Gastkommentar zu „Normalität des Bösen“ und „Rassistische Parolen auf Sylter Party“ in der DEWEZET

Hameln, 27.05.2024: Günter Bialkowski schreib zu den Beiträgen von Markus Decker und Felix Huesmann in der Zeitung vom 25.06.2024:

Es gibt neues aus Absurdistan Deutschland! Die Journalisten Markus Decker und Felix Huesmann analysieren in ihren jeweiligen Beiträgen die aktuellen Geschehnisse auf Sylt. M. Decker schreibt, dass unser deutscher Rassismus zur Gaudi für alle Bevölkerungsschichten geworden ist, er geschieht in allen Bundesländern, er ereignet sich vor aller Augen, mit anderen Worten: er hat seinen Sitz mitten im Leben!
Und Felix Huesmann berichtet von einem Clip der in den sozialen Medien kursiert, in dem junge Menschen rassistische und rechtsextreme Parolen nach der Melodie eines populären Partyhits singen.

Da die Insel Sylt bisher und immer noch als Symbol für „bessere Kreise“ steht, stellt sich die Frage, ob es sich bei den grölenden Sängern um wohlstandsverwahrloste Jugendliche aus der sog. mittleren Oberschicht handelt? Wäre dies der Fall, müsste die Mitte unserer Gesellschaft investigativer als bisher und nicht nur die Ränder von unseren Medien beobachtet werden. Aber auch die internationalen Plattformen-Betreiber müssten stärker kontrolliert werden!

Mir fällt beim Lesen Hanna Arendt ein und ich stelle mir die Frage, ist die „Banalität des Bösen“ zurück in Deutschland? Denn Decker schreibt „… rechtes Gedankengut ist keineswegs nur bei einkommensschwachen Schichten zu finden, nur bei Älteren - oder nur im Erzgebirge.“ Dieses Klischee müssen wir uns ganz schnell abschminken. Unsere Realität sieht anders aus: rechtes Gedankengut und dessen Umsetzung - oftmals hemmungslos und für alle sichtbar können wir in Faschingsumzügen, Diskotheken, in Fussball-Stadien, in Angriffen auf Politiker aller Couleur, bei politisch aktiven Normalbürgern, Synagogen, Bethäusern praktisch überall erleben, nicht mehr nur in den sozialen Medien! Die sich allerdings als Katalysator der schnellen Verbreitung von abscheulichen und verbotenen Nazi-Relativierungen und Nazi-Verherrlichungen erweisen.

Wenn ich eingangs vom Absurdistan Deutschland spreche, dann habe ich noch in Erinnerung, wie uns einst das interessierte Ausland wegen unserer Aufarbeitung unserer Nazi-Vergangenheit lobte. Im Vergleich mit anderen Ländern sei uns die Aufarbeitung am besten gelungen, hieß es. Nun zeigt sich offenbar, dass dieses Bild nicht stimmt. Das Absurde ist: Dass es in Deutschland nur einer Partei bedurfte die mit den selben populistischen Attitüden, den gleichen demokratiezerstörenden, unsere Justiz für ihre Zwecke nutzende Taktik erscheinen und etablieren musste, um unsere sicher geglaubte Demokratie urplötzlich ins Wanken bringen zu können!

Die rassistischen Parolen auf Sylt, von denen Felix Huesmann berichtet, „Deutschland den Deutschen, Ausländer raus“ klingen wie sie schon 1933 ff geklungen haben und sie haben in ca. 20 Prozent deutscher Gehirne überlebt, waren sozusagen überwiegend in konservativen Kreisen, konservativen deutschen Parteien konserviert. Hier fehlt bis heute eine wissenschaftliche Aufarbeitung, in wie weit konservative Strömungen, konservative Parteien ein ewiger Hotspot rechtsextremen, völkischen Denkens ist. Die Aufarbeitung durch Historiker ging darüber hinweg! Ein gravierender Fehler, wie sich heute heraus stellt!

Es liegt nun an uns, unserer Jugend, unseren Institutionen, Schulen, Universitäten, Gewerkschaften, Kirchen, unseren Medien, Journalisten, demokratischen Parteien, ob wir die rechtsextremen Entwicklungen in unserer Gesellschaft wieder einfangen, die Büchse der Pandora wieder schließen können. Lehrmaterial über die Verursacher und die Millionen Opfer hat uns unsere Geschichte genug geliefert: Wir müssen diesmal die richtigen Schlüsse ziehen, auf der richtigen Seite stehen. Anders als unsere Eltern und Großeltern damals müssen wir für unsere Demokratie eintreten, für sie kämpfen! Eine zweite Chance werden wir nicht bekommen!

Günter Bialkowski

übersandt am 25.05.2024 – veröffentlicht am 27.05.2024, herral

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