Gastbeitrag: Wenn Kirchenpersonal auf devotes Verhalten trifft

Hameln, 30.06.2025: Günter Bialkowski schreibt:

Wieder einmal berichtete die DWZ am 25.06.25 von einem Kirchenskandal. Simon Benne beschreibt in seinem Beitrag „Versagen der Landeskirche“ den Missbrauchsskandal um Pastor Vollmer. Es geht um einen Fall, der schon etwas länger zurückliegt und wie Kirchenpersonal und Landeskirche Hannover mit der Aufarbeitung bis heute damit umgehen. Wer sich tiefer mit diesem Fall beschäftigen möchte, dem empfehle ich den Bericht noch mal zu lesen, ergänzend im Internet zu googeln.

Natürlich denke auch ich an die Opfer, ihnen muss Gerechtigkeit widerfahren. Kann die aussitzende, verzögernde Haltung der Kirchenleitung nicht verstehen. Zumal wir hier ein durchgehendes Muster in beiden großen Kirchen erkennen können. Deshalb geht mein Interesse hier in eine etwas andere Richtung. Ich möchte den Blick auf das Kirchenvolk, also auf uns selber, Eltern, Erziehende, Kinder, Jugendliche richten. Und natürlich auch die Presse mit einbeziehen und die Frage aufwerfen: Machen wir es den Täuschern, Tricksern, Verführern und Pädophilen in kirchlichen Diensten und Einrichtungen bei ihren übergriffigen Straftaten nicht zu leicht?

Und an die Presse gerichtet: Warum fällt es uns so schwer Priestern, Pastoren, Religionslehrern, Bischöfen, Kardinälen kritisch zu begegnen? Ist es die Aura, ist es der schwarze Rock, ist es anerzogener Gehorsam? Warum gibt es überhaupt diesen Vertrauensvorschub wenn es um Glaubensdinge geht? Besitzen Kleriker Macht und worauf gründet sie? Spielt die Psychologie hier mit herein? Häufig sind Kinder und Jugendliche betroffene Opfer. Gibt es hier vielleicht Eltern-Versagen? Liegt es an kirchlichen Strukturen / Hierarchien? Fragen über Fragen - die in diesem Missbrauchs-Zusammenhang in der Mitte der Gesellschaft endlich diskutiert werden sollten. Denn dieses Problem begleitet uns nun schon Jahrzehnte. Die Kirchen sind offenbar nicht in der Lage diesen Sumpf trocken zu legen, sind sie überhaupt gewillt die Aufarbeitung voran zu treiben?


Meine Wahrnehmung ist: Viele von uns zeigen hier ein devotes Verhalten, das wir uns in anderen Lebensbezügen nicht durchgehen lassen würden. Selbst Kirchenaustritte in großer Zahl bewirken kein Umdenken. Es wäre schön, wenn die DWZ diese Anregung aufgreifen würde, oder sind auch Teile der Presse devot / befangen? Andererseits wünsche ich mir hier im Hamelner Bote ganz im Sinne der Opfer einen regen Diskussionsaustausch. Machen wir uns locker, diskutieren wir frei zum Thema. Bedenken wir auch die laxe Haltung der Politik, niemand greift dieses Thema ernsthaft auf (devot oder Kalkül?).

Dabei sollten wir Grenzüberschreitungen vermeiden: Nicht das Kirchen-Aus sollte das Ziel sein, sondern die Reform des Sumpfes und die Einführung einer spürbaren Straf-Bewährung bei Verschleppung, Vertuschung und Aussitzen von Sexualdelikten durch Kirchenpersonal, gleich welchen Amtes. Denn die Kirchen werden in der Auslegung der Bergpredigt von Franz Alt heute - in einer herauf ziehenden digitalisierten Lebensweise mehr denn je gebraucht! Er schreibt u. a. „Die Bergpredigt handelt vom Anfang bis zum Schluss von unserer Welt.“

Günter Bialkowski

herral, 30.06.2025

Ein Gedanke zu „Gastbeitrag: Wenn Kirchenpersonal auf devotes Verhalten trifft“

  1. Danke für den Hinweis auf die Berichterstattung in der Dewezet. Um einige Fragen aufzugreifen: Natürlich spielen Psychologie und das Machtgefälle auch in diesem Fall eine große Rolle. Der längst verstorbene Täter galt als „Lichtgestalt“ und „charismatisch“. Die Menschen, die er missbrauchte, hatten eine starke emotionale Bindung zu ihm, kamen nicht von ihm los, ließen ihn sogar in andere enge Beziehungen hineinregieren und brachen Kontakte auf sein Geheiß ab. Das ist schon eine sehr große manipulative Macht.
    Was Menschen davon abhält, solche Taten zur Anzeige zu bringen oder intern zu melden, sind die Fragen: Wird mir geglaubt? Wird mir geholfen? Was passiert mir und anderen, wenn ich offenbare, was geschehen ist? Wem kann ich vertrauen?
    Dafür braucht es verlässliche Strukturen, Abläufe und Ansprechpartner, die bekannt sind. Hierüber sollten die Medien berichten. Nicht nur im kirchlichen Bereich, sondern auch im Sport, in der Jugendhilfe usw. Überall wo es ein Machtgefälle gibt, wo Menschen zu anderen Menschen aufschauen, gibt es die Gefahr, dass Vertrauen und Bewunderung ausgenutzt werden. Es gibt eben keine „Lichtgestalten“ unter uns. Wo viel Licht ist, ist auch viel Schatten. Die Sehnsucht nach dem idealen Vorbild oder Partner ist da, aber nicht erfüllbar. Das sollten wir alle erkennen.

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