Zusammen getragen von Karsten Holexa
In Deutschland werden in jeder Sekunde 7 m² Boden verbraucht.
Aus Ackerland, Wiese, Wald oder Garten wird dann Beton, Pflaster, Asphalt, Schotter oder es werden Gebäude errichtet. Im Jahr sind das rund 22.000 Hektar, also 220 Quadratkilometer. Eine Fläche etwas größer als Hannover (204 km²).
Der BUND nennt diese Entwicklung das große ungelöste Umweltproblem, da von diesen Flächen Tiere und Pflanzen verdrängt werden, bzw. ihr Lebensraum komplett verloren geht. Der Flächenverbrauch ist eine der Ursachen für das Artensterben, in Deutschland und in Europa.
Der Wohnungsbau ist in Deutschland der größte „Landschaftsfresser“, noch vor dem Straßenbau, so Experten.
Die Politik in Deutschland will Wohnraum bauen. Die Mieten in den Ballungszentren explodieren und das nicht nur dort. Bundestag und Bundesrat haben daher in den letzten Jahren das Baugesetz so geändert, dass Baugebiete fast ohne Umweltauflagen ausgewiesen werden können, sagen Umweltverbände (siehe §13b Bundesbaugesetz).
Allerdings haben diese Gesetzesänderungen nicht zum vermehrten Bau von Sozialwohnungen geführt, was eigentlich beabsichtigt war. 80% der Häuser, die durch die Gesetzesänderungen gebaut wurden, sind hingegen Einfamilienhäuser von Besserverdienenden.
Das Umweltbundesamt und der Umwelt-Sachverständigenrat wollen den Flächenverbrauch stoppen: Immer mehr Bodenverbrauch führt bei den Landwirten dazu, dass sie mit weniger Land auskommen müssen. Das wiederum führt zu einer immer intensiveren Bewirtschaftung der verbleibenden Flächen und dem verstärkten Einsatz von Pflanzengiften. Die Zahl der Fluginsekten ist um bis zu 70% zurückgegangen. Vögel haben keine Nahrung mehr: Einige Arten (z. B. Kiebitze, Feldlärchen) sind um 80% reduziert.
Der WWF sieht in keinem Land der EU die Natur so unter Druck wie bei uns. Demnach gelten 70% aller natürlichen Lebensräume in Deutschland als gefährdet.
Die Problematik wird immer sichtbarer. Die Grünen hatten den Flächenverbrauch im Wahlkampf im Jahr 2018 zur Bayrischen Landtagswahl zum Thema gemacht. Sie erreichten landesweit 17,5% der Stimmen. Kaum ein Baugebiet kann inzwischen ohne Bürgerproteste ausgewiesen werden. Alternativen werden gesucht.
Die Dörfer und auch Städte verdorren im Inneren und sind unbelebt. Fachwerkhäuser verfallen, Geschäfte stehen leer, während die Ränder immer weiter in die Landschaft wachsen. Warum also nicht diesen alten (Wohn)raum wieder beleben und Baulücken schließen? Sollen Kommunen leerstehende Häuser aufkaufen und renovieren? Eine Initiative im Raum Reutlingen konnte der Politik ca. 85.000 m² aufzeigen, die in den Orten ungenutzt waren. Wie sieht das hier in Hameln aus?
Von 1993 bis 2018 stieg die Einwohnerzahl in Deutschland um 2 Millionen. Im selben Zeitraum wurden 7 Millionen neue Wohnungen gebaut. Im Jahr 1960 lebte ein Bundesbürger auf 19 m², 1998 waren es 39 m², jetzt sind es ca. 50 m².
Singlehaushalte haben den Flächenbedarf extrem ansteigen lassen. Bei alleinstehenden Senioren liegt der genutzte Wohnraum zwischen 60 bis knapp 100 m². Einige Kommunen überlegen daher gezielt Mehrgenerationswohnen anzubieten.
Kleine Gemeinden sind meist überaltert. Die Einwohnerzahlen sind rückläufig. Das führt fast unausweichlich dazu, dass ihnen auch die Infrastruktur verloren geht. Supermärkte schließen, ebenso wie Apotheken, Arztpraxen, Postämter oder Bankfilialen. Sportvereine und Feuerwehren leiden unter Nachwuchsmangel. Gemeinden müssen Sporthallen schließen, weil sie fast nicht mehr genutzt werden.
Andererseits finden junge Familien in den Ballungszentren immer schwerer bezahlbaren Wohnraum.
Und so kommen zwei Entwicklungen zusammen, welche die Gemeinden auf dem Land dazu verleiten neue Baugebiete auszuweisen. In der Rheinebene wurden mancherorts in den letzten Jahren 80% der Äcker zu Baugebieten.
Der Sachverständigenrat für Umweltfragen empfiehlt der Bundespolitik folgende Lösung.
Deutschland ist fast das einzige Land in Europa in dem Gemeinden für das Ausweisen von Baugebieten die alleinige Verantwortung tragen. Im sogenannten „Flächenkreislaufmodell“ gibt der Bund jährlich vor, wieviel Landschaft überbaut werden darf. Diese Vorgabe wird auf die Bundeländer heruntergebrochen. Gemeinden müssen dann ihre Baugebiete vom Land genehmigen lassen, bzw. sie erhalten Flächenzertifikate, mit denen sie untereinander handeln können. Dieses Vorgehen wurde in Planspielen vom Bundesumweltamt mehrfach erfolgreich simuliert.
Eine Kommune, die keine neuen Baugebiete ausweist, könnte ihre Planer für Neubaugebiete dafür einsetzen, alten Gebäude zu sanieren und Baulücken im Inneren zu schließen. Das könnte vom Land belohnt werden.
Spätestens im Jahr 2050, so die Regierungsberater, müsse mit den neuen Baugebieten Schluss sein. Deutschland geht ganz einfach das Land aus.
Quellen: Im Wesentlichen – Die Zeit, 28.01.2021 „Die letzte Wiese“ und in Ansätzen Daniel Fuhrhop “Verbietet das Bauen! Streitschrift gegen Spekulation, Abriss und Flächenfraß“
Karsten Holexa
Eingestellt: 08.03.2021, Ralf Hermes