Zeitungsmeldungen Jahresende 1917: Hamelner Tageblatt vom 28.12.1917

Hameln, 23.01.2022: In den Weihnachtstagen beschäftigte einige die Diskussion um die Straßenbenennung „Linsingen-Campus“. Der Umstand, dass im Jahr 2022 beinahe ein neues Bildungszentrum nach dem Namen eines Weltkriegsgenerals bezeichnet wurde, veranlasste zu einer Recherche der Zeitungsmeldungen im Jahr 1917. Als Zeitsprung und Erinnerungsauffrischung, was im 1. Weltkrieg die Menschen und die lokalen Zeitungsredakteure in Hameln bewegte.

Hameln hatte damals zwei Tageszeitungen. Hier Einblicke in das „Hamelner Tageblatt“ (später Niedersächsische Volksstimme):

Lesenswert ist der folgenden Bericht:

Abschrift:

Die Umschichtung des Volksvermögens. (Von einem volkswissenschaftlichen Mitarbeiter)

Langsam und von der großen Menge fast unbemerkt, aber stetig und mit immer größerer Ausdehnung hat sich unter der Einwirkung des Krieges eine Verschiebung der Vermögen vollzogen, wodurch die Einkommen der ganz Reichen sich immer rascher vermehrte, das Vermögen des Mittelstandes dagegen dauernd verringerte. Diese Entwicklung, die schon vor dem Kriege begann, hat jetzt einen Umfang angenommen, welcher der Nationalwirtschaft großen Schaden bringen muß. Innerhalb der letzten beiden Jahrzehnte haben in den preußischen Städten die Einkommen von 3000 Mark bis 9500 Mark (trotz des vielgepriesenen deutschen Aufstiegs) um 2,5 ! und die Einkommen von 9500 bis 30500 Markt um 0,5 % abgenommen. In der gleichen Zeit aber hat die Zahl der ganz Reichen eine starke Vermehrung erfahren; die preußische Einkommen-Statistik für das Jahr 1916 lehrt, daß sich die Einkommen von über 100000 Mark vervierfacht haben. Jahreseinkommen von 500000 Mark bis zu einer Million Mark hatten 1896 in Preußen 76, im Jahr 1916 dagegen 356 Personen; ein Einkommen von über einer Million erzielten 27 Personen im Jahr 1896 und 134 Personen im Jahr 1916; das Höchsteinkommen einer einzelnen Person betrug im Jahr 1896 in Preußen 7 426 500, im Jahr1916 dagegen aber 29 417 500 Mark. Insgesamt verfügten im preußischen Staate in den Jahren 1911/13 nur 18,5 % der Gesamtbevölkerung über ein Einkommen von mehr als 6000 Mark, und 81,5 % der Bevölkerung mußte sich mit einem Jahreseinkommen von unter 6000 Mark begnügen.

Die Wirkungen dieser Einkommensverschiebungen machen sich besonders in der Industrie geltend, die ihre Gewinne zu noch nie dagewesenen Erweiterungen der Betriebe und zur Gründung von Kartellen benutzte. Die kartelle haben im Kriege einen Siegeslauf genommen, der geradezu eine Überspannung des Machtgedankens dieser Produzentenvereinigungen in sich schließt. Wenn die Kartelle weiterhin die Preise für Kohle und Eisen, für Farbstoffe und alle Erzeugnisse aus Stein und Erde, zusammengenommen für alle Rohstoffe und veredelten Waren bis zu den fertigen Erzeugnisse unter sich regeln werden, dann wird die Einkommensverschiebung auch weiter zugunsten der ganz großen Vermögen erfolgen und von einer Minderheit werden dem großen her der Abnehmer die Preise und Lieferbedingungen vorgeschrieben werden. Bei einer solchen Zunahme der ganz großen Vermögen kann es nicht ausbleiben, daß schließlich die ganze nationale Arbeit eines Tages unter den Willen einer verschwindend kleinen Zahl von geldstarken Personen gerät.

Die mächtig gewachsene industrielle kapitalmacht gewinnt so große Macht im Wirtschaftsleben. Das Heer der Arbeiter sucht seine Organisationen zu stärken, um den Ring der Unternehmer schlagfertig gegenüber zu treten. Auch de Landwirtschaft flossen vielfach große Gewinne in diesem Kriege zu. Nur um die Gestaltung der Lebensbedingungen des Mittelstandes, des Handwerkers, des kleinen Kaufmanns, vor alle der Privatbeamten steht es ungleich schlechter.

Wie steht heute der Mittelstand eigentlich da? Der Handwerksmeister, welcher eine Werkstatt beim Eintritt in den Heeresdienst schließen mußte, hat seine wirtschaftliche Selbständigkeit verloren. Von den Verdienstmöglichkeiten, welch so viele Menschen eines Morgens reich und wohlhabend fand, habe die Kleinbetriebe in Handel und Handwerk, hat der festbesoldete Privatbeamte nichts gespürt. Sie besonders haben von allen Berufsschichten unter den Wirkungen des Krieges am ernstesten gelitten. Darum muß es die allerwichtigste Aufgabe einer gesunden Wirtschaftspolitik sein, für den Wiederaufbau und die Wiedererstarkung dieser vielen wirtschaftlichen Existenzen zu sorgen. Eine Nationalwirtschaft, die den Reinertrag aller Arbeit einem immer kleiner werdenden Kreise von Menschen zuwirft, wird auf die Dauer nicht bestehen können. Gewiß werden die geradezu phantastischen Kriegsgewinne, die der Produktion zuflossen, für die Steuerkraft des Reiches nutzbar gemacht werden; aber es kommt nicht allein darauf an, daß die Steuern bezahlt werden, sondern auch darauf, wer sie bezahlt. In einem innerlich kraftvollen und gesunden Staate muß sich das Nationaleinkommen auf alle Volksglieder verteilen und alle Berufsschichten müssen wie am Sinken, so auch am Aufstieg des Wirtschaftslebens beteiligt sein.



Weitere Meldungen:

Quelle: Original im Stadtarchiv Hameln

Die Zeitung umfasst vier Seiten. Es gibt keine Todesanzeigen.


Die DEWEZET vom selben Tage veröffentlicht u.a. einen Heeresbericht und in „Aus Stadt und Umgebung“ die Namen derjenigen aus der Region, die einen Orden (Eisernes Kreuz) erhalten haben. Im Anzeigenteil findet man eine Reihe Todesanzeigen von im Krieg getöteten Hamelner Soldaten. Beispiele:


Zusammenstellung vom 23.01.2022, herral

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.