Gastbeitrag zu: „Pflege auf Talfahrt?“, DWZ-Ausgabe vom 16.02.2024

Hameln, 16.02.2024: Von Günter Bialkowski ein Gastbeitrag zum Beitrag vom Dorothee Balzereit

Der Beitrag „ Pflege auf Talfahrt?“ in der DWZ-Ausgabe vom 16.02.2024 zeigt die aktuelle Situation. Dem Trend unserer Zeit geschuldet, recherchiert die Journalistin Balzereit dieses wichtige Thema von der betriebswirtschaftlichen Seite her. Doch die Pflege, der Umgang der Menschen mit sich selber – mit Kranken und alten Menschen, hat schon viele Epochen durchlaufen. Und so ist die Entwicklung auch heute noch lange nicht zum Abschluß gekommen. Weil eben die Pflege trotz hohem gesundheitlichen und pflegerischen Standard nicht optimal, sozial ungerecht und hochgradig kritikwürdig ist! Und die Redaktion der DWZ sollte sich fragen, ob dieser von Fr. Balzereit gut recherchierte Beitrag aus nur einer Perspektive ausreicht, dieses tiefschichtige Thema den betroffenen gesellschaftlichen Gruppen in unserer Region so unvollständig darzustellen!

In einer Maischberger-Talkrunde am 14.02.24 ging es um den Streit um die anstehende Krankenhaus-Reform. Zwei fachlich hoch kompetente Persönlichkeiten führten ein richtiges Gespräch, hörten einander zu und der Zuschauer hörte die Argumente und konnte sich schließlich sein Bild machen. Vielleicht verdeutlicht dies meinen Ansatz, auch die DWZ muss wieder ganzheitlich schreiben lernen und zwar in einem Beitrag! So wie in dem Gespräch zwischen Hr. Minister Prof. Dr. Lauterbach und dem Klinik-Direktor Prof. Dr. Uwe Janssens Rede und Gegenrede gesendet wurde, so sollten auch die Kommentare in der DWZ mindestens beide Seiten, wenn nicht mehr zum Zuge kommen lassen.

In Bezug auf die Altenpflege, die Versorgung alter Menschen und was wir uns in Zukunft da noch leisten können, sagte Prof. Dr. Janssens wörtlich „ Das Ende des Lebens ist aus der Gesellschaft rausgenommen worden und es ist nicht mehr zurück geholt worden.“ Und er wartet schon seit 20 Jahren darauf, dass die Politik hier endlich Fakten schafft, die Bevölkerung wieder mit ins Boot holt, die Krankenhausdichte in Großstädten neu regelt und kleinere Krankenhäuser lebensfähig erhält. Die Frage was wir uns im hohen Alter medizinisch noch leisten können steht ebenso auf der Agenda, wie auch die Frage wie die sprechende Medizin wieder besser integriert und finanziert werden kann. Einen Sinn gebenden Rückbau medizinischer Leistungen (etwa bei teuren Chemo-Therapien) im hohen Alter hält der Mediziner für unausweichlich. Diesem Vorschlag wollte sich der Gesundheits-Minister Prof. Dr. Lauterbach nicht anschließen. Er sah Einsparpotenziale an ganz anderer Stelle. Wer die Diskussion sehen konnte, bekam tiefe Einblicke und vielleicht auch tiefere Einsichten, was auf uns in naher Zukunft zukommen wird!

Spürbar war das besondere Bemühen, die Menschen, sozusagen die eigentlich Betroffenen, die Kranken und die sehr alten Kranken wieder ins System zurück zu holen. Das Agieren der Politik, der höheren ärztlichen Fach-Kompetenzen und aller übrigen Institutionen und Player im deutschen Gesundheits- und Pflege-System konnte ohne unsere aktive Beteiligung, somit ohne Druck von unten durchgezogen werden. Mit dem Ergebnis, dass wir zwar einen effizienten Gesundheitsmarkt und einige sehr gut verdienende Branchen haben. Dieser Markt aber insgesamt unsozial, ungerecht, unterschwellig verhasst und spürbar unfinanzierbar geworden ist! Außerdem stösst er hier und da an seine ethischen Grenzen. Und das alles, weil es in den 1990er Jahren politisch opportun war, die bis dahin gut funktionierende Gemeinnützigkeit einer privatisierten Wirtschaftsordnung unter zu ordnen. Es war m.E. die Partei Die Linke, die am längsten um den Erhalt der Gemeinnützigkeit in diesem menschlich sensiblen Bereich gekämpft hat.

Doch das ist nun alles Schnee von gestern. Es verwundert heute, dass bei unserer schwierigen Haushaltslage keine politische Partei im Deutschen Bundestag an einen wie auch immer gelagerten Rückbau der Privatisierung denkt. Zumindest die Gewinnabschöpfung durch private Investment-Gesellschaften könnte wieder eingeschränkt werden. An dieser Stelle kommen auch die Tageszeitungen wieder ins Spiel. Ich frage mich, warum übernimmt nicht unsere Heimatzeitung DWZ den Part für unsere schwächsten Gruppen in unserer Gesellschaft. Alle Studien zeigen, unsere alten, sehr alten Pflegebedürftigen und ihre Angehörigen sind die Schwächsten am Rande des deutschen Gesundheits- und Pflegemarktes. Sie haben weder Lobbyisten hinter sich, noch sind sie organisiert, haben keinerlei Möglichkeiten wie z.B. andere Gruppen Druck auf Öffentlichkeit oder Regierung aufzubauen.

Ich möchte niemanden zu nahe treten, aber das, was die Redaktion hier bei Fr. Balzereit in Auftrag gegeben hat, hätte jedem Wirtschaftsjournal gut getan. Für eine Heimatzeitung im ländlichen Raum mit hohem Anteil unter durchschnittlichen Einkommen ist dies zu einseitig und auch zu wenig. In Abwandlung von Friedrich Schillers Theaterstück Don Carlos sage ich in Richtung Redaktion: Sire, geben Sie Schreibfreiheit. Ich bin überzeugt, dass Fr. Balzereit das ganze Thema in aller Vielschichtigkeit breit beschreiben und uns erklären könnte, warum sie hinter ihrem Aufmacher noch ein Fragezeichen setzt? Unser Pflegemarkt ist nach rund 30 Jahren freier Marktwirtschaft unheilbar krank und Pleite! Das ist nachlesbar Fakt! Und unser Staat finanziert über die Sozialgesetzgebung eine Reichen-Klientel, wie es sich kein anderer Staat in der EU leisten kann. Vielleicht macht dieser Leserbeitrag auch Mut und wir dürfen auf einen Folge-Artikel hoffen. Der Stoff ist reif für eine ganzheitliche Aufbereitung!

Günter Bialkowski

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