersächsische Volksstimme berichtet in ihrer Ausgabe vom 08.01.1920 über die Rede des Hamelner Majors Gieren. Aus dem Bericht entwickelte sich ein Rechtsstreit.
Leseabschrift:
Aus Stadt und Land.
Hameln, den 07.01.192.
Unverschämte Anmaßungen eines hiesigen Majors.
Am 5. Januar hat bei einem Appell der Wirtschaftskompanie Herr Major Gieren zu den Mannschaften und Führern gesagt:
Wollen Sie sich von dieser Regierung beherrschen lassen, die zu 90 Prozent aus Juden besteht. Die Regierung ist unfähig. Der Einzige, der etwas leistet ist Noske. (Armer Noske von solcher Gesellschaft gelobt zu werden! Red.) Bei der alten Regierung hat noch Zucht und Ordnung geherrscht.
Die anmaßenden unverschämten, bei Jena 1806 und später ins Gesicht und aufs Haupt geschlagene preußische Offiziersgesellschaft, die ihre Existenz nur der „Lammesgeduld“ des alle Werte schaffenden Volkes verdankt, ist die alte geblieben. Wenn sie selbst einmal auf die Finger geklopft bekommen, dann schreit die feige, diese erbärmliche Gesellschaft ängstlich nach dem Kadi hier erdreistet sich aber mit verlogenen Behauptungen selbst ihre Regierung zu beschimpfen.
Hoffentlich beherzigt die Regierung den Appell de Herrn Gieren nach Zucht und Ordnung und züchtigt diesen Offizier und läßt ihn fliegen.
Von der Verjudung der Regierung träumt oder lügt der Offizier. Von den 20 Reichsministern ist überhaupt keiner Jude, von den 13 preußischen Ministern nur einer. Und wenn auch.
Die Schweine im Offiziersrock, die im besetzten Feindesland und in der Etappe getreu den ihm im Chinafeldzug gegebenen Weisungen ihren obersten Kriegsherrn und obersten Hanswurstes wie die Hunnen gehaust haben. Die preußische Offiziersverbrechergesellschaft hat unter der „Zucht und Ordnung“ der alten Regierung gestanden. Und ??dem die zum Himmel stinkenden Schabianten dieser preußischen Offiziere.
Und da wagt sich ein preußischer Offizier heute auf andere und auf die Regierung in dieser verlogenen Weise zu schimpfen?
Wird sich das die Regierung gefallen lassen?
Die Deister- und Weserzeitung vom 09.01.1920 veröffentlicht dazu dann folgenden Beitrag:
* Herr Major Bieren sendet uns nachstehende Mitteilung mit dem Ersuchen um Aufnahme: „Der Artikel „Unverschämte Anmaßung eines hiesigen Majors“ der Niedersächsischen Volksstimme wird als unwahr zurückgewiesen. Er trägt so offenkundig den Stempel der Gehässigkeit und des Rachebedürfnisses für den von mir beim Staatsanwalt gestellten Strafantrag wegen des Artikels „Preußische Offiziere“, daß sich jedes weitere Eingehen auf dieses Erzeugnis von selbst verbietet. Die Tonart richtet sich selbst. Dem ersten Strafantrag wird ein zweiter folgen, der hoffentlich seine Wirkung nicht verfehlen wird.
Weiter Zeitungsmeldungen siehe:
Arno Reichard – Freisprechung im Gieren-Prozeß. 26.01.1921 – Hamelner Bote
Abschrift: herral, 6.2.2021