Sportangebote für Jugendliche in Hameln, Teil 4: Schulsport (von Rainer Schams)

Hameln, 06.03.2025: Gastbeitrag von Rainer Schams mit einer Ausarbeitung zum Schulsport.

Sportangebote für Jugendliche in Hameln, Teil 4: Schulsport

In diesem abschließenden Teil zu Sportangeboten für Jugendliche in Hameln soll es um den Schulsport gehen.

Zuvor, in den ersten 3 Teilen, waren die kostenlosen, die kommerziellen und die Vereinsangebote beleuchtet worden. Insgesamt war dabei, trotz aller struktureller, personeller und finanzieller Engpässe, ein immer noch befriedigendes Angebot festgestellt worden.

Woran es zunehmend hapert, ist eher die Nachfrage: Jugendliche nutzen die Angebote zwar, aber nicht mehr so häufig wie früher, unverbindlicher und auch auf qualitativ niedrigerem Niveau – von Trends, die kommen und gehen, und einzelnen „Ausreißern“ nach oben einmal abgesehen.

Dem Schulsport aber kann man sich eigentlich nicht entziehen. „Schulsport bewegt alle“ lautet das Motto des Deutschen Sportlehrerverbandes: Sport ist Pflichtfach an allen Schulen, ungeachtet des Alters oder der Schulform, an denen sich die jungen Leute befinden.

Ein Grund zum Aufatmen?

Eher ein Grund genauer hinzuschauen, denn leider gibt es auch im Schulsport strukturelle Probleme und formale Zwänge, die das „…bewegt alle“ deutlich einschränken. Beispiel dafür: Ja, Sportunterricht ist überall in Deutschland Pflichtfach; aber Niedersachsen leistet sich (zusammen mit dem Saarland) dabei die niedrigste Wochenstundenzahl aller Bundesländer: eine Doppelstunde, sprich einmal pro Woche 90 Minuten Sport (von denen immer für Umziehen, Aufbau, etc. nochmal einige Minuten abgehen): das muss für das „..bewegt alle!“ in Niedersachsen reichen!

Und: Sportunterrichtsverweigerer können im gegenwärtigen System kaum eingefangen werden; Eltern, Ärzte und im Zweifel Juristen setzen hier den Pädagogen, die solche Schülerinnen und Schüler doch zur Teilnahme animieren wollen, enge Grenzen – mit gravierenden Folgen für deren körperliche und geistige Entwicklung. Eltern, die Gefälligkeitsentschuldigungen unterschreiben, erweisen ihren Kindern am Ende einen Bärendienst – aber solche Eltern gibt es immer wieder und immer mehr.

Auch darum ist das „…bewegt alle“-Motto nicht immer einzuhalten.

Diese Beispiele zeigen übrigens: die meisten Bedingungen, unter denen Schulsport in Hameln durchgeführt wird, sind von den Hamelner Schulen und den Sportlehrerinnen und Sportlehrern selbst kaum beeinflussbar. Sie werden vom Kultusministerium in Hannover gesetzt. Dies wird sich in diesem Beitrag widerspiegeln, der mehr als die vorherigen Beiträge die Vorgaben aus dem Kultusministerium und die Rahmenbedingungen beleuchten und damit auf die konkrete Ausgestaltung an den einzelnen Hamelner Schulen generalisieren muss. 

Konkretere Angaben z.B. zu Problemen oder Missständen an einzelnen Schulen sind auch deshalb schwierig, weil diese mit ihren Pflicht- und Zusatz-Angeboten, besonders aber mit ihren Schwierigkeiten und Bewertungen nicht gerade hausieren gehen, sondern lieber damit hinterm Berg halten um keinen Imageverlust zu erleiden oder sich gar auf höherer dienstlicher Ebene erklären zu müssen. 

Gerade zum Reizthema „Stundenausfälle“ gibt es keine offizielle Statistik – so bleibt die griffige Formel, dass Sport das erste Fach ist, das bei Lehrermangel gestrichen wird, eine Vermutung – wenn auch eine, die von vielen Lehrerinnen und Lehrern bestätigt wird.

Dass das nicht so sein muss, zeigen aber eigene Erfahrungen am Schiller-Gymnasium Hameln, wo die Schulleitung stets bemüht war, bei Erkrankungen von Lehrkräften die Durchführung des Sportunterrichts zu sichern.

Einen gewissen Spielraum haben die Schulen also schon, und dann kommt es auf die Philosophie der jeweiligen Schulleitung an, wo sie die Prioritäten setzt. Leider hat sich noch nicht überall herumgesprochen, dass der Sportunterricht nicht nur ein Wert an sich ist, sondern auch den anderen Fächern nutzt, da er die körperliche, geistige und  psychische Fitness der Schülerinnen und Schüler verbessert und dazu noch soziales Lernen und Werte wie Fairness, Leistungsbereitschaft und Frustrationstoleranz vermittelt.

Allerdings darf nicht verschwiegen werden, dass in den letzten Jahren auch im Sportunterricht das Leistungprinzip, die Anstrengungsbereitschaft, der Umgang mit Sieg und Niederlage zunehmend von einer Kultur der Wettkampf- und Enttäuschungs-vermeidung, der „Spiele ohne Sieger“, verdrängt wurde. Auffälligstes Beispiel dafür ist die Reform der Bundesjugendspiele, durch die, zumindest im Grundschulbereich, der traditionelle Wettkampf zugunsten des weniger kompetitiven Wettbewerbs abgeschafft wurde, damit die Kinder mehr Spaß haben. Ein anderer signifikanter Indikator ist der von Jahr zu Jahr bessere Sportnoten-Durchschnitt bei gleichzeitig objektiv messbar sinkendem sportlichen Leistungsniveau.

Ein Blick in die Lehrpläne für Sport zeigt andererseits eine deutlich größere Offenheit für neue Trendsportarten und eigene Schwerpunktsetzungen für Lehrkräfte als früher. Dass heute im Schulsport  Kanufahren, Mountainbiken oder auch Parcours durchgeführt werden, ist eine deutliche Errungenschaft der offeneren Lehrpläne der vergangenen Jahre. Dies geht andererseits quantitativ und qualitativ auf Kosten traditioneller Sportarten, wie Turnen, Leichtathletik, oder Schwimmen.

Dabei ist der Schwimmunterricht ein ganz besonderes Problem – und hier spielen neben bundesweiten Entwicklungen auch die spezifischen Hamelner Rahmenbedingungen (vgl. Teil 1) eine nicht unwichtige Rolle. Aber der Reihe nach:

  • aufgrund veränderter Kindheit steigt die Zahl von Nichtschwimmern seit Jahren;
  • das Problem wird verschärft durch viele zugewanderte Kinder aus Ländern ohne  Schwimmtradition, oft auch Vorbehalten gegen gemeinsamen Schwimmunterricht von Mädchen und Jungen;
  • durch die Corona-Pandemie konnte eine ganz Jahrgangskohorte nicht schwimmen lernen – trotz großer Anstrengungen, diesem Problem mit Zusatzschwimmkursen Herr zu werden, hat sich dadurch die Zahl der Nicht- und Schlecht-Schwimmer weiter vergrößert;
  • Das spezifische Hamelner Zusatzproblem sind die fehlenden Wasserflächen für Schwimmausbildung. Seit der unnötigen Schließung des Hallenbades Hafenstraße 2003 steht im Winterhalbjahr nur das viel zu kleine Hallenbad Einsiedlerbach dafür zur Verfügung. Dies wird nun schon im dritten Jahr saniert – die Schüler weichen nach Sünteltal aus, wo aus einem Freibad per Zeltdach ein Hallenbad wird – aber das ist definitiv nur eine Notlösung. Zu hoffen ist, dass die Einsiedlerbad-Sanierung wirklich in diesem Jahr abgeschlossen wird und eine Vergrößerung der Wasserflächen bringen wird.

Das Beispiel „Einsiedlerbach-Sanierung“ lenkt den Fokus auf ein weiteres Hamelner Problem – auch wenn viele Kommunen in einer ganz ähnlichen Situation sind: viele Hamelner Schulsporthallen sind deutlich in die Jahre gekommen und müssten grundsaniert werden. Da das Geld fehlt, werden aber meist nur die nötigsten und gesetzlich vorgeschriebenen Reparaturen ausgeführt, z.B. wenn Brandschutz- und Gefahrenabwehrbestimmungen betroffen sind.

Alte Sporthalle Schiller-Gymnasium

So bekam die alte Sporthalle des Schiller-Gymnasiums – Baujahr 1977 – vor einigen Jahren nach einem Kabelbrand und einem anschließenden Antrag auf Generalsanierung – lediglich neue Kabel und sanitäre Anlagen, damit den Brandschutz- und Hygienebestimmungen Genüge getan wurde. Weitergehenden Wünsche, die u.a. die  Sportgerätesicherheit betrafen, wurden abgeschmettert. Die Halle Nord dagegen, die eine durchgängige Asbest-Belastung aufwies, wurde abgerissen und komplett neu gebaut. In der Halle West kam es erst zu einer gründlichen Sanierung von Böden und Trennwänden, als dort 2013 deutsche Faustballmeisterschaften angesetzt wurden – auch ein Weg, um dringend notwendige Reparaturen zu veranlassen.

Sanierte Sporthalle West

Aber hat Hameln nicht auch einige besondere Pluspunkte, was den Schulsport betrifft?

Ja, hat es! Zum einen einen ganz alten, den manche gar nicht mehr kennen, obgleich er am Weserufer nicht zu übersehen ist: den „Verein zur Förderung des Schülerruderns“ kurz , kurz RCGH, seit 1909 getragen von Ehemaligen und – trotz des schickeren Rudervereins RVW – nach wie vor von den Schulen genutzt.  

RCGH-Gebäude a.d. Weser

Dann gibt es durchaus auch Sportlich-Neues auf manchen Schulhöfen zu bestaunen, so z.B. eine Beachvolleyballanlage am Schiller-Gymnasium   , einen „Calisthenics-Parcours“ auf dem Schulhof der ehemaligen Hermannschule, heute Außenstelle des „Vikilu“, eine State-of-the-art Kletterwand in der Eugen-Reintjes-Schule, die von mehreren Schulen für ihre Kletterkurse genutzt wird – um nur einige Beispiele zu nennen.

Schiller Beachwolleyballanlage

„Parcours“ Schulhof Hermannschule

Meist sind diese Errungenschaften, zum Wohle der Schülerinnen und Schüler, auf die Einzelinitiativen engagierter Sportkolleginnen und -kollegen zurückzuführen, die zum Teil langjährige Überzeugungsarbeit leisten mussten, damit ihre Ideen realisiert wurden.

Und sie sind es auch, die einen – zunehmend an seine personellen und materiellen Grenzen stoßenden – Betrieb am Laufen halten.
Bei verschiedenen Zufallsbefragungen Hamelner Schülerinnen und Schüler zeigten sich diese fast immer mit ihrem Sportunterricht und ihren Sportlehrerinnen und -lehrern zufrieden, nannten „Sport“ oft als ihr Lieblingsfach.

„Das war doch schon immer so“, hört man jetzt vielleicht sagen – aber in einer sich rasant ändernden Welt und dramatisch abnehmendem körperlichen Bewegungsumfang und Leistungsvermögen gerade junger Menschen ist dieser Befund einer, der auch etwas Hoffnung macht – gerade hier in Hameln.

Es gibt hier noch immer viele engagierte Sportlehrerinnen und Sportlehrer, Trainer und Übungsleiter, und sogar Mitarbeiter der Stadtverwaltung, die sich – fasst man alle Ergebnisse dieser Untersuchung zusammen – dem Niedergang entgegenstemmen. 
Wie lange dies aber noch sein wird, ist fraglich – nach einer Verbesserung des Angebots und vor allem der Nachfrage sieht es derzeit eher nicht aus.

So bleibt am Schluss ein Appell an die Eltern all der Kinder und Jugendlichen, deren Bedingungen für Sport und Bewegung in Hameln in dieser vierteiligen Untersuchung unter die Lupe genommen wurden: animiert eure Kinder, die Angebote zu nutzen, tragt selbst dazu bei, indem ihr sie von ihren Bildschirmen wegbringt, Fahrdienste übernehmt und Risiken, die die Sportausübung manchmal mit sich bringt, in Kauf nehmt.
Nicht nur die Kinder selbst, sondern unsere ganze Gesellschaft würde davon profitieren. 

Rainer Schams (SAM)


Siehe auch:


eingestellt: herral, 06.03.2025

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