Rechtsgutachten Fahrradstraße Hastenbeck #dewezetkorrektiv

Hameln, 04.12.2025: Hamelns Chefredakteur der DEWEZET hat in einem Beitrag vom 04.12.2025 erneut das Thema Fahrradstraße Hastenbeck aufgegriffen. Dazu hier Hintergrundinfos und ein Kommentar: „Die Möglichkeiten der Menschen sind unterschiedlich.“

Auf der Titelseite als Hauptmeldung mit Foto: „Fahrradstraße – Das Gutachten ist da. Juristin hat den Fall geprüft“ folgt auf der ersten Seite im Hameln-Teil ein fast ganzseitiger Bericht. „Juristin prüft … – und setzt noch Fragezeichen.“

Prominent herausgestellt wird eine kritische Aussage der Rechtsanwältin.


Für alle, die sich für den Inhalt des Gutachtens interessieren und sich ungefiltert ein Bild machen wollen, habe ich bei der Stadtverwaltung nachgefragt, wo man das Original zum Lesen bekommt. Zudem die Frage, ob es schon eine Stellungnahme der Stadtverwaltung dazu gibt.

Ich habe sofort eine Antwort erhalten. Kernaussage: Der Oberbürgermeister wird die vor Ort betroffenen Akteure / Verantwortungsträger zu einem runden Tisch eingeladen hat. Vor diesem Gespräch würde es keine Presseinformation / Bewertung für die Öffentlichkeit geben.


Persönlich finde ich diesen Weg der Verwaltung gut. Problematisch ist, dass die Zeitung heute vorgeprescht ist und mit selektiven Teilinformationen Meinungsbildung betreibt.


Daher hier ungefilterten eigenen Lesen das (anonymisierte) Rechtsgutachten:


Anmerkungen:

a) Erinnern wir uns an den Ausgangspunkt des Streites und den Schwerpunkt der Berichterstattung von Herrn Thimm: Kommuniziert wurde von ihm der behauptete Anspruch der Eigentümer an einer vorherigen Beteiligung. Das Rechtsgutachten ist hier unmissverständlich. So einen Anspruch gibt es aus verschiedenen Gründen nicht.

b) Weiterer Prüfpunkt ist die rechtliche Zulässigkeit der Einrichtung der Fahrradstraße an sich. Hier zitiert der Berichterstatter in der Zeitung m.E. unvollständig und legte einen Schwerpunkt auf Förmlichkeiten.

c) Erinnern wir uns, als Hamelns Chefredakteur Kenntnis von den Ergebnissen der Verkehrszählung Kenntnis bekam, kommunizierte er die Zahlen ganz offensiv und kritisch. In der aktuellen Berichterstattung fällt auf, dass der Chefredakteur die Zahlen über gemessene Geschwindigkeiten nicht nennt. Die Aussagen zur Bewertung des Risikos für die Radfahrerinnen und Radfahrer bleiben gleichfalls ungenannt.


Ich möchte daher aus dem Schreiben einige für mich interessante Aussagen zitieren:

  • Das VG Münster hat in einem Urteil vom 11.11.2021 (Az. 8 K 3119/18; juris) klargestellt, dass eine Fahrradstraße auch im Außenbereich eingerichtet werden kann, da es keine Begrenzung der Anordnungsmöglichkeiten auf innerörtliche Straßen gibt.
  • Beabsichtigt war mit der Anordnung aber offensichtlich, die Straße für den Fahrradverkehr attraktiver zu machen, da sie von Fahrradfahrern bisher wegen der mit hoher Geschwindigkeit fahrenden Kfz gemieden worden ist. Die Forderung nach einem Radweg entlang der Straße gibt es bereits seit vielen Jahren, weil die Straße für Radfahrer wegen der geringen Breite und der hohen Geschwindigkeiten, mit denen die Kfz dort entlangfahren, als gefährlich angesehen wurde. Die Diskussion darüber, wie man die Straße für Radfahrer sicherer machen kann, wird bereits seit vielen Jahren geführt.
  • Eine Verkehrszählung am 27.06.2025 hat bestätigt, wovon man bereits ausging: Der Anteil des Durchgangsverkehrs auf dieser Straße ist erheblich, obwohl parallel die K 13 verläuft, die dazu bestimmt ist, diesen Durchgangsverkehr aufzunehmen. Geschwindigkeitsmessungen im Juli 2025 haben ergeben, dass die zu diesem Zeitpunkt angeordnete Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h von vielen Fahrzeugen überschritten wird. Die Grenzgeschwindigkeit für die ersten 85 % lag im Durchschnitt bei 90 km/h. Unter Berücksichtigung der relativ geringen Breite von nur 5,40 m ist unter diesen Voraussetzungen durchaus mit einer Gefährdung des Radverkehrs auf der Straße zu rechnen.
  • In Anwendung dieser Grundsätze besteht im vorliegenden Einzelfall … eine zur verkehrsrechtlichen Regelung Anlass gebende erhebliche konkrete Gefahr für die Sicherheit und Ordnung des Straßenverkehrs. Es bestand vor der in Rede stehenden Anordnung jedenfalls die hinreichende Wahrscheinlichkeit, dass es zu Schadensfällen kommen konnte. Eine Gefährdung des Radverkehres ist zunächst aufgrund der geringen Fahrbahnbreite anzunehmen.
  • Die Verkehrszählung aus dem Jahre 2015 ergab eine Durchschnittsgeschwindigkeit aller Verkehrsteilnehmer von 46 km/h. Dabei sind Höchstgeschwindigkeiten von bis zu 118 km/h festgestellt worden. Erfahrungsgemäß steigt insbesondere mit der Fahrgeschwindigkeit auch das Unfallrisiko. Diese zum Teil hohen Fahrgeschwindigkeiten, welche durch den relativ geraden Streckenverlauf der Straße begünstigt werden, in Verbindung mit der geringen Fahrbahnbreite und einem stellenweise schlechten Zustand der Straße führen zu einer Gefährdung des Radverkehrs.
  • Bei Einrichtung der Fahrradstraße kann durchaus damit gerechnet werden, dass die Fahrradverkehrsdichte steigen wird.
  • Da der Autoverkehr über die K 13 eine Ausweichmöglichkeit, ohne Tempo 30 einhalten zu müssen hat, dürfte die Wahrscheinlichkeit hoch sein, dass im Laufe der Zeit der Fahrradverkehr auf der Straße deutlich zunehmen wird.
  • Fazit: Bei entsprechender Tatsachenermittlung und umfassender Darstellung der Ermessenserwägungen erscheint es durchaus möglich, die betroffene Straße als Fahrradstraße auszuweisen. Allerdings ist Voraussetzung dafür, die Entscheidung gerichtsfest zu machen, dass die notwendigen Ermessenserwägungen sich aus dem Verwaltungsvorgang ergeben, das ist bisher gebündelt nicht der Fall.
  • Die Anordnung der Fahrradstraße ist ein Dauerverwaltungsakt, es ist daher durchaus möglich, die Anordnung durch die Darstellung der entsprechenden Ermessenserwägungen nachträglich zu heilen.
  • Die Widmung, die einer Straße die Eigenschaft als öffentliche Straße verleiht und von widersprechenden bürgerlich-rechtlichen Verfügungen des Eigentümers nicht berührt wird (§ 6 Abs. 4 NStrG), erfasst alle Bestandteile einer Straße.
  • In diesem Umfang übt der Träger der Straßenbaulast zur Aufrechterhaltung des Gemeingebrauchs die Rechte und Pflichten aus, die sonst dem Eigentümer zustehen (vgl. für Niedersachsen: § 13 Abs. 4 NStrG).
  • Das Privateigentum des Eigentümers des Straßengrundstücks stellt sich durch die Widmung weitgehend nur als „inhaltslose Hülse“ dar.
  • Aus seiner Position als Eigentümer heraus ist der Realverband also nicht berechtigt, die Kissen zu entfernen, er würde sich bei Entfernung der Kissen schadensersatzpflichtig machen.
  • Rechte des Eigentümers des Straßengrundstücks sind daher nicht betroffen.
  • Da die Fahrradstraße jedoch mit dem Zusatz angeordnet worden ist, dass sowohl der Kfz als auch der Linienbusverkehr nach wie vor die Straße nutzen können, hat sich am Umfang der Verkehrsnutzung insoweit nichts geändert. Eine Teileinziehung war insoweit nicht erforderlich. Die Funktion als Gemeindestraße hat sich durch die Verkehrsregelung nicht geändert.

Fazit: „Die Menschen bewerten unterschiedlich“

Die Menschen sind unterschiedlich. Es gibt welche, die fahren gerne Sportwagen. Andere begnügen sich mit Kleinwagen oder lassen das Auto für den innerstädtischen Verkehr stehen. Es gibt lebensältere Menschen, die schaffen den Weg von Hastenbeck bis in die Kirche nach Hameln problemlos mit dem „Biobike“. Jeder Mensch bewertet die Bedeutung der eigenen Bequemlichkeiten oder die Erfordernisse einer eigenen klimaschonenden bzw. menschenfreundlicheren Mobilität anders. Es gibt Menschen, die haben gar keine große Auswahl. Sie verfügen nicht über die finanziellen Mittel für ein Auto, ober sind zu jung oder zu alt zum eigenständigen Fahren.

Ich bin mir sicher, dass unterschiedlichen Menschen Rechtsgutachten mit einem unterschiedlichen Blickwinkel lesen und darüber auch unterschiedlich kommunizieren. Soweit so selbstverständlich.

Welchen Anspruch sollte professioneller Journalismus haben? Die Antwort ist einfach. Es gibt nicht darum durch der Autofensterscheibe gesehen die Welt zu schildern sondern darum, die verschiedenen Sichtweisen, Argumente und Emotionen zu benennen. Wer etwas selbstkritisch ist, der hinterfragt sich und mit etwas Glück hat er ein Team oder Freunde die ein klaren, ehrlichen und wenn es sein muss auch unbequemen Feedback geben.

Letzteres wünsche ich mir für die Berichte hier beim Boten.

Ralf Hermes


Zentrale Berichtssammlung zum Thema Fahrradstraße Hastenbeck hier beim Boten:


Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.