Der Abschied vom professionellen, unabhängigen Lokaljournalismus? Eine Leserbetrachtung.

Die DEWEZET hat in den letzten 10 Jahren 35,5 Prozent ihrer Auflage verloren. Das entspricht einen Rückgang von 10.223 Exemplaren. Die Zahl der Abonnementen reduzierte sich um 9.957. Derzeit kostet ein Komplettpaket (gedruckte Zeitung + Digitalzugang) im Jahr 474 Euro.

Quelle:
https://de.wikipedia.org/wiki/Deister-_und_Weserzeitung#cite_note-2

Unserer Heimatzeitung DEWEZET ist im Umbruch. Vielleicht sogar in einer Krise. Die Konkurrenz des Internets, die gefühlt zunehmende Verdummung in unserer Gesellschaft, oder besser der Rückzug in Gleichgültigkeit, Desinteresse, dem Privaten ist ein Zukunftsrisiko. Lügenpressevorwürfe von rechts und eine Verrohung des sprachlichen Umgangs auch.

Es gibt einen lesenswerten Gastbeitrag von Journalistik-Professor Klaus Meier, der aktuell die Situation der Zeitungverlage beschreibt und prognostiziert: „Die letzte gedruckte Zeitung erscheint 2033“.

Link zum Bericht: https://meedia.de/2019/03/19/dumont-funke-und-co-die-letzte-gedruckte-zeitung-erscheint-2033-was-muessen-verlage-bis-dahin-tun/?fbclid=IwAR2Y6FDqVxZ7cZlrOy9Ye2ssVeUzUoRyyoAFw0DQqz0Mci8q4t-0V0lCoBw

Dieser Beitrag hat mich zur Suche angeregt. Wie ist denn die Situation der DEWEZET?

Im Internet wird man dazu schnell fündig:

Link zur Datenquelle des IVW

Die DEWEZT trägt dieses Schicksal übrigens nicht alleine, welches eine andere Grafik zeigt:

Quelle: Statistika

Seit ein, zwei Jahren beobachte ich eine deutliche Veränderung der journalistischen Qualität meiner Heimatzeitung:

  1. Abnahme der Lokalberichte in der Summe
  2. Weniger „vor Ort“ Berichte, mehr „Telefonjournalismus“. Abnahme der persönlichen Kontakte, Rückzug aus der Veranstaltungsberichterstattung.
  3. „reißerische“ Schlagzeilenauswahl, die mit der Qualität des Berichtes nicht in Übereinstimmung steht. Schlagzeile irreführend. Bericht differenziert und gut.
  4. Rückzug aus der politischen Berichterstattung, deutliche Zunahme von Boulevardjournalismus.
  5. „Pseudo“-Lokalberichte ohne direktem Lokalbezug als Lückenfüller.
  6. Wiederholende Kriminalberichterstattung mit dem Extremfall „Schleifmordfall“.
  7. Übernahme polarisierende, einseitiger Berichte (Beispiel Windenergieserie aus dem rechtsorientiertem Journal „Tichys Einblick“ als wirklicher Tiefpunkt)
  8. Stark (überzogen) verwaltungskritische Berichterstattung im Kontrast zum eindurck einer offenen oder versteckter Lobbyarbeit für Wirtschaftsinteressen.
  9. Massive Eigenwerbung und Lotteriespiele.

Es gibt aber auch Positives zu vermelden!

So gab es im Kontrast zu den obigen Ausführungen eine ganze Reihe journalistisch wirklich guter Beiträge wie z.B. die Berichte zum schwierigen Thema Bückeberg. Die Kriminalberichterstattung ist in der Qualität durchaus gut. Das Layout der Zeitung ist sehr gut. Die Fotos teils spitzendklasse. Die Geschichtsrückblicke sehr informativ. Die Beilage am Sonntag klasse, …

In der Summe aber wächst die Unzufriedenheit. Absolut inakzeptabel die  überzogenen Berichterstattung zum Fall Lügde. Dazu aber hab ich an andere Stelle etwas geschrieben.

Der letzte Punkt ist der Eindruck einer gewissen Kritikunfähigkeit. Kritik wird als „bashing“ abgetan und Kritiker abgestraft.

Losungsweg?

Runter vom Ross und zurück zur lokalen Verbundenheit! Zurück zum persönlichen Kontakt zu den Menschen/Aktueren! Wertschätzung des Engagements anderer. Klare Trennung von Bericht und Kommentar. Nicht sich selbst im Mittelpunkt sehen, sondern die Leserinnen und Leser. Klare faire, kritisch Kommentierung. Eine Chefredaktion sollte eine positives Autorität sein.

Also: Weg vom Populismus! Die Zielgruppe Bildzeitung, kauft die Bildzeitung. Die Zielgruppe RTL, Harz 4 und Facebooktrolle kaufen gar keine Zeitung.

Mit freundlichen Grüßen

Ralf Hermes

Nachtrag: Seit mehr als 30 Jahren habe ich ein DEWEZET-Abbo. Für den BUND habe ich eine Vielzahl von Pressemitteilungen und -Gespräche geführt. Weitere für die Gewerkschaft der Polizei. Viele Veranstaltungen und politische Versammlungen habe ich besucht, teils selbst organisiert und die Verlaufsberichte gelesen. Leserbriefe geschrieben, mich geärgert, mich gefreut. Ich habe meine Zeitung oft kritisiert, oft aber auch gelobt. Ich halte eine unabhängige, lokale Tageszeitung als enorm wichtig für die politische Kultur einer Demokratie. Ich finde ihre „Wächterfunktion“ als vierte Gewalt im Staate extrem bedeutsam. Eine Demokratie ohne freie, faire unabhängige Presse ist nicht möglich.

Ein Gedanke zu „Der Abschied vom professionellen, unabhängigen Lokaljournalismus? Eine Leserbetrachtung.“

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