Gastbeitrag: Klimaschutzmaßnahmen in einer Kommune: Ein Optimierungsproblem

Folgender Beitrag zu Hamelns Klimapolitik wurde am 14.08.2024 von Dr. Martin Lücke, CDU Ratsherr und Vorsitzender des Ausschusses für Umwelt, Nachhaltigkeit und Klimaschutz übersandt. U.a. werden Vorschläge für „Kriterien für die Priorisierung von Klimaschutzmaßnahmen“ aufgeführt.

Lesens- und diskussionswürdig:

Klimaschutzmaßnahmen in einer Kommune: Ein Optimierungsproblem

Der Klimawandel ist eine der größten Herausforderungen unserer Zeit. Die starken Stimmenverluste der Grünen bei der Europawahl könnten den Eindruck erwecken, dass die Lebensbedingungen unseres Planeten nachrangig geworden sind. Doch das ist ein Trugschluss, ebenso wie die Positionierung, dass eine Partei Klimaschutz durchsetzen kann.

Bei den großen Themen, wie die Sanierung unserer Sozialversicherungssysteme, Friedensicherung, aber eben auch Klimaschutz werden nur parteiübergreifende Ansätze erfolgreich sein können. Das kann nicht klappen, so lange das Thema zur Polarisierung genutzt wird. Kein Extremwetterereignis beweist den Klimawandel und Schadenfreude in politischen Debatten trägt nicht zur Lösung bei, sondern bringt nur „Klicks“. Wir brauchen eine sachliche Diskussion und entschlossenes Handeln auf allen Ebenen, um das 2-Grad-Ziel noch zu erreichen. Hameln hat bereits wichtige Schritte unternommen, und es liegt an uns, diese weiter voranzutreiben.

Klimaschutz beginnt lokal

Hameln wird das Klima nicht allein retten, doch lokales und nationales Engagement sind unverzichtbar für globale Klimaschutzanstrengungen. Ein bloßer Verweis auf den Anteil Deutschlands an den weltweiten Emissionen greift zu kurz. Wir müssen unser Handeln hier vor Ort in Einklang mit internationalen Zielen bringen. Glaubwürdige Maßnahmen stärken unser Mandat in internationalen Verhandlungen. Klimaschutz bekämpft eine wichtige Fluchtursache und ist auch günstiger als unsere Infrastruktur auf ein Extremklima anzupassen. Nur international können diese Ziele erreicht werden.

Lokal spielt die Klimafolgenanpassung die entscheidende Rolle. In Hameln ist ein Klimaanpassungskonzept in Arbeit, das uns helfen soll, die bereits spürbaren Folgen des Klimawandels zu bewältigen. So wird Hameln widerstandsfähiger im Hinblick auf die Folgen des Klimawandels, aber auch im Hinblick auf Wetterereignisse.

Gemeinsames Problemverständnis

In den letzten 20 Jahren wurde intensiv an einem gemeinsamen Verständnis der Klimakrise gearbeitet. Dieser Prozess ist essenziell, erhält jedoch oft wenig Anerkennung. Es ist falsch zu behaupten, dass in den letzten Jahrzehnten nichts passiert ist – es wurden wichtige Grundlagen geschaffen. Das Bruttoinlandsprodukt (GDP) ist seit 2005 gewachsen, während die CO² pro Kopf(capita) sich reduziert haben.

Bekanntlich reicht das bisher Erreichte nicht aus. Die globale Einigung auf Klimaschutzmaßnahmen erfordert weiterhin harte Arbeit und Zeit. Die Tatsache, dass wir nicht in der Lage sind, bewaffnete Konflikte in Europa zu vermeiden, spricht aus meiner Sicht dafür, dass wir die weltweite „Klimakrise“ auch nicht zeitnah lösen werden. Das entbindet uns aber nicht von der Verantwortung, daran zu arbeiten.

Positive Beispiele aus der Zeitgeschichte

Immer wieder werden Verhandlungserfolge erzielt, mit denen keiner gerechnet hat. Solche Beispiele bringen Hoffnung. Konfliktlösungen wie in Nordirland, die Vernichtung von Chemiewaffen in Syrien und die friedliche Wiedervereinigung Deutschlands zeigen, dass Konsens auch bei schwierigen Themen möglich ist. Solche Erfolge ermutigen uns, optimistisch in die Zukunft zu blicken und weiter an globalen Lösungen zu arbeiten. Auch beim Status quo kann man schon feststellen, dass es vielen Ländern gelungen ist, die Wirtschaftsleistung zu steigern und die CO²-Emissionen dennoch zu senken.

Priorisierung von Klimaschutzmaßnahmen

Klimaschutz sollte wie der Wunsch nach Frieden sein – ein gemeinsames Ziel, über dessen Umsetzung wir konstruktiv und kollektiv streiten. Der entscheidende Schritt ist die Priorisierung der Maßnahmen. Als Vorsitzender des Umweltausschusses möchte ich folgende Kriterien für die Priorisierung von Klimaschutzmaßnahmen in Hameln vorschlagen:

  1. Maßnahmen, die gleichzeitig auch einen Anpassungsvorteil an Klimafolgen bringen,
  2. Maßnahmen, die Erträge bringen oder finanzielle Einsparungen auslösen,
  3. Maßnahmen, deren Effekt sich mit der Zeit steigert,
  4. Maßnahmen, die zur Erreichung von Null-Emissionen geeignet sind.

Die Bewertung von Maßnahmen sollte das Verhältnis von Kosten und Klimaauswirkungen berücksichtigen. Neben wirtschaftlichen Aspekten müssen auch schwer quantifizierbare Effekte wie beispielsweise der Freizeitwert für die Bürger in die politische Abwägung einfließen.

Ein solcher Kriterienkatalog verhindert, dass einzelne Maßnahmen aus sachfremden Erwägungen herausgelöst werden und trägt zur Versachlichung der Debatte bei. Zu oft werden wahltaktische Erwägungen genutzt, um Maßnahmen zu bekämpfen oder zu fördern.

Anwendung an Beispielen konkreter Maßnahmenvorschläge

Ich möchte drei Beispiele aufgreifen und mich dabei auch auf das Klimaschutzkonzept (Vorlage 124/2023) beziehen:

Die Installation einer Großwärmepumpe mit Anschluss an die Weser (Gliederungspunkt 3.2.3 AP1). Großwärmepumpen sind auch in der Lage, hohe Vorlauftemperaturen mit einem hohen Effizienzgrad herzustellen. Gleichzeitig würde sich die Weser minimal abkühlen, was Vorteile für Tiere und Pflanzen haben kann. Das Potential steigert sich nicht über die Zeit, bleibt aber konstant und es handelt sich auch um eine Maßnahme, die zur Erreichung von Null-Emissionen geeignet ist. Damit sind die Punkte 2 und 4 voll erfüllt und die Punkte 1 und 3 nur in geringem Umfang.

Als zweites Beispiel möchte ich den Austausch einer alten Gas-Heizung durch eine neue Gas-Heizung anführen, weil es ähnlich zum Beispiel 1 ist. Dabei wäre kein Klimaanpassungsvorteil mit verwirklicht. Es gäbe eine Einsparung nach Punkt 2, weil die neue Gasheizung deutlich effizienter ist. Der Effekt ist auch konstant, also ein leichter Punkt 3, aber die Maßnahme ist kaum zum Erreichen von Null-Emissionen geeignet. Hameln liegt weit ab der derzeitigen Planung für ein nationales Wasserstoffnetz und angesichts der Preisentwicklung von Stromspeichern ist es auch wahrscheinlicher, dass wir grünen Strom eher verfügbar haben werden, statt grünem Wasserstoff. Punkt 4 wäre damit zumindest aktuell nicht erfüllt.

Als drittes – völlig anderes – Bespiel: Der Vorschlag des Klimaschutzkonzeptes (Gliederungspunkt 3.4.1. AP2) sieht mehr Radabstellanlagen vor. Hier fallen sichere Kosten und Emissionen für den Aufbau an. Einen Anpassungsvorteil für Klimafolgen gibt es nicht. Die Radabstellablagen müssen auch gewartet werden und bringen keine Erträge. Einen CO2 Vorteil gibt es dann, wenn deswegen Leute auf das Fahrrad umsteigen. Fahrradverkehr ist geeignet Null-Emissionen zu erreichen. Also haben wir keinen Vorteil für Punkt 1 und 3. Bei Punkt 2 einen negativen Effekt und lediglich Punkt 4 ist voll erfüllt. Man kann Fahrrad-Boxen immer noch ausbauen, weil wir eine Fahrradstadt sind und sein wollen, aber zur Klimaanpassung hat es keinen Effekt und für den Klimaschutz nur, wenn Leute umsteigen.

Fazit

Die Priorisierung von Klimaschutz- und Klimanpassungsmaßnahmen birgt komplexe und strategische Herausforderungen, die sorgfältige Abwägung erfordern. Durch die Anwendung eines klaren Kriterienkatalogs können Kommunen nicht nur zur Reduzierung von Treibhausgasemissionen beitragen, sondern auch die Anpassung an unvermeidbare Klimafolgen erleichtern und langfristige ökonomische Vorteile erzielen. Transparenz und Nachvollziehbarkeit solcher Kriterienkataloge erlauben uns, über alle Unterschiede hinweg weiter am Ziel einer lebenswerten Umwelt auch über politische Wandel hinaus zu arbeiten. So wird die Verfolgung langfristiger Ziele erleichtert und im Hinblick auf unsere Frage einerseits die Umweltbedingungen für unsere Bürger zu verbessert und andererseits die Akzeptanz dieser Maßnahmen erhöht.

Dr. Martin Lücke                                                                                       Hameln, 13.08.2024


Zum Autor: Dr. Martin Lücke ist Jurist mit eigenen Kanzlei. Beschäftigt bei der Deutschen Bank und seit der letzten Wahl Ratsmitglied für die CDU. Hier neben dem Vorsitz im Umweltausschuss auch Mitglied im Ausschuss für Kultur und in der Fahrradbegleitkommission.


Eigene Homepage mit Blogbeiträgen:

https://www.agileranwalt.de/blog


herral, 15.08.2024

2 Gedanken zu „Gastbeitrag: Klimaschutzmaßnahmen in einer Kommune: Ein Optimierungsproblem“

  1. Ich stimme zu, dass die Anpassung an den Klimawandel ein übergreifendes Thema ist wie die Friedenssicherung. Die Notwendigkeit der Einteilung von Maßnahmen in die vier vorgeschlagenen Kategorien erschließt sich mir (noch) nicht. Vielleicht würde ein Diagramm zur Visualisierung helfen? Mir stellt sich die Frage: Sind die Kategorien gleichwertig?

    1. Liebe Frau Wendling,

      vielen Dank für Ihre Anmerkung.

      1. Da die jeweiligen Kategorien auch mehr oder weniger erfüllt sein können (Beispiel: Etwas kann 100 EUR im Monat einsparen oder 100.000 EUR im Monat einsparen), ergibt aus meiner Sicht eine weitere Gewichtung der Kategorien selbst, keinen Sinn.

      2. Die Frage, was Kategorien sein sollten, kann Gegenstand des politischen Diskurses sein. Ich habe die vier Kategorien vorgeschlagen, weil das die Fragen sind, die ich mir bei neuen Maßnahmen stelle. Notwendig scheint mir, dass die Kategorien sich a) wenig überlappen und b) alle wichtig sind.

      Gerne können wir auch persönlich sprechen.

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