Hameln, 24.02.2024: Günter Bialkowski zum ersten „Tacheless“ Beitrag von DEWEZET Chefredakteur Thomas Thimm
Gewiss, wir Deutschen lieben es ordentlich! Und daran beißt auch kein Chefredakteur einen Faden ab. Nun ist er da, der erste DWZ-Newsletter „Tacheles! Post aus der Chefredaktion“. Und mein erster Eindruck: Ein wenig Ordnung schaffen möchte er schon der neue Chefredakteur Thomas Thimm auf dem verlotterten Informations- und Medienmarkt, auf dem sich die Marktanteile der Printmedien zu Gunsten von Facebook & Co. doch mächtig verschoben haben. Unbesehen davon, hat er natürlich recht, die dort betriebene Hetze haben aus den einst beliebten Medien, Tag heute – sehr unsoziale, ja Demokratie schädigende Medien entstehen lassen. Darüber hinaus könnte man ein höheres Anliegen vermuten, wird doch der Versuch unternommen, die vielschichtige Spaltung und Sprachlosigkeit unserer Gesellschaft durch klare Kante entgegen zu wirken?
Doch was hat den Chefredakteur geritten diese überhebliche Abschnittsüberschrift zu wählen: „Ohne Journalismus keine Demokratie“ weiss er doch, daß eine Demokratie kein statischer Begriff, sondern ein fortlaufender Prozess ist. Und dass es Demokratien auch schon ohne Journalismus gegeben hat. Da Hr. Thimm Sprachbilder liebt setze ich mal dagegen: Ohne Leser keine Zeitung! Und ich glaube, dass ich hier schon näher beim Thema bin, worum es ihm, den Journalisten und den Medien eigentlich geht.
„Wenn man wirklich mitreden will“, so Hr. Thimm, bedarf es einer gewissen Offenheit und Breite der Leserschaft journalistische Arbeit aufzunehmen, einzuordnen und zu verstehen. Allerdings macht er es sich an anderer Stelle etwas einfach, wenn er sagt „auftauchende Vorwürfe“ – sofern sie von allen Seiten kommen, empfindet er schon für seine DWZ als Indiz für ausgewogene Berichterstattung. Diese journalistische Floskel wird nicht wahrer, wenn man sie nur oft genug wiederholt!
Der Abschnitt „Politiker finden freie Medien oftmals schwierig“, scheint auch für Hr. Thimm etwas schwierig zu sein. Und so schreibt er nach breitem Ausholen „Passt irgendwie alles nicht so richtig zusammen, nicht wahr?!“. Für mich stellt sich die Frage noch etwas tiefer. Arbeiten die DWZ und die Redaktion am gleichen Geschäftsmodell? Oder anders gefragt, wo verortet sich die DWZ selber? Je nach gesellschaftlicher Frage- und Problemstellung kann man als Leser hier und da Orientierung finden. Auch in der politischen Farbenlehre ist ein Bemühen erkennbar, gemäß des eigenen Anspruchs eine „freie Zeitung“ zu sein, auch ausgewogen zu berichten, zu kommentieren. Allerdings mit Neigung nach rechtskonservativ. Dies ist häufig vom jeweiligen Mitarbeiter / Journalisten abhängig, konkret: wer darf was bearbeiten/schreiben und wer hat sich auf was spezialisiert? Die offenbare Trennung der Journalisten und Journalistinnen in lokale und überregionale Mitarbeiter finde ich nicht gelungen, weil hier viel Nähe zu den Lesern verloren geht. Überregionale Großthemen und Trends spielen heute mehr als früher direkt in die Hamelner Wohnzimmer. Wie da Hr. Thimm mit seiner Redaktion „Diskussionen anstoßen, Sichtweisen austauschen“ will, erscheint schwierig.
Als großes Manko empfinde ich und darunter leidet auch der neue DWZ-Newsletter, dass das Thema wirtschaftsliberal oder konservativ nicht richtig angesprochen, noch eingeordnet wird. Macht man sich als Leser einmal die Mühe eine Ausgabe nur nach wirtschaftlichen Themen abzusuchen, so wird man fast auf jeder Seite fündig. Häufig dominieren auch neo-liberale Beiträge. Dagegen ist aus demokratischer Sicht nichts einzuwenden, sind wir doch eine große Wirtschafts-Nation. Doch fehlt es hier an Transparenz, dies dem Leser auch offen einzugestehen. Und was noch wichtiger erscheint, die Nähe zur Wirtschaft, zum Mittelstand muss auch kritisch begleitet werden! Muss kontrovers, meinungsoffen kommuniziert und komplexe Themen in einer ländlichen Region textlich verständlich angeboten werden. Dies ist leider all zu häufig nicht der Fall. Hier- an dieser Stelle empfinde ich die Heimatzeitung DWZ ziemlich unfrei, das Bemühen nicht an zu ecken, niemanden in die Parade zu fahren ist all zu häufig spürbar. Dennoch Tacheles und klare Kante sind notwendig, selbst in einer mittleren Stadt wie Hameln, denn sonst entkommt man dem Vorwurf der Unglaubwürdigkeit nicht!
Der Chefredakteur hat m.E. eine große Chance. Wenn es ihm gelingt, mit seinem neuen Newsletter auch in diesem Bereich Tacheles zu reden, Missstände von unten, vom Bürger aus anzugehen, weniger Experten, Chefs etc. zu Wort kommen zu lassen, kurz – die Dominanz der gesellschaftlichen Häuptlinge auf Normalmaß zu reduzieren, könnte er vielleicht sein Ziel erreichen und sein Tacheles-Projekt kann „…helfen, Themen einzuordnen, Diskussionen anzustoßen u. Sichtweisen auszutauschen“. Das übergeordnete Ziel, Menschen unterschiedlicher politischer Positionen, Gruppen verschiedener sozialer, religiöser Couleur (wieder) miteinander ins Gespräch zu bringen ist richtig und dringend geboten!
So gesehen wünsche ich dem „Tacheles“-Projekt Erfolg, den Lesern einen informativen Zugewinn und unserem Gemeinwohl gruppenübergreifenden Austausch.
Günter Bialkowski
Wo hat es Demokratien ohne Journalismus gegeben? Da bin ich ratlos. Journalismus ist natürlich nicht konstituierend für eine Demokratie, aber historisch sicher erst in Demokratien zu seiner vollen Entfaltung gelangt.