Theodor Lessing in Hameln

Eine Gedenktafel an der Hafenstraße gibt Auskunft.

Der spätere Philosoph, Hochschullehrer, Schriftsteller und Pionier der Volkshochschulbewegung Theodor Lessing wechselte während seiner Schulzeit vom hannoverschen Ratsgymnasium zum Städtischen Gymnasium (heute Schiller-Gymnasium) nach Hameln. Hier legte er sein Abitur ab. Erst sein späterer Hamelner Lehrer Max Schneidewin brachte ihn auf den richtigen Weg. Am 30. August 1933 wurde Theodor Lessing von nationalsozialistischen Attentätern in Marienbad ermordet. Er gilt als das erste Opfer des Nationalsozialismus auf tschechischem Boden.

Hier Hintergrundinfos zur Tafel und zur Person:

Tafeltext (Abschrift):

Theodor Lessing (1872 – 1933)

Theodor Lessing war einer der bedeutendsten Kulturphilosophen im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts. Seine Werke, wie „Geschichte als Sinngebung des Sinnlosen“ (1919), zählten zu den Hauptzeugnissen eines illusionslosen Wirklichkeitsverständnisses.

Entscheidende eineinhalb Jahre seiner Jugend verbrachte er in Hameln. Er kam im April 1891 aus Hannover als aufsässiger und gescheiterter Schüler, erfuhr hier uneigennützige Fürsorge und geistige Förderung und verließ Hameln nach dem Abitur im September 1892 verändert und mit neuem Selbstvertrauen.

Er wohnte während dieser Zeit im Hause der Witwe Lüder am Hamelner Mühlentor. In seinen Erinnerungen „Einmal und nie wieder“ schildert er ausführlich und anschaulich diesen Lebensabschnitt.

Nach einem Studium der Medizin und der Philosophie wurde Lessing Philosophie-Professor an der TH Hannover. Er gründete den „Anti-Lärm-Verein“ und war, zusammen mit seiner zweiten Frau Ada, einer der Pioniere der Volkshochschulbewegung. Seine jüdische Herkunft, seine Mitgliedschaft in der SPD und seine Kritik an der Kandidatur des „Volkshelden“ Hindenburg für das Amt des Reichspräsidenten 1925 machten ihn zur Zielscheibe für konservative und rechtsradikale Attacken. Seine Warnung, dass Hindenburg der Wegbereiter anderer, gefährlicherer Kräfte sein könnte, bewahrheitete sich 1933, als der Reichspräsident den Führer der NSDAP, Adolf Hitler, zum Reichskanzler machte.

Der „Volksschädling“ Lessing stand obenan auf der Verfolgungsliste. Er floh im März 1933 in die Tschechoslowakei. Die Reichsregierung setzte ein Kopfgeld auf ihn aus. Am 30. August 1933 wurde er in seiner Wohnung in Marienbad von gedungenen Mördern erschossen.

Ada Lessing starb am 10. November 1953 in Hameln.

Die Gedenktafel wurde am 80. Todestag Theodor Lessings von der Bibliotheksgesellschaft Hameln aufgestellt.“


Die Tafel wurde im Rahmen einer Gedenkveranstaltung zum 80. Tag des Mordes an Lessing im Lüders Park aufgestellt. Für den Bibliotheksverein erinnerte der Osterstudienrat Jürgen C. Kurse an Leben und Werk Theodor Lessings.

Kurzbericht mit Bildern unter:

https://www.bg-hameln.de/_news/50.htm


Weitere lesenswerte Informationen zu T. Lessing:

„Mit prophetischer Gabe beschrieb Lessing die graue Zukunft, die für ihn auf der gnadenlosen Ausbeutung der Natur beruhte. Die ungeheure Bedrohung durch den Fortschrittsglauben und der verlogene Umgang mit der Geschichte endete für Lessing im Welttod und das erregte bei seinen Zeitgenossen Aggressionen. Seine Kampfschrift gegen den Lärm und sein Aufruf gegen den Krieg wurde belächelt. Den Zustand der Welt versuchte er auch an dem Fall des Knabenmörders Haarman zu erklären oder an Hindenburg, der für ihn nur ein „Zero“ war, hinter dem aber ein Nero lauert.

Lessing sah die Folgen des Ungeistes prophetisch voraus. Die antisemitische Hetze gegen ihn brachte ihn zu Fall. Aus Hannover vertrieben musste er 1933 nach Marienbad fliehen und wurde heimtückisch von Nazis erschossen. Aber das von ihm analysierte Zeitalter der Vergiftung und der „verfluchten Kultur“ ist gerade im 21.Jahrhundert sehr gegenwärtig.“

aus: Deutschlandfunk:

https://www.deutschlandfunk.de/philosophie-und-so-ward-grau-die-welt.1184.de.html?dram:article_id=271619


Wikipedia:

https://de.wikipedia.org/wiki/Theodor_Lessing


Über die Ehefrau Ada Lessing, die später nach Hameln zurückkehrte:

„Ende 1946 kehrte Ada Lessing nach Deutschland zurück, nachdem sie Kontakte zur neu gegründeten sozialdemokratischen Partei in Niedersachsen hergestellt hatte. Sie hoffte, an „ihre“ alte Volkshochschule zurückkehren zu können. Aber in Hannover waren politische EmigrantInnen nicht willkommen. Adolf Grimme, der niedersächsische Kultusminister, berief sie als Beraterin für die von der britischen Besatzung geforderte “Teacher Reeducation” und betraute sie mit dem Aufbau und anschließend der Leitung des Lehrerfortbildungsheimes Schloß Schwöbber bei Hameln. Sie hatte diese Position bis zu ihrem Tod inne. Am 10. November 1953 starb Ada Lessing in einem Hamelner Krankenhaus an Leukämie.“

https://www.fembio.org/biographie.php/frau/biographie/ada-lessing/

Zum Hamelner Lehrer Max Schneidewin:

Wikipedia:

„Schneidewin äußerte sich ferner zu aktuellen politischen Themen. In Hameln soll er 1899 der einzige gewesen sein, der den übertriebenen Nationalismus der örtlichen nationalen Vereine laut kritisierte. Die Treue zu Deutschland, so Schneidewin, entarte dort zur „Pudelnärrischkeit“ und sei deutlich antisemitisch. Dies zeige sich am Inhalt des neuen Nationalliedes, das sich seit 1841 zunehmender Beliebtheit erfreute.[5]

Er beschrieb die negativen Auswirkungen der stärker werdenden nationalistischen Tendenzen seiner Zeit (Gegen die Nationalisierung der Philosophie, 1916). Er nahm Stellung, ob Antisemitismus oder Philosemitismus sinnvolle politische Lösungen sein könnten (Die jüdische Frage im Deutschen Reich, 1894). 1909 erschien seine Schrift Pro pace zum Thema Frieden und einer kritischen Darstellung von Voraussagen über einen kommenden Krieg. 1919 veröffentlichte er eine Monographie zum Für und Wider des Frauenstimmrechts.

https://de.wikipedia.org/wiki/Max_Schneidewin


Siehe auch Gelderblom/Altkrüger:

„Nur eine Stimme erhob sich damals gegen den übersteigerten Nationalismus der nationalen Verbände. Sie gehörte dem Oberlehrer des Jungengymnasiums Max Schneidewin. Er bemängelte bereits 1899 in seiner Kritik des Nationalliedes dessen „überspannten Nationalismus“. Das Lied sei zu einem „Erkennungszeichen des Antisemitismus“ geworden. Die Treue zu Deutschland könne bis zur „Pudelnärrischkeit“ entarten. Ohnehin könne dieses „Klassenlied“ der vierte Stand, also die Arbeiterschaft, nicht mitsingen.“

http://www.geschichte-hameln.de/ersterwkhm/artikel/dwz01.php



Zusammenstellung: Ralf Hermes, 5.3.2021

Update: Zum Lüderschen Haus habe ich von Gerd Fricke (Facebookgruppe „Unser Hameln“ noch folgende Informationen erhalten:

Lüders Geburtshaus war in der Bäckerstraße 3.

Lüders Geburtshaus war in der Bäckerstraße 3. Er gehörte als »Bürgervorsteher im Jahr 1850 der Verhandlungskommission an, welche mit dem Land hinsichtlich der Übernahme des früheren Festungsareals (vor den Wällen) verhandelte.
Schlussendlich wurde die Stadt Eigentümerin des ganzen Geländes zwischen Festungshamel und der früheren alten Stadtmauer – hinzu kamen noch Flächen auf dem »Klüt« und vor dem »Brückertor« an der »Münsterbrücke«.
Bis zu dem Zeitpunkt hatten diese Flächen – obwohl lange brach liegend – nicht bebaut werden dürfen.
Kaufmann »Carl Ludwig Lüder« war der erste, welcher auf dem Gelände an der Ecke »Mühlenstraße« | »Hafenstraße« einen Bauplatz erwarb und in 1855 / 1856 sein Wohnhaus errichten ließ.

Quelle Facebook – Unser Hameln

Da mich die verschmutzte Tafel sehr geärgert hat, bin ich heute noch mal mit Schwamm und Glasreiniger hingefahren. Mit etwas Geduld….


07.03.2021 – herral

Zusammenstellung 7.3.2021

Am 20.06.2021 sah die Tafel wieder so aus:

Aktualisierung am 29.06.2021

Säuberung am 04.07.2021

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