(eigener) Theaterbericht: „Man muss für Werte eintreten.“ – Hameln 16.01.2025

Hameln, 18.01.2025: In Hameln läuft derzeit eine Veranstaltungsreihe „Aktiv gegen H@ss und #Hetze“. Da passte eine Aufführung des Theater Hameln über den Mord an Walter Lübcke am 16.01.2025 „wie die Faust aufs Auge“.

Noch am Dienstagabend war Oberstaatsanwalt Frank-Michael Laue bei seinem Vortrag auf den Lübcke-Mord als drastische Folge von Hass und Hetze im Internet eingegangen. Im Theater Hameln trafen sich dann einige der Zuhörer des Vortrages am Donnerstagabend wieder.

Von den Medien waren Jo Stracke (radio aktiv) und Richard Peter (DEWEZET) vor Ort. Hier die Kurzbeschreibung des Stückes bei radio aktiv:

Der Radiobericht und die Bewertung von Jo Stracke ist hörenswert: https://www.radio-aktiv.de/2025/01/17/hameln-theaterstueck-der-mord-an-walter-luebcke/


Eigene Gedanken:

Mir ging das Stück aus verschiedenen Gründen an die Nieren. Ich hatte vor dem Auftritt die Einführung von Christian Scholze gehört. Allein die Auffrischung der Erinnerung an den Mordfall war schon den Besuch im Theater wert. Persönlich musste ich immer wieder auch an den Mordfall Rüdiger Butte hier in Hameln denken. Das war aber nur der Auftakt. Dann kamen die Darsteller und ein Wechselbad der Gefühle. Es war wie ein bisschen so, wie ich mir einen Battel-Rap vorstelle, nur halt dem Theater angepasst. Die Darsteller schickten die Zuschauer in einen Wechsel zwischen Gut und Böse, zwischen Gutmenschen (Naivität?) und Hass und Hetze.

Beides wurde sehr überzeugend dargestellt, so dass einem übel werden konnte. Wer wird am Ende der Vorstellung der Gewinner in der Gefühlswelt der Zuhörer sein? Die teils hilflos wirkende Menschlichkeit des Ehepaares Lübcke oder die drastische Bekämpfung derselben aus „höheren“ Zielen durch die Täter?

Ich fragte mich zwischendurch, wie Menschen, die mit dem Gedankengut der AfD sympathisieren, die Statements der Täter aufnehmen würden. Würden sie inhaltlich Beifall klatschen ob der eindringlichen Argumentation der Protagonisten, 0b der Einspielungen der grausamen Terroranschläge in Paris und Brüssel seinerzeit?

Das Ehepaar Lübcke wirkte in seiner Normalität und Anständigkeit hingegen bieder, normal und ja, hilflos.


Wie ist dieses eindringliche Theaterstück abseits der guten schauspielerischen Leistung in seiner Wirkung auf die Menschen zu bewerten?

Meine Einschätzung:

  1. Klasse, dass das Theater Hameln sich auch an „schwere“ Stücke mit politischem Bezug heranwagt. Sachvorträge alleine reichen nicht. Dieses Schauspiel vermittelt Emotionen, rüttelt auf, sensibilisiert.
  2. Schade, dass mit gut 100-150 Gästen nicht die Menge der Leute erreicht wurde, die das Stück verdient gehabt hätte.
  3. Nein, die AfD wird dieses Stück nicht als Darstellung eines naiven Gutmenschentums und als „Märtyrerleistung der Täter“ nutzen können. Sie wird die Aufführung solcher Stücke (so sie denn die Macht bekommt) zu verhindern suchen. Wie ich darauf komme? Heute ist ein aktueller Antrag der AfD Sachsen bekannt geworden. Die Partei fordert dort die Auflösung der Landeszentrale für politische Bildung. Alternativ möchte sie z.B. fördern: „Deutsche Brauchtumspflege und Traditionsveranstaltungen mit dem Ziel der Bewahrung und Verbreitung von traditionellen deutschen Bräuchen und Festen zur Stärkung der kulturellen Identität“ – Auftrag für das Theater der Zukunft?

Quelle: https://padoka.landtag.sachsen-anhalt.de/files/drs/wp8/drs/d5020aan.pdf


Das Stück wird übrigens gefördert von der Landeszentrale für politische Bildung NRW.


Hintergrund:


Artikel: „Wenn nur einer aufgestanden wäre, dann wäre der Mord nicht passiert.“ über die Premiere – Interview mit Christian Scholze und Anja Müller über die Inszenierung:

https://westfaelisches-landestheater.de/startseite/kurz-und-aktuell/wenn-nur-einer-aufgestanden-waere-dann-waere-der-mord-nicht-passiert


Ralf Hermes, herral, 18.01.2025

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