Hameln, 16.11.2025: Die Volksabstimmung mit den Füßen zeigt ein betrübliches Bild: Trotz präsenter Ankündigungen in Zeitung, Internet und Radio kamen nur 60-70 Menschen zum Gedenken an die Toten der Weltkriege. Ein Polizist in Uniform zeigt gemeinsam mit drei Soldaten in Bundeswehruniform Präsenz. Ansonsten Vertreter aus Politik und Gesellschaft und einige Bürgerinnen und Bürger. Dazwischen vier bis sechs versprenkelte Jugendliche, die man eigentlich fragen möchte – Was machst du denn hier?
Die geringe Aufmerksamkeit für die Veranstaltung ist zum Wut kriegen, zum Resignieren. Allerdings, es ist nichts „schickes“, vergnügliches an dem Tag. Das Gedenken ist traurig, berührt auch die Schuld unserer Vorfahren in den beiden Weltkriegen. Zudem ist die persönliche Betroffenheit bei vielen ganz weit weg. Warum ich dennoch den Besuch gewinnbringend finde, versuche ich mit den folgenden Bildern und Zeilen auszudrücken:
Zunächst zum Gottesdienst: Etwa 40 bis 50 Menschen verfolgten den Sonntagsgottesdienst mit Musik und Texten. Besonders angesprochen hat mich ein Text von Hans-Dieter Hüsch mit dem Gedicht „Bedenkt“:
Um 11.15 Uhr ging es dann zunächst im Münster weiter mit der städtischen Gedenkveranstaltung.
Es begann mit den Beiträgen zweier Schülerinnen des Albert-Einstein-Gymnasiums. Die erste Schülerin zitierte aus dem Gedicht „Die jungen toten Soldaten“ von Archibald MacLeish:
Die jungen toten Soldaten sprechen nicht.
Aber man hört sie in stillen Häusern: Wer hat sie nicht gehört?
Sie sagen: Wir waren jung. Wir sind gestorben. Denkt an uns.
Sie sagen: Wir haben getan, was wir konnten, aber bevor es vorbei ist, ist es nicht getan.
Sie sagen: Wir haben unser Leben gegeben, aber bevor es vorbei ist, kann keiner wissen, was unsere Leben gaben.
Sie sagen: Unser Tod ist nicht unser. Er ist euer; er wird bedeuten, was ihr daraus macht.
Sie sagen: Ob unser Leben und Tod für Frieden war, und für neue Hoffnung, oder für nichts, können wir nicht sagen, denn ihr müsst es sagen.
Sie sagen: Wir lassen Euch unsere Tode. Gebt ihnen Sinn. Wir waren jung, sagen sie. Wir sind gestorben. Denkt an uns.
Die Schülerin erinnerte: Archibald MacLeish hat die Leitidee der UNESCO: „Da Kriege im Geist der Menschen entstehen, muss auch der Frieden im Geist der Menschen verankert werden.“ mit verfasst. Es handelt sich um die Präambel der Verfassung, die 37 Staaten am 16. November 1945 in London unterzeichnet haben.
Die zweite, 15 Jahre alte Schülerin kommt aus der Ukraine und lebt seit 3 Jahren in Deutschland. Sie las in ihrer Landessprache das Gedicht „Hoffnung“ vor. Sie verbindet damit ihren eigenen Wusch, die Heimat wieder zu sehen. Sie schloss mit den Worten „Ich möchte Euch von Herzen einen friedlichen Himmel über dem Kopf wünschen.“
Es folgte ein Musikdarbietung zweier junger Menschen mit Klavier und Geige.
Claudio Griese benannte in seiner Rede das Motto des diesjährigen Volkstrauertages „Versöhnung über den Gräbern, Arbeit für den Frieden.“ Er erinnerte, dass der Volkstrauertag in der Weimarer Republik erstmalig 1922 begangen wurde, vier Jahre nach dem ersten Weltkrieg. Die Nationalsozialisten wandelten das Erinnern dann 1934 zum Heldengedenktag. 60 Millionen Menschen starben im zweiten Weltkrieg. Das Grauen des 1. Weltkrieges hatte sich potenziert. Das Kriegsende liegt jetzt 80 Jahre zurück. 80 Jahre Frieden in Deutschland, ein großes Geschenk. Claudie Griese erinnerte an die vielen Geflüchteten und Vertriebenen des zweiten Weltkrieges, die in Hameln ein neues Zuhause fanden, anfangs Hunger leidend und unter erbärmlichen Verhältnissen untergebracht.
Heute bietet die Stadt 1.518 Geflüchteten aus der Ukraine Schutz. 2.434 Syrerinnen und Syrer hoffen in Hameln auf Frieden in ihrer Heimat. Im Sudan gibt es derzeit 150.000 Tote und 12 Millionen Menschen sind auf der Flucht. Auch die Schrecken des Krieges in Gaza sprach der Oberbürgermeister an. 80 Jahre Frieden in Deutschland glaubten das militärische überflüssig werden zu lassen. Die Wehrpflicht wurde 2011 abgeschafft. Heute werden die Rahmenbedingungen unseres Friedens nicht ohne Grund in Frage gestellt. Er zitierte den Verteidigungsminister Boris Pistorius mit dem Satz „Unsere Art zu leben ist in Gefahr“. Der Volkstrauertag habe einen sehr aktuellen Bezug zu heute. In Amerika werde die Demokratie angegriffen, die USA ist durch Machtpolitik auf dem Weg zu einer Autokratie. Seine Aufforderung: „Bringen Sie sich ein für den Frieden“. Sein besonderer Dank galt den Mitwirkenden der Gedenkfeier, insbesondere den Schülerinnen und Schülern des AEG, der Ehrenwache der Reservistenkameradschaft Hameln und dem Posaunenchor der Martin-Luther-Kirchengemeinde Hameln.
Es folgte im Anschluss draußen am Mahnmal für die Toten des Krieges eine kurze Ansprache der Parlamentarischen Staatssekretärin Mareike Lotte Wulf und anschließend die Kranzniederlegung.

Eigene Anmerkung: Die Rede von Claudio Griese hätte es gemeinsam mit den beiden Beiträgen der Hamelner Schülerinnen verdient, am Montag in den Hamelner Schulen Gegenstand einer Analyse zu werden. Ich würde mir wünschen, dass die Inhalte Gesprächsthema in den Kaffeepausen in den Betrieben wäre, dass Familien am Küchentisch über den aufgeschlagenen Zeitungsbericht diskutieren. All das ist Illusion. Die Kehrseite der freiheitlichen Demokratie ist es, den Menschen eben nicht ein Thema aufzwingen zu können. Die freie Presse entscheidet selber, welche Themen sie besetzt. Es muss schon freiwillig das Interesse, das Bewusstsein da sein. Sicher bin ich mir allerdings, dass sich dieses grundlegend ändern würde, wenn diejenigen an die Macht kommen, die eine Kehrtwende in der deutschen Erinnerungskultur fordern. Sehr schnell wäre es dann mit dem Wort „freiwillig“ vorbei. Dann würde wieder angetreten werden vorm Ehrenmal. Würde dem deutschen Heldenmut in den Kriegen gedacht und das Deutschlandlied nicht verzagt und vereinzelt, sondern verpflichtend lautstark gesunden. Beginnend mit der ersten Strophe.
Noch haben noch die Freiheit, das nicht tun zu müssen.
Ich ende diesen Bericht mit dem Bild des Preisträgers des Deutschen Karikaturenpreises ist Gold, Piero Masztalerz, und seinem Bild: „Abwarten“.
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Ralf Hermes, 16.11.2025
Andere Botenberichte zum Volkstrauertag:
herral, 16.11.2025

















