Hameln, 28.01.2025: Nachdenklich machendes war am 27.01.2025 in der Marktkirche Hameln zu hören, aber auch erbauliches. Wie Menschen in der Stadt Hameln der Ermordung von 13 Millionen Zivilisten als Opfer des NS-Regimes gedachten, erfahren Sie hier:
Impressionen der Veranstaltung in der Marktkirche Hameln am 27.01.2025
Mehr als 100 Menschen waren der Einladung der Kirche, der Volkshochschule und der Stadtverwaltung Hameln zum Gedenken anlässlich des Jahrestages der Befreiung des KZ Auschwitz-Birkenau im Jahr 1945 gefolgt.
Im Zentrum stand eine szenische Lesung unter dem Titel … im „deutschen Style“ erbaut … – Es ging um das kurze Bestehen der 1879 geweihten Hamelner Synagoge durch Mitglieder der evangelischen Jugend Hameln-Pyrmont. Gestaltet und moderiert von Bernhard Gelderblom und Dierk Rabien, musikalisch auf der Orgel begleitet durch Stefan Vanselow.
Die Jugendlichen nahmen die Zuhörer auf eine Zeitreise, die mit einem fiktiven Gespräch über eine Zeitungsmeldung der DEWEZET vom 10.11.1938 begann.
Der Kontrast zwischen der nichtssagenden Zeitungsmeldung und dem tatsächlichen Geschehen, dem Niederbrennen der Synagoge, der Misshandlung jüdischer Mitbürger und der Angst über die Ereignisse zu sprechen kam eindrucksvoll rüber.
Die Jugendlichen verstanden es sehr gut (hin und wieder unterstützt von Bernhard Gelderblom), die Geschichte des Baus der jüdischen Synagoge interessant zu vermitteln. Bedrückend, dass alle von dem Architekten seinerzeit gebauten Gotteshäuser ein Opfer der Gewalt der Nationalsozialisten wurden.
Als besonderer Höhepunkt wurde nach der Lesung das neue Modell der alten jüdischen Synagoge der Öffentlichkeit vorgestellt. Dieses erfolgte durch die Mitarbeitenden der Impuls Beschäftigungsgesellschaft. Die Synagoge ist ein weiteres Modell der Reihe „Hamelner Zeitpunkte“. Hier gibt es Modelle der ehemaligen Hamelner Stadtwache (Altes Rathaus), des Kiepehofes, des Kaufhaus Bernstein, des alten Bahnhofes und der Festungsanlagen im Fußgängertunnel am „Grüner Reiter“. Diese Modelle wurden unter der Leitung von Bernhard Gelderblom und Wolfgang Pütz entworfen und gebaut. Sie bestechen durch einen enormen Detailreichtum und historische Genauigkeit.
Zurück nun zum Beginn der Veranstaltung. Für die Volkshochschule Hameln-Pyrmont begrüßte der Verbandsgeschäftsführer Roland Cornelsen die Anwesenden.
Er erinnerte an die Worte „Die Erinnerung darf nicht enden“ des früheren Bundespräsidenten Roman Herzog. Dieser hatte im Jahre 1996 den ersten „Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus“ initiiert.
Auch Hamelns Superintendent Dr. Stephan Vasel knüpfte an das Jahr 1996 an. Die Judenfeindschaft sei nie weg gewesen, sei heute aber wieder lauter geworden. Mit Blick auf die aktuelle Lage stellte er die Frage, was wir eigentlich falsch gemacht haben, dass wir erleben müssen dass Geister einer Vergangenheit, die wir hinter uns gelassen wähnten, neu erweckt wurden. Die Worte „Nie wieder“ würden heute wichtiger denn je.
Er nannte dann den Spruch des Tages zum 27. Januar: „Hüte dich nur und bewahre deine Seele gut, dass du nicht vergisst, was deine Augen gesehen haben, und dass es nicht aus deinem Herzen kommt dein ganzes Leben lang.“ (5. Mose 4, 9a)
Hamelns Oberbürgermeister Claudio Griese oblag es, in seinem Grußwort die Schrecken der Befreiung des Konzentrationslagers Ausschwitz heute vor 80 Jahren in Erinnerung zu rufen. 7.000 halb verhungerte, kranke, entkräftete Menschen hätten überlebt. Dies, obwohl doch niemand der Tötungsindustrie hätte entkommen sollen, um darüber zu berichten. An insgesamt 13 Millionen zivile Opfer des NS Regimes gelte es zu erinnern. Menschen, die als Untermenschen und Schädlinge bezeichnete wurden, deren Leben nichts wert war und die es galt, physisch zu vernichten.
Konkret erinnerte der Oberbürgermeister an Arno Reichard, den Chefredakteur der Hamelner Zeitung „Niedersächsische Volksstimme“. Dieser war Teil der ersten „Säuberungswellen“ der Nazis in Hameln. Es begann mit einer Eskalation der Gemeinheiten, mit der Eindämmung der Meinungsfreiheit und endete in massenhaften Morden.
Heute gäbe es keine Einschränkung der Sprache, eher eine Entfesselung. Am Beispiel des Begriffes „biodeutsch“, aktuell Unwort des Jahres 2024, beschrieb Herr Griese einen Kampfbegriff der neuen Rechten.
Demokratie stirbt, wenn Demokraten die Augen verschließen. Der Verächtlichmachung der Demokratie müssen entschieden entgegengetreten werden. Die Lehre aus Ausschwitz sei, um eine pluralistisch freundliche Gesellschaft mit der Würde des Menschen als Kern des Grundgesetzes zu kämpfen.
herral, 28.01.2025