Nachdenktext: Sachbeschädigung oder Todesdrohung? Nazischmiererei auf dem Rathausvorplatz.

Hameln, 14.06.2022: Sachbeschädigungen durch Farbschmierereien gibt es viele in Hameln. Der erste Grundsatz gilt – gib den Sprayer keine Aufmerksamkeit durch eine zusätzliche Berichterstattung. Seit Jahrzehnten heißt es zudem: „Nur Narrenhände beschmieren Tische und Wände.“

Den aktuellen Fall auf dem Boden des Rathausplatzes, versteckt hinter dem Blumenbeet am Kunstkreis, möchte ich zum Anlass nehmen, mit zwei Berichtsversionen über Journalismus und die Möglichkeiten Meldungen zu benutzen nachzudenken:

Meldungsvariante 1: Farbsprüherei auf dem Boden des Rathausvorplatzes überschreitet weitere Grenze

Unbekannte Täter haben auf dem Rathausplatz in Hameln weiße Farbsprühereien hinterlassen, die im Strafrecht zwei Grenzen überschreiten.

Als einfache Sachbeschädigung (§ 303 StGB) zählt, wenn einer Sache absichtlich eine nicht ganz unerheblichen Substanzverletzung zugefügt wird. Wer also fremde Sachen mit schwer ablösbarer Farbe besprüht, begeht durch die Veränderung des Erscheinungsbildes eine Sachbeschädigung. Zweifelsfälle klären Gerichte. Erwachsenen Tätern drohen Strafen zwischen 5 Euro und zwei Jahren Freiheitsentzug. Es kommt auf den Einzelfall an.

Ein anderer Sachverhalt liegt vor, wenn nationalsozialistische Symbole (z.B. das Hakenkreuz oder das SS Zeichen) versprüht werden. Hier ist zusätzlich der § 86 a StGB zu prüfen. Diese Straftat ist von der Strafandrohung höher bewertet. Bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe können der überführte Täterin / dem überführten Täter treffen.

Die sog. zivilrechtlichen Forderungen – Schadenswiedergutmachung / Reinigungskosten sind davon unabhängig als zusätzliche Folge zu beachten.


Auf dem Rathausplatz wurden folgende Symbole aufgesprüht. Beide Hakenkreuze und das SS Zeichen habe ich auf den Fotos überdeckt:

Auf dem Blumenbeet nebenan wurde vor kurzen ein größerer Ast abgebrochen. Diese Beschädigung habe ich mit aufgenommen werden. Ob ein Zusammenhang besteht ist unklar.


Soweit der Sachverhalt. Ich habe Polizei und Stadtverwaltung informiert. Zur Motivlage, zum Tatzeitraum, zu den Tätern ist mir nichts bekannt.


Hier könnte der Bericht jetzt enden.

Es folgt als „Nachdenktext eine Meldungsversion, die auch möglich wäre. Hierzu wird der Sachverhalt mit Spekulationen vermischt, um Emotionen zu erzeugen. Die Aufmerksamkeit einer Meldung ist höher, wenn er Menschen direkt anspricht. Gelingt es, das die Menschen sich persönlich Sorgen machen, sich betroffen fühlen, dann geben sie vielleicht sogar Geld für eine Nachricht aus.


Meldungsvariante 2: „Wem gilt die NS-Morddrohung auf dem Rathausplatz?“

Ein Totenkopf in Kombination mit dem SS Zeichen und gleich zwei gesprühten Hakenkreuzen auf dem Rathausvorplatz gibt Rätsel auf. Verbirgt sich hinter den Zeichen eine Drohung gegen Rathausmitarbeitende, die Ratspolitik oder bezieht sich die Sprüherei auf den Kunstkreis und die dort gezeigte Ausstellung des Albert-Einstein-Gymnasium. Bildet sich gerade eine rechte Terrorzelle in Hameln? Wer muss ab heute Angst haben, über den Rathausplatz zu geben? Auf diese drängenden Sorgen der Bürgerinnen und Bürger gibt es keine Antworten. Sowohl die Homepage der Stadtverwaltung Hameln, wie auch die Pressemeldungen der Polizei verschweigen bisher den Sachverhalt. (14.06.2022, 14.00 Uhr) Die Stadtverwaltung beschäftigt sich dort derweil mit Meldungen über die Aktualisierung des Klimaschutzkonzeptes und dem Pfeifertag 2022 in Hameln. Die Polizei berichtet gleichfalls nicht zur Bedrohungslage. Wäre es eine linke Morddrohung, dann sähe das vielleicht anders aus. …


Ich spare mir weitere Möglichkeiten, einen Kern Wahrheit mit Unterstellungen und Spekulationen in seinen Nachrichtenwert für eine Vermarktung zu erhöhen. Ich habe zudem darauf verzichtet, durch großformatige Bilder der NS-Symbole die Botschaft der Täter mit mehr Gewicht zu versehen.

Ein Nachdenktext von Ralf Hermes.

herral, 14.06.2022


Nachtrag: Am 14.06.2022 über die Mängel-App des Rathauses die Farbschmiererei gemeldet. Am 15.06.2022 war von Hakenkreuz, Totenkopf und SS Zeichen schon nichts mehr zu sehen. Gute Arbeit und Danke an die Stadtverwaltung für die prompte Reaktion.

2 Gedanken zu „Nachdenktext: Sachbeschädigung oder Todesdrohung? Nazischmiererei auf dem Rathausvorplatz.“

  1. Man*Frau muss auch mal die Kirche im Dorf lassen.
    Die alarmmistische Berichterstattung finde ich etwas übertrieben.
    Die Alki-Szene, wochentags im hinteren Bereich des Bürgergartens angesiedelt, zieht es an Wochenmarkttagen auf den Betonsockel auf dem Rathausplatz, da gibt es mehr zu gucken und zu schlucken. Hakenkreuze werden eigentlich ständig, aber nur selten, irgentwo hingesprüht. Dummheit braucht auch eine Ausdrucksform.
    Ralf hat ja bald Geburtstag: Ich schenke ihm eine Dose Sprühlack im Farbton RAL Betongrau.
    Er darf sich aber nicht von Kollegen erwischen lassen.

  2. Ja Thomas, der Text enthält auchzwei Berichtsversionen und sollte darstellen, was aus einer Farbschmiererei gemacht werden kann. Ich persönlich finde Berichtsstil 1 sachlicher. Aber ist das noch zeitgemäß. Wer interessiert sich dafür das vielleicht ein paar Betrunkene was auf das Pflaster gemalt haben? Wo ist da de Skandal, die Bedrohung? Das ganze war eine Anspielung darauf, was in den Meldungen gemacht werden kann, wenn man denn auf Aufmerksamkeit aus ist. BILD blöder Facebookjournalismus halt. Wette ich irgendwo wohl deutlicher als PS schreiben sollen. LG Ralf

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