Ein Kommentarkommentar zur DEWEZET vom 16.2.2019
Wenn zu einem lokalen Geschehen auf der Titelseite der DEWEZET die Chefredaktion der Zeitung einen Kommentar verfasst, so ist das etwas Besonderes und man sollte genauer hinschauen.
Ich bitte darum genau auf die Wortwahl des Verfassers zu achten.
Laut Thomas Thimm hat:
- Der Landrat „den Eindruck zu erwecken versucht“
- Zugegeben, dass in seiner Behörde „übel geschlampt“ wurde
- Schon der erste öffentliche Umgang … „war nicht so, wie man es sich gewünscht hätte“…
- Bartels … formal-bürokratisch … solange keine Fehler bewiesen sind, wurden auch keine gemacht … funktioniert nur als Behördenchef…. hat komplett danebengelegen …hätte Empathie zeigen…
- Irgendwas ist „verdammt schiefgelaufen“ … irgendwas haben „auch die Behörden falsch gemacht“…
- Dann Fragen: Welche Akten wurden frisiert? Wie viele? Über welchen Zeitraum? Wann, für welchen Zeitpunkt?
- „Alles Fragen ohne Antworten… Denn es gehört zur Unprofessionalität des Kreishauses, dass Nachfragen unerwünscht sind: Mit dem Versenden der Pressemitteilung hieß es am Mittag, man möge von weiteren Anfragen absehen.“
- „So darf man nicht mit der Öffentlichkeit umgehen.“
Der vollständige Kommentar ist online frei nachzulesen unter: https://www.dewezet.de/redaktionskommentare_artikel,-frisierte-akten-_arid,2524015.html
Für mich ist der Kommentar von Herrn Thimm
- in einem Punkt richtig: „Wir alle müssen die Ermittlungsergebnisse von Staatsanwaltschaft und Polizei abwarten.“
- Ansonsten aber eine vorschnelle, unsachliche Verurteilung mit Anzeichen von persönlichen Aversionen gegen den Landrat / die Kreisverwaltung und
- am Ende offenbart sich als Auslöser/Motiv eine Kränkung der Chefredaktion, die sich nicht hinreichend informiert fühlt.
Begründung:
Fangen wir mit Punkt 3. an: Herr Thimm bemängelt, dass Detailfragen zum Vorfall „Freisetzung“ nicht sofort beantwortet wurden. Diese Kritik ist unberechtigt. Der unveränderte Wortlaut der Pressemitteilung des Landkreise ist hier nachzulesen: http://www.weserbergland-nachrichten.de/component/content/article/1–weserbergland-nachrichten/13908-2019-02-15-16-58-57
Daraus ergibt sich, dass sofort gehandelt und auch sofort informiert wurde. Der Vorgang ist ganz aktuell. Auch hier braucht es jetzt Zeit, ihn zu bewerten und aufzuklären. Zudem ist ein Ermittlungsverfahren anhängig. Ferner steht noch nicht fest, in welcher Tiefe ein Fehlverhalten des Mitarbeiters tatsächlich vorliegt. Es gibt einen Anfangsverdacht, der sich bisher lediglich auf eine offensichtliche Rückdatierung als Fehlverhalten festmacht. Es ist recht und billig, dass Details und Interna nicht an die Presse gegeben werden, wenn eine weitere Prüfung noch aussteht. Die Freistellung des Mitarbeiters ist ein harter Schritt. Mit dem Sachverhalt schon zu diesem Zeitpunkt in die Öffentlichkeit zu gehen, ist keinesfalls selbstverständlich. Die Presseerklärung des Landkreises gilt für alle Medien gleich. Für mich offenbart sich gerade in den letzten Kommentarsätzen eher ein Anspruch, dass die Redaktion der DEWEZET zusätzliche Informationen einforderte und mit dem Kommentar die Ablehnung sanktioniert. Das Göttinger Tageblatt z.B. berichtet: „Behörde gibt vorerst keine weiteren Details bekannt. Worum es im Einzelnen ging, wollte die Behörde am Freitag nicht erläutern. Vor Montag gebe es keine genaueren Erkenntnisse zu dem Vorfall, hieß es.“ (http://www.goettinger-tageblatt.de/Nachrichten/Panorama/Missbrauchsfall-Luegde-Jugendamt-stellt-Mitarbeiter-frei)
Zum Punkt Emotion. Bei dem Ausgangssachverhalt sind starke Emotionen im Spiel. Ich habe den Eindruck, dass es ein besonderes Interesse gibt, den Landkreismitarbeitern ein Fehlverhalten nachweisen zu wollen. „Irgendetwas“ vorwerfbares muss doch passiert (zu finden) sein. Das wird aus Thimms Zeilen für mich als Leitthese deutlich. Jetzt endlich hat man etwas und schlägt sofort und mit aller Macht (auf der Titelseite der Zeitung) drauf .
Zusammenfassung/Fazit:
Der Kommentar von Herrn Thimm ist für mich eine undifferenziert vorverurteilende Meinungsäußerung, welche die Wutbürgermentalität anspricht und in den asozialen Teilen der sozialen Medien dankbar aufgenommen werden wird. Er wäre an sich bedeutungslos, wenn es sich um die Einzelmeinung eines Bürgers handeln würde. Die Meinung aber, in der Rolle als Chefredaktion auf der Titelseite veröffentlicht, ist anders zu bewerten als wenn jemand bei Facebook eine Kommentar schreibt.
Ich wünsche mir hier einen anderen Stil meiner Heimatzeitung.
Wichtig ist mir noch ein Statement in Richtung der bei der DEWEZET arbeitenden Menschen:
An der grundsätzlichen Berichterstattung zu diesem Fall, auch in der heutigen Ausgabe, habe ich nichts zu kritisieren. Mein Eindruck ist, dass hier sachlich und objektiv die Sachverhalte dargestellt werden. Es ist Aufgabe und Recht der „vierten Gewalt“ im Staate, kritisch zu hinterfragen, nachzuhaken und unbequem zu sein. Aufpassen muss man, dass man nicht zu früh und zu heftig draufschlägt. Die Öffentlichkeit verlangt Aufklärung auch zum Behördenhandeln. Die ursprünglich und hauptverursachend agierenden Täter sitzen zur Zeit in Haft. Beurteilungsgrundlage für das Verhalten der Behördenmenschen muss das Wissen zum Zeitpunkt der Entscheidung sein. Ist zu diesem Zeitpunkt etwas falsch entschieden worden, dann ist das zu bewerten. Insofern ist die Rückdatierung eines Vermerkes von besonderer Bedeutung. *
Nur ein Beispiel: Verleihen Sie jemanden Ihr Auto und der fährt damit betrunken und rücksichtlos ein Kind tot, so ist der Fahrer der Schuldige. Ihnen wird man die Frage stellen, ob Sie wussten, dass der Mann betrunken ist und generell rücksichtslos fährt. Als Halter des Autos haben Sie eine besondere Verantwortung. Wenn Ihnen zum Zeitpunkt der Schlüsselübergabe nichts bekannt war, Sie es gar nicht hätten wissen können, dann trifft Sie keine Schuld. Wahrscheinlich würden sich dennoch viele von uns trotzdem Vorwürfe machen. Ein Kind ist tot. Wenn dann noch eine breite Berichterstattung in den Medien erfolgt, ist das zusätzlich belastend.
Das gilt hier auch für die Menschen in den betroffenen Jugendämter. Menschen, die ihren Beruf als Sozialarbeiter gewählt haben, weil sie anderen helfen wollen. Wenn da Fehler passiert sein sollten, wäre das schlimm. Aber in einen Topf mit den Tätern, die derzeit in Haft sitzen, sollte man die Menschen der Verwaltung auf keinen Fall werfen.
Zur Bewertung des Handelns und später der Schuld gibt es in unserem Staat Profis. Staatsanwälte und Richter, die sich der polizeilichen Ermittlungsbehörden bedienen. Solche Prüfungen brauchen Zeit bis alle Fakten auf dem Tisch liegen. Bis dahin braucht man bei aller Dramatik der Ereignisse Geduld.
Ralf Hermes
* dazu schreibt das Westfalenblatt: „Die Aktenmanipulation war wahrscheinlich ohnehin untauglich, denn die Ermittler haben sich schon vor längerer Zeit alle relevanten Akten der Jugendämter Hameln-Pyrmont und Lippe fotokopiert.“ Siehe: https://www.westfalen-blatt.de/OWL/Missbrauchsfall-Luegde/3655743-Missbrauchsfall-Luegde-Mitarbeiter-des-Jugendamts-Hameln-Pyrmont-freigestellt-Akte-im-Amt-manipuliert
Bericht als PDF: https://hamelnerbote.de/wp-content/uploads/2019/02/2019-02-17-HM-Bote-Kommentarkommentar-Bartels-Thimm.pdf
3 Gedanken zu „Chefredaktion THIMM gegen Landrat BARTELS – hier liegt einer falsch! Klare Widerworte und ein Aufruf zur Mäßigung!“