Tjark Bartels – der personifizierte Böse? Framing und Emotionen. Ein Kommentar mit Bewertung von Zeitungshandeln. (#dewezetkorrektiv)

„Bitte nicht!“ Erschrecken, zunächst Unverständnis und auch Angst waren meine ersten Emotionen, als ich davon hörte, dass Tjark Bartels beantragt hat, seine Erkrankung als Dienstunfall anerkennen zu lassen.

Diese Benzineinspritzung in einer auf eine Höllenfeuer hochgeschriebene emotionale Situation eines Teils der Hamelner Meinungswelt brauche ich nicht.  Allen im Missbrauchsfall Lügde zu entwickelnden Gefühlen von Abneigungen, Verurteilungen und Hass waren in den letzten Monaten durch eine beispiellose Presseberichterstattung auf die als Hauptschuldigen fokussierte Person des ehemaligen Landrates projiziert worden. Soviel der Vorrede. Jetzt zur konkreten Gegenrede.

Schauen wir noch einmal aufs Detail im „Dienstunfall-gate“. Versuchen wir mal die Emotionen auszublenden.

Die Behandlung von Dienstunfall- und Krankheitsangelegenheiten ist immer eine vertrauliche Personalsache. Aus diesem Grunde werden solche Sachverhalte in nichtöffentlicher Beschlussfassung beraten. Details der Krankengeschichte gehen grundsätzlich niemand etwas an.

Das ist die eine Seite. Wenn durch Indiskretion und Rechtsbruch vertrauliche Papiere an die Presse durchgesteckt werden, ist es durchaus üblich, daraus Veröffentlichungen zu machen. „Gerechtfertigt“ mit der Begründung des öffentlichen Interesses an einer öffentlichen Person. Stichwort Pressefreiheit. Außerdem gibt es eine wirtschaftliche Attraktivität im Veröffentlichen vermeidlicher Skandale.

Die Sache aber hat einen entscheidenden Haken. Es gibt kein Informationsgleichgewicht. Was Herr Thimm aus dem ihn zugespielten vertraulichen Unterlagen veröffentlicht und was nicht, ist seinem Gutdünken überlassen. Niemand kann/darf die vollständigen Unterlagen veröffentlichen, ohne sich strafrechtlichen Verfehlungen schuldig zu machen. 

Aufgrund der Geschichte der Veröffentlichungen im Fall Bartels/Lügde spreche ich aber der DEWEZET-Chefredaktion das Vertrauen in einer unabhängige / neutrale Informationsweitergabe ab.

In diesem Kontext gesehen, hat die Erklärung von Tjark Bartels eine besondere Bedeutung. Hier verteidigt sich ein kranker Mann.

Man braucht kein Hellseher zu sein, um zu prognostizieren, wie es jetzt weitergeht. Die DEWEZET wird das „Skandalthema“ Stück für Stück weiter hochkochen. Die emotionale Situation ausnutzen und den politischen Akteuren, die daraus Gewinn ziehen wollen, ungehindert das Wort geben.

Eigentlich ist die Sachlage ganz einfach. Eine juristische Bewertung von Fachleuten zur rechtlichen Frage des Dienstunfalles.


Alles ist in einem Zusammenhang zu sehen. Daher noch einmal die Basis zur Bewertung der Sachlage „Lügde/Bartels“ aus meiner Sicht:

  1. Der Haupttäter im Missbrauchsfall Lügde wurde zu einer langen Haftstrafe mit anschließender Sicherheitsverwahrung verurteilt. Er ist der Schuldige.
  2. Die Strafverfahren gegen Mitarbeiter des Landkreises im Fall Lügde wurden eingestellt. Sie trifft keine direkte Schuld am Leid der Kinder. Die Landkreismitarbeiter haben durchaus Verantwortung für ihr Handeln. Verantwortung und Schuld ist etwas Verschiedenes. Genau so gibt es einen deutlichen, auch moralischen Unterschied zwischen Vorsatz (mit Wissen und Wollen) und Fahrlässigkeit (Außerachtlassen der Sorgfältigkeit)
  3. Der Landrat Tjark Bartels hatte eine übertragene Verantwortung. Es war bei den Entscheidungen der Landkreismitarbeiter politisch/aufsichtsrechtlich zuständig. Nicht für die Entscheidungen im Einzelfall, sondern für die Gesamtlage. Bartels persönlich hat an keiner der Fehlentscheidungen, die dazu führten, dass der Täter so lange agieren konnte, eine persönliche Beteiligung gehabt. Bartels trägt zudem keinerlei Verantwortung am Handeln der Polizei oder der Verwaltung im Kreis Lippe.
  4. Sicherlich hat Tjark Bartels Fehler gemacht. Die Dimension der Kritik gegen ihn steht für mich aber in keinerlei Verhältnis zu diesen Fehlern. Hier wirkt ein für mich unverantwortliches Medienhandeln / Fraiming. Ich habe hier im Boten unter #dewezetkorrektiv mit div. Berichten diese Meinung begründet. Die Zeitung publiziert direkt und indirekt mit gehirnwäscheänlicher Dauerwiederholung eine persönliche Schuldzuweisung. Zudem besteht ein Angstraum, der Versuche der Objektivierung und Versachlichung sofort sabotierte. Die Redaktion ahndet Kritik an ihr sofort öffentlich. Unverantwortlich ist zudem die bewusste  oder zumindest billigend in Kauf genommene Koalition zwischen unsachlichen Facebook-Hatern und dem lokalen Hauptmedium.
  5. Tjark Bartels ist am Mediendruck und an der den damit verknüpften Anfeindungen sowie fehlender Rückendeckung erkrankt und zerbrochen. Bartels ist kein Täter, sondern Opfer. Ein Opfer, das versucht, noch ein Stückchen seiner Würde zu wahren. Ein kranker Mann, der mittlerweile mit Tunnelblick gefangen ist in seinem eigenen Absturz. Ein Mann mit einer einer Krankheit, die medizinisch anerkannt aber gesellschaftlich von einem weitgehend ungestört und laut krakeelenden Facebookmob (aber es ist nicht nur Facebook) verachtet wird.

Nochmal: Der Mann ist krank! Ein politisches Gespür und eine Bewertung, was sein Handeln nach außen für andere bewirkt, hat er nicht mehr.


Worum es mir eigentlich geht ist auch nicht primär Tjark Bartels. Ich bin mit ihm nur entfernt bekannt, vielleicht weitläufig befreundet. Der unfaire Umgang mit ihm macht mich zornig.

Viel größer ist meine Sorge über den zerstörerischen Missbrauch von Medienmacht, der von der DEWEZET hier exekutierend gebraucht wird. Hier werden Grundsätze unserer politischen und gesellschaftlichen Kultur im Umgang zerstört. Wir hatten so etwas schon einmal. Zwischen 1919 und 1933 in der Weimarer Republik.

Wie sich wehren? Die DEWEZET-Chefredaktion wird nicht im Ansatz von ihrem bisherigen Kurs abweichen. Ich erlebe sie als gegen Kritik unantastbar. Sie kämpft zudem wirtschaftlich mit dem Rücken an der Wand gegen wegbrechende Abonnementen und Anzeigenkunden. Der Lösungskurs der Zeitung ist anscheinend Populismus, polarisieren und durch das Schüren von Konflikten interessante Schlagzeilen zu schaffen. Die Vergiftung unseres gesellschaftlichen Klimas nimmt sie billigend in Kauf. Das sich die vernünftigen Menschen mit Grausen abwenden und die Beifallklatscher bei Facebook die Zeitung gar nicht lesen, das ist meine These. Die Zeitung macht sich mit diesem Stil selbst kaputt.

Auf einen persönlich hat die Zeitung nur Einfluss, wenn man sie liest. Sie kann nur weitermachen, wenn man ihr für ihr Handeln Geld gibt.  Sie behält ihr „Autorität“ nur dann, wenn sich niemand traut, ihr öffentlich zu widersprechen.

Mein Ansatz zu Anfang des Hamelner Boten war, über #dewezetkorrektiv eine Gegenmeinung zu veröffentlichen, die die DEWEZET-Verantwortlichen vielleicht zum Nachdenken über das eigene Handeln bringt. Dieser Ansatz ist gescheitert.

Wichtig: Das Problem der DEWEZET-Berichterstattung ist nicht mein persönliches Problem, sondern betrifft alle. Daher nochmal der Aufruf, sich gemeinsam Gedanken zu machen, wie eine alternative Nachrichteninformation für Menschen zu gewährleisten ist, die die Welt in Hameln nicht ausschließlich durch die Brille von Frau Niemeyer oder Herrn Thimm gezeigt bekommen wollen.

Die Demokratie lebt von verschiedenen Meinungen. Das ist ein Wesensmerkmal der Demokratie. Regierung und Opposition. Rede und Gegenrede. Kommentar und Gegenkommentar. DEWEZET und Hamelner Bote oder was auch immer.

Wie kann man auch nur annähernd ein Informationsgleichgewicht wiederherstellen?

Ralf Hermes, Hameln, den 03.07.2020

Zum Schluss – bitte:

  1. Helfen Sie dem Hamelner Boten bekannter zu werden. Teilen Sie die Beiträge, geben sie den Link mit dem Hinweis auf die Internetseite an Freunde weiter.
  2. Helfen Sie dem Hamelner Boten besser zu werden. Geben Sie Rückmeldungen. Öffentlich unter Kommentare oder direkt per Mail, Telefon oder persönlich.

Danke

2 Gedanken zu „Tjark Bartels – der personifizierte Böse? Framing und Emotionen. Ein Kommentar mit Bewertung von Zeitungshandeln. (#dewezetkorrektiv)“

  1. Dass die Dewezet so ist, wie sie ist, ist allgemein bekannt. Deshalb bezahle ich nicht dafür, sie zu lesen. Wo die notwendige verlässliche und neutrale lokale Berichterstattung herkommen soll, weiß ich leider auch nicht. Gibt es die überhaupt noch irgendwo?
    Danke für die die Zusammenstellung der Fakten. Das hilft, den Durchblick zu behalten.
    Unnötig und sogar schädlich finde ich allerdings Ihre Darstellung von Tjark Bartels als krankem Mann mit Tunnelblick, der nicht mehr weiß, was er tut! Ich finde seine Erklärung souverän und sehr passend. Auch Sie sollten nicht über seinen Gesundheitszustand spekulieren und ihn und seine Handlungen abwerten. Er tut, was er für richtig hält und das ist sein gutes Recht.

    1. Danke Frau Wendling für die Mahnung ins Sachen Tjark Bartels. Das er sich so verhält ist unbestritten sein Recht. Abwerten möchte ich ihn in keinem Fall. Politisch aber hat seine Handeln natürlich Wirkungen – es ist mittlerweile sehr schwierig noch sachlich über das Thema zu sprechen. Insofern wäre es taktisch wünschenswerter gewesen, wenn er einfach „klein bei“ gibt und dieser „Aufruhr“ jetzt nicht tagelang die Blätter füllt.

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