Hameln, 21.12.2022: Sie kamen, als es dunkel wurde. Erkennen konnte man sie an Kerzen / Lichtern und daran, dass sie keine Masken trugen. Die Verbundenheit untereinander zeigte sich durch den gemeinsamen Aufzug durch die Innenstadt von Hameln, ohne erkennbare Botschaft und ohne sich an die Regeln unseres Rechts zu halten. Ein Verlaufsbericht.
Es gibt zu den „Spaziergängen“ am Montag keine Aufrufe in den etablierten Medien wie Radio Aktiv oder der DEWEZET. Die Menschen organisieren/informieren sich über Messenger-Gruppen oder Social-Media-Seiten.
In Hameln rief man auf, sich um 17 Uhr am Münster zu treffen. Am Rande des Münsterkirchhofes standen dann zu dieser Uhrzeit am 20.12.2021 verschiedene Grüppchen, teilweise trugen die Menschen Kerzen. Pünktlich um 17 Uhr erfolgte aus einem Funkstreifenwagen der Polizei eine Durchsage, dass der Einsatzleiter der Polizei das Zusammentreffen der Menschen als Versammlung bewerte. Er forderte dazu auf, dass sich ein Versammlungsleiter bei ihm meldet, damit der ordnungsgemäße Ablauf abgesprochen werden kann.
Sofort nach der Durchsage setzten sich die Menschen in Bewegung, ohne dass vorher erkennbar eine Kontaktaufnahme zur Polizei stattfand. Es formierte sich ein Aufzug, der lichtertragend auf dem Fußweg über die Münsterbrücke in Richtung Klüt ging. Hier bog man hinter der Brücke ab und ging zurück über die Thiewallbrücke in Richtung Innenstadt. Es waren ca. 70 – 80 Teilnehmende.
Die Menschengruppe zog ohne Plakate oder Rufe anschließend mehrfach durch die Fußgängerzone, umrundete das Hochzeitshaus, ging durch die Emmernstraße, Baustraße, dann wieder in die Fußgängerzone. Alles anscheinend ungeplant und spontan.
Von der Osterstraße schwenkte man in die Bungelosenstraße, hier zählte ich mittlerweile ca. 240 Teilnehmer.
Die Personen kamen aus allen Altersgruppen. Teilweise waren Kinder mit Laternen dabei. Äußerlich war keine Zugehörigkeit zu politischen Parteien erkennbar. Man plauderte untereinander. Vereinzelt war mal ein abgespieltes Lied (Xavier Naidoo) zu hören. Keiner der Versammlungsteilnehmer trug eine Mund-Nase-Bedeckung.
Der Aufzug wurden von Streifenwagen der Polizei begleitet. Teilweise erfolgten Verkehrssicherheitssperrungen beim Queren der Straßen. Die Teilnehmenden blieben auf den Gehwegen.
Der Aufzug endete ohne eine Kundgebung/Ansprache nach 80 Minuten auf dem Rathausplatz. Hier stellte ein Teil der Versammlungsteilnehmenden die Kerzen am Rattenfängerbrunnen ab. Dann zerstreute sich die Gruppe.
Meine Meinung:
Sie kommen im Dunkel. Sie haben nach außen nichts zu sagen. Sie sind sich selbst genug und andere sind ihnen egal. Man möchte rufen „mitdenken statt querdenken“, aber erreichen würde man aus der Gruppe niemanden. Die Blicke, die einen als „Maskenträger“ erreichen, sind geringschätzig. So wie meine verständnislos sind. Auf dem Rathausplatz sind die fehlenden Kerzen am Erinnerungsplatz für die an den Folgen der Corona-Pandemie verstorbenen ein klares Zeichen. Die Kerzen der „Was weiß-ICH–Denker“ stehen am Rattenfängerbrunnen. Soviel zur Symbolik.
Diese Menschen sind nicht im Recht. Sie missachten das Versammlungsgesetz und damit die Regeln der Meiungsäußerung in unserer Demokratie. Sie missachten die Fakten und sie missachten die Rücksichtnahme auf andere. Es passt schon, dass die lokalen Sprecher der Bewegung ob der fehlenden sachlichen Argumente als verschwurbelt bezeichnet werden können. Es passt schon, dass eine ehemalige NPD-Aktivstin auf dem Youtube Kanal „Hagida – Hannover“ Botschaften über Hameln sendet. Hagida steht für „Hannover gegen die Islamisierung des Abendlandes“ und war 2017 ein Versuch, die PEGIDA-Bewegung nach Niedersachsen zu tragen.
Wer nicht spricht, der kann sich nicht abgrenzen. Wer nichts sagt, muss anderen zubilligen, dass er den Worten derjenigen, die angeben für die Bewegung zu sprechen, zugezählt wird. Wer als Infomedium „Freie Niedersachsen“ nutzt, der muss sich sagen lassen, dass er den rechten / rechtsextremen Flügel akzeptiert.
Auch wenn der Eindruck der Bilder auf den Querdenkerkanälen viele Menschen und viel Protest suggeriert, es sind nur wenige. Wenige, die an einem Montag durch ihr Schweigen laut sein wollen.
Wie soll die Mehrheit mit ihnen umgehen? Brauchen wir ein Zeichen der Vernünftigen oder schenken wir den Protestlern zu viel Aufmerksamkeit?
Mein Vorschlag:
- Ignorieren ist die höchste Form der Mißachtung
- Informiert blieben, was da läuft – hin und wieder Position beziehen. Lasst uns die Menschen, die unsere Gesellschaft stützen, mit unserer Aufmerksamkeit wertschätzen. Die Menschen in den Krankenhäusern, in den Verwaltungen, in den Laboren, bei der Polizei und wo immer sich hunderttausende engagieren, die Folgen der Pandemie zu mindern.
- Lasst uns igendwann, unabhängig von den Aktionen der „dunklen Seite“ ein helles Zeichen setzten. Ohne Risiken für unseren Nächsten.
Ich wünsche mir, dass Kerzen nicht nur zu Weihnachten ein Zeichen des Friedens, der Verständigung und des positiven Gemeinsinnes für alle in unserer Gesellschaft sind.
Ralf Hermes, 21.12.2021
Weitere Links zum Thema:
siehe ansonsten:
https://hamelnerbote.de/archive/tag/querdenken-hameln
Verlaufsbericht der Polizei zu den „Spaziergängen“ im Weserbergland: