Am 12. Mai 2020 berichtet die DEWEZET auf der Titelseite: „Fall Lügde: Aussage unter Tränen“. Hintergrund sind Aussagen im NRW-Untersuchungsausschuss im Kindesmissbrauch. Am 16. Mai dann auf Seite 24 (Aus der Region) ein umfangreicher Bericht. „Keinen Verdacht geschöpft.“ Am 23. Mai 2020 auf der Titelseite: „Schweigen Hamelner im Zeugenstand?“ und einen Folgebericht auf Seite 16 „Sich selbst belasten will keiner“.
Die Berichte behandeln einen Sachverhalt, der in der Hamelner Tageszeitung mit einer bisher nicht gekannten Berichtsdichte ,und einer meiner Ansicht einseitigen und verurteilenden Wertungstendenz behandelt wird. Unter #dewezetkorrektiv habe ich versucht auf diese Entwicklung hinzuweisen. Die Berichterstattung hat die sachliche Distanz, wie auch die Fairness im Umgang mit den Mitarbeiterinnen der Verwaltungen verloren.
Im redaktionellen Beitrag des Samstagsberichtes heißt es: „Der Glaube, die Justiz werde Licht ins Dunkel bringen, zerschlug sich schon im März. Da teilte die Staatsanwaltschaft Detmold die Einstellung der Ermittlungen gegen mehrere Jugendamtsmitarbeiter mir. Seither ruht alle Hoffnung auf die Politik.“
Über die Art und Weise, wie die DEWEZT über die Bewertung und Entscheidung der Justiz zum Handeln der Behördenmitarbeiter berichtet hat, habe ich in dem Beitrag „Schlussstrich? Zum Verfahrensabschluss gegen Behördenmitarbeiter*innen im Fall Lügde.“ die Daten zusammengetragen.
Die juristische Bewertung braucht nicht gefallen, sie ist die Entscheidung unsere rechtlichen Instanzen auf Grundlage der Regeln unseres Rechtsstaates. Sie kann durchaus auch kritisch hinterfragt werden. Aber das Grundprinzip – Recht spricht das Gericht und nicht die Zeitung, sollte bewahrt bleiben. Dieser Rechtsstaat sorgt mit seinen Regeln aus guten Gründen dafür, das Angeklagten ein faires Verfahren bekommen. Einen ähnlichen Anspruch im Umgang muss in unserm Rechtssystem auch von den professionellen Medien erwartet werden. Das unterscheidet eine Zeitungsredaktion, von den Kommentarschreibern auf Facebook.
Die Verantwortlichen der DEWEZET stellt sich mit ihrer Art der Berichterstattung im Fall Lügde über das Recht. Sie erzeugen ein Klima, welches Sorgen macht. Hierzu genügt ein Blick in die Kommentarspalten bei Facebook zu dem Bericht vom Samstag.
Aber es gibt noch eine andere Dimension, die die Redaktion m.E. falsch bewertet. Neben der „Volkszornfraktion“ die sich im Fall Lügde fortlaufende in ihrer Weltsicht bestätigt fühlen wird, gibt es Menschen, die dieser Form emotionalisierter Tendenzberichterstattung zuwider ist. Eine Redaktion, die mit solchen Mitteln arbeitet, verliert ihre Glaubwürdigkeit als Nachrichtenmedium. Vertrauen aber, in die Seriosität einer Quelle ist unabdingbare Voraussetzung dafür, für dieses Medium Geld zu bezahlen.
Es mag viele Gründe für den Niedergang der Tageszeitungen in Deutschland geben. Konkret für Hameln gesehen, begründet sich für mich der Sinkflug in Auflage und Abonnentenzahl der DEWEZET auch in dem Qualitätsverlust der inhaltlichen Berichterstattung. Dieser wird anschaulich im Übermaß und Stil der Berichterstattung im Fall Lügde.
Zur Lage der Zeitung derzeit:
Die DEWEZET verlor demnach von 01/2019 bis zum ersten Quartal 2020 5,51 Prozent ihrer Druckauflage (=2.610 Exemplare). Die Zahl der Abonnementen sank für die gedruckte Auflage um 1.964 Kunden. Nur 333 davon wechselten in ein Digitalabbo. 1631 „Stammkunden“ wandten sich im Jahr 2019 ganz von der Zeitung ab.
Selber bin ich seit ca. 1987 Abonnent der DEWEZET. Ich überlege regelmäßig, auch auszusteigen. Was mit hindert: Ohne lokale Nachrichten ist lokale Politik, lokales Gemeinschaftswirken nicht möglich. Hier ist eine professionelle Zeitung unabdingbar wichtiges Instrument, ein Standortvorteil für eine Region und eigentlich auch Basis für eine demokratische Meinungsfindung. So versuche ich weiter durch „Leserrückmeldungen“ mit #dewezetkorrektiv einen Beitrag zum lokalen Nachrichtenwesen zu leisten.
Welche Sichtweise richtig(er) ist – kommt immer auf den Standpunkt des jeweiligen Lesers an. Allen wird es eine Zeitung, aber auch ein Blogbeitrag nie Recht machen können. Über die Themen sachlich zu streiten und mit Argumenten zu diskutieren, ist wichtiger denn je.
Ein anderes Informationsmedium zur Meinungsbildung: Radio Aktiv berichtet am 23.05.2020 zur aktuellen Frage: „Landkreis Hameln-Pyrmont: Jugendamtsmitarbeiter verweigern Aussage: Warum Mitarbeiter des Jugendamtes Hameln-Pyrmont von ihrem Recht Gebrauch machen, im Untersuchungsausschuss nicht auszusagen, berichtet Anton Posnak…“
Ralf Hermes, Hameln, den 24.05.2020
Siehe auch:
Der Medien bzw. Printmedien versuchen auch nur zu überleben.. also es geht im Endeffekt um Kohle …. Das Niveau was die Medien mittlerweile liefern, lasst mich nicht wundern, das es mit denen zu recht, wie ich finde, den Bach runter geht.
Zum Thema Abo nicht kündigen u.a. Warum nicht aktiv werden und was eigenes auf die Beine stellen, wie zb. eine Bürgerzeitung, wie ich dies mal für mein Ort tat ? Das ist manchmal interessanter und ehrlicher als die Bezahlmedien !
Gruß
Dennis