Eine kritische Betrachtung zur Eigenwerbung unserer Heimatzeitung.
Alle Jahre wieder aber passiert etwas, was ich zugespitzt den DEWEZET-Eigenwerbungs-Overkill nennen. Zu Ostern und zu Weihnachten verwandelt sich meine Heimatzeitung in eine Glücksspielunternehmen. Großflächig werden Gewinnspiele beworben und das in einem Ausmaß, wie es sich nur die Zeitung selber leisten kann.
Start fürs Weihnachtslotto in diesem Jahr war Freitag. Hier wurde (alle Jahre wieder) die DEWEZET Titelseite an zentraler Stelle zur Anzeigenseite für das neue Weihnachtsgewinnspiel. Es folgte eine ganzseitige Werbeanzeige, ein Artikel im lokaljournalistischen Teil und eine mehrseitige Werbebeilage. Insgesamt dreimal wurden die Modalitäten des Gewinnspieles erläutert. Bemerkenswert für mich allein die Wortwahl im Lokalberichtsteil Hameln mit der Schlagzeile: „O du fröhliche: Bares fürs Shopping“
"Das ein Weihnachtsgewinnspiel zur Heimatzeitung gehört, steht außer Frage: Dewezet und Pyrmonter Nachrichten machen aus dieser Pflicht allerding in jedem neuen Jahr eine Kür. … Das Gute darin ist das Gute darin, denn: Um gewinnen zu können.... muss man einfach nur einkaufen gehen. … Und dann kommt das, was als Glück zu bezeichnen wäre: Man muss …"
Warum aufregen?
Erstens: Im lokaljournalistischen Berichtsteil ist massive Eigenwerbung kritisch.
Zweitens: Das Ausmaß der Anzeigen-/Berichtsdimension ist unverhältnismäßig. Die DEWEZET betreibt eine Inflation des Werbemaßes. Wer in dieser immer größer dimensionierten Aufmerksamkeitsschlacht nicht mitmacht, der geht unter. Was haben eigentlich noch „normalformatige“ Anzeigengrößen für einen Wert? Leisten kann sich diesen Werbungsoverkill nur die Zeitung selber, braucht sie ihre eigenen Anzeigenpreise ja nicht bezahlen. Wer sich informieren will, was für Anzeigenkunden so etwas kosten würde, kann nachschauen unter: https://www.dewezet.de/cms_media/module_ob/0/131_1_preisliste-ab-10-2018-c-.pdf
Da ich kein Steuerfachmann bin, kann ich auch nicht durchschauen, welche steuerlichen Absatzmöglichkeiten für die DEWEZET sich hieraus evtl. sogar noch als Nebeneffekt ergeben.
Zu befürchten ist, dass jetzt in jeder Ausgabe breit angelegte Gewinnberichte den Anteil für guten Lokaljournalismus reduzieren. Ich möchte kein Lottoberichts- und Werbeblatt bezahlen!
Alles wäre vielleicht noch erträglich, wenn die Qualität der Berichterstattung ansonsten passen würde. Leider aber nimmt das Verhältnis von guten Informationsjournalismus (den es ausdrücklich gesagt auch gibt!) zu „Gunsten“ von immer mehr oberflächlichen Belanglosunterhaltungsartikeln ab. Beispiel siehe: https://hamelnerbote.de/?p=922
Ärgerlich zudem, wenn in der Ausgabe vom Samstag die Angaben (Verlosungsdatum) vom Freitag schon wieder korrigiert werden müssen.
Wie die Gesamtgewinnsumme von „über 8.000 Euro“ bei 22 x max. 300 Euro (= max. 6.600 Euro) und 22 x 30 Euro + 140 Euro (=800 Euro) zustande kommt, mag sich mir nicht erschließen.
Da in diesem Jahr Gutscheine verlost werden (die vermutlich von den teilnehmenden Geschäften gestellt werden) beläuft sich der konkrete Finanzierungsanteil der DEWEZET an der Aktion wohl bei 140 Euro Aufrundungssumme.
Kurzer Rückblick. Im Jahre 2017 war alles noch „einfacher“. Da verloste die DEWEZET 10.000 plus 1.200 Euro Bargeld, allerdings nur an ihre Abonnenten. Fand ich auch nicht gut, aber egal.
Nachbemerkung: Eine kommerzielle Tageszeitung finanziert sich durch
a) den Verkaufspreis pro Exemplar/Abonnement
b) durch Anzeigenwerbung.
Als Abonnent unser Familienhaushalt in den vergangenen 30 Jahren überschlagen mehr 20.000 Euro an die DEWEZET überwiesen. Auch jetzt bezahle ich, anders als bei „Hallo Sonntag/Mittwoch“ oder „Neue Woche“ für jedes Exemplar Geld. Ich bezahle grundsätzlich gerne, denn ich will kein Anzeigenblatt, sondern guten ehrlichen Lokal-/Qualitätsjournalismus. Ich möchte zudem, dass Journalisten wie Verleger vernünftiges Geld für ihre Arbeit bekommen. Das dazu als wesentlicher Baustein Anzeigen gehören, ist mir vollkommen klar.
Wenn aber optisch die Grenzen zwischen kostenlosen Werbeblatt und bezahlten Lokaljournalismus verschwinden, gefährden für mich die Verantwortlichen das Existenzmodel eines auch vom Leser bezahlten Journalismus. Wenn ich eine Zeitung kaufe, dann möchte ich vernünftig recherchierte Lokalnachrichten, Weltnachrichten und durchaus auch (intelligente) Unterhaltung sowie etwas Klatsch und Tratsch. Ich möchte eine Zeitung, die eine Verbindung zu den Menschen in ihrer Region hat. Initiativen unterstützt, Missstände aufdeckt und sich als Teil der Heimat sozial engagiert.
Wenn ich Geld gewinnen will, dann spiele ich Lotto oder nehme an „Glücksspielen“ teil. Das eine hat für mich mit den anderen nichts zu tun. Dennoch, Mann/Frau, kann gerne auch in der Zeitung „Spielchen“ machen. Aber der Kern und Schwerpunkt einer Lokalzeitung sollte bei den Berichten über die Menschen der Region (und nicht über die Zeitung selber) liegen.
Ralf Hermes
P.S.: Das die DEWEZET natürlich auch bei Facebook die Werbetrommel rührt, überrascht nicht wirklich…