Hameln, 01.09.2022: Eigener Bericht über die Gedenkfeier auf dem Friedhof Wehl in Hameln. „Als am 1. September 1939 Hitler-Deutschland Polen überfiel, begann in Europa der Zweite Weltkrieg. Mehr als 65 Millionen starben in diesem Krieg weltweit. Heute herrscht wieder Krieg in Europa. Wieder sind Menschen auf der Flucht und werden verfolgt.“ so schreibt die Stadtverwaltung Hameln auf ihrer Webseite und lud gemeinsam mit dem Bündnis „Bunt statt Braun“ zu einer Gedenkfeier ein. Rund 60 bis 70 Bürgerinnen und Bürger, Vertreter der Politik und Repräsentanten der Behörden folgten der Einladung.
Impressionen und Bericht:
Hamelns Oberbürgermeister Claudio Griese bedankte sich als erstes beim Unterstützerteam der Veranstaltung und nannte Dr. Markus Hedemann, der in diesem Jahr im Hintergrund die Koordination der Veranstaltung in die Hände genommen hatte. Dann führte er aus, wie wichtig es ist, sich stets ins Bewusstsein zu rufen, was geschehen ist und was geschehen kann. Der 2. Weltkrieg begann mit dem Überfall auf Polen. Ein rechtswidriger Angriffskrieg, dem bald auch der Überfall auf Russland und die Besetzung der Ukraine durch deutsche Soldaten folgte. Es läge heute nahe, den bis vor kurzem noch als nicht denkbar erfolgten Überfall in diesem Jahr auf die Ukraine zu nennen, der aktuell die Welt erschüttert. Damit wolle er ausdrücklich die Verbrechen Hitler-Deutschlands nicht relativieren.
Die schrecklichen Auswirkungen von Tod und Zerstörung müssten die Menschen nach dem ersten und zweiten Weltkrieg jetzt erneut ertragen. Herr Griese betonte, dass die demokratischen Staaten heute aufstehen und zusammenhalten. Das sei nicht selbstverständlich, da die Folgen von allen im Alltag zu tragen sind. Wir würden es dennoch tun.
Er betonte die Bedeutung und die Vorteile unseres demokratischen Systems und mahnte, sich diese Errungenschaften nicht wegnehmen zu lassen. Es folgte die Benennung der Kriegsverbrechen, die am Ende geahndet worden seien. Täter wie Opfer seien hier auf dem Friedhof Wehl bestattet. Geschichte passiert immer auch vor Ort und es sei wichtig, solche Ereignisse auch heute sichtbar zu halten.
Verständigung der Menschen statt Krieg sei der Schlüssel für ein gutes Zusammenleben.
Es folgte ein Musikstück der ukrainischen Geigerin Daryna Denysova, die danach zum Mikrophon ging und in gebrochenem Deutsch ihre persönliche Flüchtlingsgeschichte vortrug. Als Mutter zweier kleiner Kinder habe sie das Kriegsgebiet zum Schutz der Kinder verlassen und ist nach Hameln geflohen. Ihr Mann würde zu Hause als Soldat versuchen, den Aggressor zu stoppen.
Es war eine sehr eindringliche und persönliche Schilderung ihrer Gedanken und ihrer Situation, die zu Herzen ging.
Anschließend schilderte Bernhard Gelderblom das Schicksal eines 13jährigen Mädchens. Diese war in Folge des zweiten Weltkrieges auf der Krim von Deutschen Arbeitsrekrutierern von der Straße weggefangen, in einen Güterzug gesteckt und nach Hameln/Tündern als Zwangsarbeiterin verschleppt worden. Vier Jahre habe das Kind als Landarbeiterin Dienst leisten müssen. Gestohlene Jahre fern der Heimat. Die Eltern waren als Nachkommen der Krim-Tataren vom Stalin-Regime nach Russland deportiert worden. Die Folge war, dass das Mädchen die Heimat auch nach der Rückkehr aus der deutschen Zwangsarbeit verloren hatte. Die Leidens- und Lebensgeschichte der Frau konnte dank eines Briefwechsels und späterer Besuche von Herrn Gelderblom rekonstruiert werden.
Man kann sich vorstellen, wie das Mädchen im Frondienst nachts oft geweint hat. So schilderte es später die alte Frau eher am Rande eines Besuches in Hameln.
Nach einem weiteren Musikstück der Geigerin Frau Denysova wurden Blumen verteilt, die von allen Teilnehmenden auf die Grabplatten der in Hameln gestorbenen und hier bestatteten Zwangsarbeiter verteilt wurden.
Über die Kriegsgräber auf dem Hamelner Waldfriedhof Am Wehl hat die Stadt Hameln gemeinsam mit dem Verein für regionale Kultur- und Zeitgeschichte Hameln e.V. eine aktuelle Broschüre erstellt. Diese wurde im Anschluss an die Gedenkfeier verteilt. Verfasser ist Bernhard Gelderblom.
Als Vertretung für die lokalen Medien wurde einzig radio aktiv wahrgenommen.
Die Blumen wurden dieses Jahr von Dr. Hedemann besorgt und mittels Fahrradanhänger transportiert.
herral, 01.09.2022