Gastbeitrag: „Die CDU und die Wirtschaft – ein Verhältnis der besonderen Art“

Hameln, 25.08.2025: Günter Bialkowski nimmt uns mit auf eine mit persönlichen Erfahrungen verknüpfte Zeitreise von den Anfängen der CDU bis heute…

Liebe Leserinnen, liebe Leser!

Vielleicht reiben Sie sich gerade die Augen, können nicht glauben was uns quer Beet die Umfragen signalisieren: Die CDU im Sinkflug! Die Partei mit der größten Wirtschaftsnähe und -Kompetenz fast gleichauf mit der AfD. Ereilt vielleicht die CDU gerade das selbe Schicksal wie 1999 die Democrazia Christiana in Italien? Wenn auch aus anderen Gründen?

Wenn eine so große Volkspartei sukzessive ganze Wählergruppen an die AfD verliert, dann lohnt ein Blick zurück in die Geschichte dieser Partei: Nach 1945 ff. gab es eine Zeit, da konkurrierten mehrere christliche Strömungen auch noch aus Vorkriegszeiten miteinander. Das ehemalige Zentrum (pol. Katholizismus) hatte sich 1933 selber aufgelöst, spielte nun keine Rolle mehr. Es kam zur Gründung der heutigen CDU. Hier spielte Arnold der spätere Ministerpräsident von NRW eine dominierende Rolle. Dr. Adenauer ist erst später auf den anfahrenden CDU-Zug aufgesprungen. Febr. 1947 gab sich die CDU das neue Ahlener Programm, ein hoch interessantes Papier. Es sah im neuen Staat eine völlige Neuordnung der sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse vor. Die CDU wollte den Staatskapitalismus der NS-Zeit als auch den Marxismus überwinden. Und so konkurrierten Arnold und Adenauer der von Anfang an die Westintegration im Sinn hatte, heftig miteinander. Die Bemühungen Arnolds wurden durch seinen frühen Tod jäh unterbrochen. Er starb für die CDU zu früh an einem Herzinfarkt. Vor allem die englische Siegermacht in der britischen Zone NRW stand hinter Arnold. Ich erinnere mich, viele im Ruhrgebiet trugen Trauer, denn sein Tod eröffnete nun Adenauer alle Möglichkeiten und er nutzte sie z.T. robust.

Ich fasse meinen damaligen Eindruck zusammen. Adenauer war eine starke Persönlichkeit und er führte gegenüber seinen politischen Gegnern die alle noch schrieen den ruhigeren, väterlichen Erzählton ein. Was ihn im Radio und späteren Fernsehen in den Wohnzimmern der Deutschen gut rüberkommen ließ! Auch ich hörte ihm gerne zu, waren es nach der Hitler-Diktatur doch die ersten freien Reden im Radio. Adenauer wurde Bundeskanzler, erfolgreicher Wahlkämpfer, gewann drei Wahlgänge, 1957 sogar die absolute Mehrheit mit 52 %. Die CDU folgte ihm bereitwillig. Außenstehende nannten sie später den Wahlverein-CDU. Sein Wirtschaftsminister Prof. Ludwig Erhard entwickelte die „Soziale Marktwirtschaft“, sie wurde zum Wirtschaftsprogramm der Union und später zum Symbol des Wiederaufbaus! Erhard versprach den Menschen „Wohlstand für alle“. Und ich glaube, er glaubte selber daran. Das war Balsam für unsere vielfältig ausgehungerte Nachkriegs-Generation. Ich glaube und nicht wenige dachten damals so, wenn Karl Arnold nicht so früh verstorben wäre, wäre die Geschichte Westdeutschlands anders verlaufen. Schließlich hat sich die Siegermacht Amerika mit ihrem kapitalistischen Wirtschaftssystem der „Freien Marktwirtschaft“ gegenüber dem englischen Modell durchgesetzt!

Und was hat uns nun dieser Weg mit nicht wenigen CDU geführten Bundesregierungen und Kanzlern bis heute gebracht? Die Kosten - Nutzen - Rechnung möge hier jeder für sich selber vornehmen. Ich merke an: Die soziale Marktwirtschaft hat eine Weile funktioniert, dann verkrustete sie, wurde statischer und bürokratischer. Und obwohl sie lange Zeit eine starke Lokomotive des Europa-Zuges war, verlor sie ihren Auftrag aus den Augen. Das Versprechen L. Erhards und seiner Union „Wohlstand für alle“ konnte sie nicht einlösen! Heute sind wir eine tief gespaltene Gesellschaft. Soweit die Geschichte.

Dazu kommt das Wieder-Erwachen nationalistischer Töne. Der Zustrom, den die AfD bis in die Mitte unserer Gesellschaft erfährt, zeigt, der Vertrauensverlust hat sich beschleunigt. Die Wirtschaft hat mit ihrem Unternehmer-Flügel in der Union ihre Dominanz gegenüber dem Arbeitnehmer-Flügel weiter ausbauen können. Die Arbeitgeberverbände sorgen m.E. bis heute dafür, dass sich die Union jeder Reform einer stärkeren Besteuerung der Superreichen und Milliardäre widersetzt. Die konservative Union hat sich selbst zu lange als sicheres Bollwerk gegen rechts gesehen (Brandmauer). Friedrich Merz in seiner Unerfahrenheit wollte gar die AfD halbieren! Doch nun muss er und seine Union erleben, dass sie herbe Bedeutungs- und Kompetenz-Verluste einfahren.

Und das größte Bundesland NRW steht kurz vor Kommunal- und Bürgermeister-Wahlen. Wenn die CDU hier nicht grundsätzliche Reformen signalisiert, die den unteren und mittleren Einkommensschichten helfen, scheint das Ruhrgebiet für demokratische Parteien verloren. Statt dessen erfährt die Außenpolitik und die Aufrüstung nicht zuletzt durch Kanzler Merz stetig an Bedeutung. Das kommt zwar in der Wirtschaft gut an, weil es Arbeitsplätze sichert, das Gemeinwohl erfährt dadurch keinen Auftrieb.

In Zeiten wie heute voller politischer Unwägbarkeiten und Kriege fehlt uns eine Persönlichkeit wie Karl Arnold sie verkörperte. Sein politisches Erbe sein Weitblick für ein anderes Deutschland ging in der Union verloren. Für mich hat die Union einen großen Anteil, dass sich unser Land mit seinem fordernden Imperativ nach mehr Wachstum bei schrumpfenden Resourcen, mehr Gewinn und Einfluss bereitwillig dem Kapitalismus geöffnet hat. Doch es ist nie zu spät, eine Änderung herbei zu führen. Auch wenn die Umfragen schon nach hundert Tagen Regierung nach unten zeigen.

Bleibt zu hoffen, dass unsere Wirtschafts- und Arbeitgeber-Verbände diesmal anders agieren als ihre Vorgänger damals unter Hitler. Sicher bin ich da nicht. Was die Politik und das Verhältnis der CDU/CSU zur deutschen Wirtschaft betrifft, so entwickelt sich die gegenseitige Nähe zum Bumerang für die Union. Die öffentliche Wahrnehmung der Arbeitnehmer und der Leistungsträger mit hoher Steuerbelastung hat sich verändert. Die Verteuerung der Lebenshaltungskosten ist auch dort angekommen. Viele befürchten ihren Standard nicht mehr halten zu können. Und sie erkennen, dass die einst gepriesene Wirtschaftskompetenz der Union eine leere Formel ist! Die Mühen der Ebene (B. Brecht), machen auch Friedrich Merz zu schaffen! Ohne eine General-Reform unseres demokratischen Systems welches sich schon seit einiger Zeit selbst blockiert, wird auch er scheitern.

Wenn unser Parteien-Staat Bestand haben und unsere Widerstandskraft gegen Putin schnell optimiert werden soll, dann brauchen wir einen neuen Spirit und ein neues Wir-Gefühl, auch in der Wirtschaft! Sie muss nicht immer nur jammern, sie kann durch Innovation und Investitionen helfen, die Kaufzurückhaltung aufzubrechen, so dass die Politik, Friedrich Merz und Lars Klingbeil ermutigt werden den Reformstau anzugehen
(Johannes Winkel, Chef der jungen Union wirft der Regierung Mut- und Hilflosigkeit in Sachen Reformen vor, DWZ 23.Aug.25). Dabei müssen alle mitgenommen werden. Das Gleiche gilt auch umgekehrt, alle müssen eigene Ansprüche und Erwartungen runterfahren. Unser System muss wie unsere kaputte Infrastruktur general-saniert werden. Der Bundeskanzler sollte dies in einer gut vorbereiteten Rede zur besten Tagesschau-Zeit der ganzen Nation mitteilen und dafür werben!
Und wir alle sollten uns an die legendäre Aufbruch-Stimmung der 1950er Jahre erinnern die uns alle erfasst und motiviert hatte. Auch heute brauchen wir diese gemeinsame Kraft-Anstrengung, sie schafft Gemeinschaft und ein neues Wir-Gefühl.
Bleibt zu hoffen, dass dies auch unsere demokratischen Parteien begreifen und ihre Streitereien beenden. Der gemeinsame Gegner steht rechts!

Günter Bialkowski

Ein Gedanke zu „Gastbeitrag: „Die CDU und die Wirtschaft – ein Verhältnis der besonderen Art““

  1. Diesmal stimme ich in vielem dem Gastbeiträger zu, den Rest kann ich nicht beurteilen. Ich kann mich, da Jahrgang 1964, weder an den CDU-Politiker Arnold erinnern noch an die „legendäre Aufbruchstimmung“.
    Der aktuellen Politik fehlen eine Vision, wo Deutschland 2030, 2040, 2050 stehen soll, und ein überzeugendes Narrativ für die Bevölkerung sowie eine Person, die das glaubwürdig verkörpern kann und mitreißende Zuversicht verbreitet. Die Menschen möchten wissen, wie wir aus der aktuellen Lage herauskommen und was sie erwarten und beitragen können.

    Ich für meinen Teil wünsche mir die soziale Marktwirtschaft zurück, diesmal aber mit ökologischer Ausrichtung.

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