Kommentarbericht: Wie kommerzieller Journalismus Schwerpunkte legt. Negativbeispiele aus Hameln

Hameln, 16.09.2024: Einige persönliche Gedanken zum Journalismus vor Ort und insgesamt. Oder: Warum wir uns nicht wundern sollen, das die Welt ist, wie sie ist.

Natürlich sind die Ursachen vielfältig. Hier geht es um die Rolle des Journalismus anhand einige Beispiele aus der Lokalzeitung DEWEZET:

Zunächst ganz aktuell von heute: DEWEZET – 16.09.2024 – Überregionaler RND-Bericht auf Seite 12 (Niedersachsen):

a) einige unbekannte Sachbeschädiger beschmieren den Landtag mit Farbe

b) 12.000 Menschen besuchen den Tag der offenen Tür im Landtag. Im Innern gibt es ein vielfältiges Informationsangebot aller politischen Fraktionen, der Verwaltung und u.a. auch mehrerer Nds. Medienunternehmen. Sehr viele Menschen hatten sich hier sehr viel Mühe gemacht ein ansprechendes Programm zu bieten. Vor dem Landtag demonstrieren viele Menschen gegen Extremismus und AfD.

So allerdings verteilen sich die Berichtsanteile über dieses Ereignis in der DEWEZET vom 16.09.2024 (Niedersachsenteil):

Im Vordergrund steht der Extremismus – das Engagement der Menschen, die inhaltlich unserer Gesellschaft stützen, spielt keine Rolle. Was nehmen die Menschen von den Ereignissen über diese Art der Medienberichterstattung wahr? Empörung und Emotion. Die Menschen, die sich positiv für unsere Gesellschaft engagieren, werden aber mit Nichtachtung bestraft.

Beachte: DEWEZET und RND sind eigentlich keine Populismusmedien wie NIUS oder auch die BILD. Kommerzieller Journalismus aber passt sich wohl immer mehr deren Geschäftsmodell an.

Ich war am Samstag im Landtag in Hannover und habe auch überlegt, wie ich mit der Nachricht der Schmiererei umgehe. Mein Weg: https://hamelnerbote.de/archive/28360


Beispiel 2 – DEWEZET Berichterstattung zum Amokalarm im Schulzentrum Nord/EBS/AEG.

Die DEWEZET-Berichte vermischen Sachinformation mit emotionalisierter (unterhaltender?) Aufmachung. Im Fokus der DEWEZET steht das Spektakuläre, das Drama und die „starken Bilder“. Oftmals sind die Beiträge an den folgenden Tagen durch Wiederholungen aufgebläht.

Die Fotos bewaffneter Polizisten dienen selbst am 16.09.2024 Herrn Thimm als Berichtsaufmacher, sowohl auf der Titelseite wie im Hameln-Teil. Was soll das?

Weiteres Problem in der Welt der „Social Media“: Die Berichte der DEWEZET sind gewöhnlich hinter einer Bezahlschranke. Menschen, die kein Abo haben, sind in ihrer Meinungsbildung auf die Schlagzeile und den Teaser beschränkt. Bei der DEWEZET lautete dieser am 08.9.2024 : „Amokalarm in Hameln löst Ängste, Panikattacken, Weinkrämpfe und einen Großeinsatz aus. Liest man dann den Artikel, dann steht dort: „2000 Schülerinnen und Schüler waren betroffen, einige haben geweint, insbesondere die Jüngsten hatten Angst, bekamen Panik. Zwei Mädchen seien in einer psychischen Ausnahmesituation gewesen.“ Mit dieser Information ist die Schlagzeile einzuordnen. Ohne sie aber entsteht zumindest bei mir ein ganz anderes Bild im Kopf.

Wie alles auf Menschen wirkt, kann man in den Kommentaren zu den Artikeln bei der DEWEZET -Facebookseite nachlesen. Hier ein Beispiel für die zustimmenden Reaktionen (53 „gefällt mir“) für den Beitrag: „Da soll man seine Kinder noch ruhigen Gewissens in die Schule schicken!? Es ist grauenvoll was in den Schule abgeht!“

Ein Versuch von mir gegenzusteuern:

Dummerweise war der kommentierte Beitrag dann gar nicht mehr frei lesbar.


Wichtig: Die Ursache setzt der Täter – eine große Rolle aber spielt auch, wie die Tat in der Öffentlichkeit / den Medien dargestellt wird.


Dass Journalismus auch mit weniger Aufregung sachlich geht, zeigen am gleichen Fall die Berichte von Radio Aktiv oder NDR Niedersachsen.

Siehe beispielsweise: https://www.ndr.de/nachrichten/niedersachsen/hannover_weser-leinegebiet/Amokalarm-an-Schule-13-Jaehriger-als-Verantwortlicher-ermittelt,amokalarm118.html


Es ist ein bekanntes Geschäftsmodell, den Schwerpunkt auf negative Nachrichten zu legen. Die Wirkungen dieser Medienpraxis erleben wir mit einer zunehmenden Negativstimmung und einem Rückzug aus den konstruktiven Dialogformen.


Zur Fokussierung auf das Negative noch ein anderes konkretes Beispiel aus der DEWEZET:

In der Samstagsausgabe der DEWEZET vom 14.September 2024 lautet die Schlagzeile im Hameln-Teil auf Seite 13: „Brücken-TÜV urteilt: „Ungenügend“. Darunter ein Bild der Münsterbrücke in Hameln. Wenn man den Beitrag liest, erfährt man, das der Zustand der abgebildeten Münsterbrücke mit 1,9 (guter Zustand) bewertet wird. Auch die in der Schlagzeile mit „Ungenügend“ erwähnte Brücke in Rinteln (die älteste der Brücken zwischen Hameln und Rinteln) wird insgesamt mit Note 2,7 (befriedigender Zustand) eingeschätzt.

Wie begründet sich die Schlagzeile?

Nun, in Text heißt es dann, dass die Landesbehörde den Zustand der Brücke in Rinteln „In Teilen“ mit der Note 3,5 als ungenügend eingestuft habe. Also wird hier eine Teilbewertung zur Schlagzeile. Zudem ist der Begriff „Ungenügend“ im allgemeinen Sprachgebrauch mit der Schulnote 6 eingestuft.

Diese Form der Schlagzeilengestaltung ist unangemessen.


Ich könnte jetzt noch einiges zu den Tacheles-Newslettern schreiben. Erspare dieses aber allen.


#dewezetkorrektiv


Was ist zu tun? Die obige Kritik wurde bereits in anderen Beiträgen mehrfach angesprochen, doch eine Veränderung bleibt aus. Resignation ist jedoch keine Lösung, wenn einem das Wohl unserer Stadt am Herzen liegt. Der Verein Denkanstoß Hameln e.V. schlägt vor, eine neue lokale Nachrichtenplattform ins Leben zu rufen, die sich dem konstruktiven und gemeinwohlorientierten Journalismus in Hameln widmet. Alle, die mitmachen möchten, sind zu den Treffen herzlich eingeladen. Das nächste ist für Donnerstag, den 17. Oktober 2024, um 19:30 Uhr im Mitwirklabor von Smart City am Bahnhof geplant.

Ralf Hermes 16.09.2024

Nachtrag zum Amokalarm: Positiv herausstellen möchte ich (neben Radio Aktiv) besonders die Social-Media Arbeit der Stadtverwaltung Hameln. Hier wurden sehr schnell (!) und ruhige und sachliche Infos ins Netz gestellt, die in der ersten Informations-Chaos-Phase vorbildlich waren.

2 Gedanken zu „Kommentarbericht: Wie kommerzieller Journalismus Schwerpunkte legt. Negativbeispiele aus Hameln“

  1. Fand die Nachrichten der Stadt Hameln während und nach dem Amokalarm auch sehr informativ und der Lage angemessen.

    Die drei Beispiele aus der Dewezet finde ich inhaltlich bedenklich, da wirklich irreführend. Wahrscheinlich reines Click-Baiting, wie es auch sonst oft, z. B. bei t-online zu erleben ist.

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