Hameln, 09.01.2022: Überlegungen und Infosammlung zu den Demonstrationen am Montag mit „Corona-Bezug“
- Die Corona-Proteste der Maßnahmengegner (Kerzenumzüge/Demonstrationen ohne Anmeldung)
- Die angemeldete Versammlung „Für Demokratie & Fakten und gegen Verschwörungstheorien“, Menschenkette auf dem Rathausplatz.
- Zur Rolle von Verwaltung und Polizei
- Sicherheitshinweise /Fazit
- Die Corona-Proteste der Maßnahmengegner (Kundgebungen/Kerzenumzüge/Demonstrationen ohne Anmeldung)
Ausgangslage:
Im Rahmen der Proteste gegen die Corona-Maßnahmen der Regierungen kam es auch in Hameln zu verschiedenen Protestkundgebungen. Hier sind zwei Formen zu unterschieden.
- Die angemeldeten Kundgebungen auf dem Pferdemarkt bzw. im Bürgergarten, die zunächst von einem Bürger der Stadt, später wohl über die neu gegründete Partei „Die Basis“ auch im Sinne des Versammlungsgesetzes angemeldet wurden. Beispielbericht dazu beim Boten hier: https://hamelnerbote.de/archive/12781
- Parallel gab es dann verschiedene Einzelaktionen der Maßnahmengegner, so wurden z.B. beschriftete Steine abgelegt, es kam zu einer Kranzniederlegungsaktion im Rahmen der Einweihung der Gedenkstätte und später zu einer Sachbeschädigung an der Gedenkstätte in den Parteifarben der „Basis“. Danach trafen sich oftmals Montag noch sehr vereinzelt kleine Personengruppen in der Innenstadt, die mit Kerzen in der Hand „Spaziergänge“ machten. Hier handelte es sich um Grüppchen von 3-6 Personen, die abgesetzt voneinander agierten. An verschiedensten Stellen der Stadt (Kirche, Landkreis, Gesundheitsamt, Rathaus) fanden sich abgestellte Kerze. Beispielbericht beim Boten siehe https://hamelnerbote.de/archive/14354 oder https://hamelnerbote.de/archive/14527
- Seit einigen Wochen gibt es jetzt koordinierte Demonstrationszüge, die als Montagsspaziergänge benannt ohne Versammlungsanmeldungen jeweils ab 17 Uhr an der Münsterkirche beginnend durch Stadt ziehen. Hier steigerte sich die Teilnehmerzahl von anfangs rund 100 auf bis zu 500 TeilnehmerInnen am 03.01.2021. Botenbericht dazu https://hamelnerbote.de/archive/17744 und https://hamelnerbote.de/archive/17798
Bewertung:
- Zu den Protestkundgebungen der Partei „Die Basis“: Diese Kundgebungen hielten sich an die Regeln des Versammlungsgesetzes, Auflagen wurden grds. beachtet, auch wenn ein deutlicher Unwillen dagegen formuliert wurde. Die Veranstaltungen hatten eine Beteiligung zwischen 30 und 80 Menschen. Die Redebeiträge waren recht unstrukturiert, so dass sich im Sprachgebrauch der Begriff „verschwurbelt“ etablierte. Aktivstes Kommunikationsmedium dieser Gruppierung ist ein Telegrammkanal „Querdenken315 Hameln“. Dazu gibt es eine lokale Facebookseite der „Basis“, die aber seltener aktualisiert wird. Zumindest eine Aktivistin der Partei die Basis hat in ihrer Vergangenheit einen konkreten Bezug zur NPD. (https://hamelnerbote.de/archive/12338) Bei der Kommunalwahl in Hameln bekam die Partei auf Kreisebene 1.975 Stimmen, 1.125 davon aus dem Bereich der Stadt Hameln.
- Die Kerzendemonstrationen gegen die Corona-Schutzmaßnahmen haben keine Sprecher/Sprecherinnen. Es bleibt diffus, was die Leute motiviert, sich den Demonstrationszügen anzuschließen. Allerdings gibt es eine deutliche Schnittmenge zu den Aktivitäten der Hamelner Querdenker / Die Basis. Die Resonanz auf diese „SpazierDemos“ ist mittlerweile deutlich höher. Menschen, die die Verantwortung für dieser Demozüge übernehmen, melden sich auch nach Aufforderung durch die Polizei nicht. Nach außen wird der Eindruck vermittelt, „Wir demonstrieren nicht, wir gehen nur spazieren“.
- Die rechtliche Bewertung der sog. Spaziergänge ist unstrittig/eindeutig. Eine Versammlung im Sinne von Art. 8 GG liegt vor, wenn „mindestens 2 Personen zur gemeinschaftlichen, auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung zusammenkommen“. Wenn sich also zwei oder mehr Menschen zu einem Spaziergang treffen, um damit gegen die Einschränkungen der Corona-Sicherheitsregeln zu protestieren oder auch nur still ihren Unmut über die Situation Ausdruck verleihen möchten, so handelt es sich um eine politische Veranstaltung, die den Vorschriften des Versammlungsgesetzes unterliegt. Dieses ist auch allen Teilnehmenden klar. Die Selbstdefinition „Spaziergang“ dient als Rechtfertigung, die Regeln des Versammlungsrechtes (ggf. Auflagen, Verantwortlichkeit einer Leitung) zu missachten. Sie ist Teil eines „Katz- und Maus-Spieles“ mit den Behörden. Durch dieses Vorgehen setzten sich alle Teilnehmenden an diesen öffentlichen Umzügen klar ins Unrecht.
- Politische Einordnung: Die Partei „Die Basis“ und die „AfD“ kommunizieren nach außen den eindeutigsten Protest gegen die Schutzmaßnahmen/Einschränkungen im öffentlichen Leben durch die Corona-Pandemie. Es gibt auch in anderen Parteien, wie z.B. der FDP, kritische Stimmen zu einzelnen Entscheidungen. Die fundamentale Ablehnung findet sich aber ausschließlich bei AfD und Basis. Bundesweit ist auch festzustellen, dass rechtsextreme Gruppierungen die Proteste nutzen, um auch für die eigene Ideologie Werbung zu machen. Offene rechtsextreme Äußerungen im Weserbergland sind einzig aus dem Bereich der Reichsbürgerszene bekannt. Hier handelt es sich um Einzelpersonen. Einen Bezug zur lokalen AfD im Weserbergland wurde bei der letzten Demonstration am 03.01.2022 deutlich. Ein Redakteur von Radio Aktiv berichte von einer Personalienfeststellung zweier Parteivertretenden auf dem Rathausplatz. Hintergrund war wohl die Missachtung der Sicherheitsregeln. Hier handelte es sich um die Fraktionsvorsitzende im Kreistag Hameln-Pyrmont Delia Klages und den Fraktionsvorsitzenden im Kreistag Holzminden Dr. Manfred Otto. Beide hätten sich lautstark über die polizeilichen Maßnahmen beschwert. (Quelle: listen.radio-aktiv.de/beitraghoeren.php?id=37726) Zahlen: Die Stadt Hameln hatte zur Kommunalwahl 2021 44.705 wahlberechtigte Bürgerinnen und Bürgern. 21.100 nahmen ihr Wahlrecht in Anspruch. 3.211 Stimmen entfielen auf die Wahlvorschläge von AfD und Basis.
- In Niedersachsen hat sich seit Anfang Dezember 2021 als zentrale Kommunikationsplattform für die „Corona-Maßnahmenproteste“ der Telegram-Kanal „Freie Niedersachsen“ mit derzeit 21.675 Abonnenten etabliert. Die Namensgebung ist an die Gruppierung „Freie Sachsen“ angelehnt, die im Osten dem rechtsextremen Spektrum zuzuordnen ist. (https://www.zdf.de/nachrichten/politik/corona-demos-spaziergaenge-freie-sachsen-102.html) Als Beschreibung ist angegeben „Wir geben Niedersachsen die Freiheit zurück!“. Wer hinter dieser Gruppe steht ist unbekannt. Ziel ist die überregionale inhaltliche Steuerung der Proteste. Es werden aber auch immer wieder Beiträge geteilt, die emotionalisieren und dazu dienen, ein Gruppengefühl zu schaffen. Offen rechtsextreme Postings sind selten und werden wohl auch entfernt. Die Hannoversche Allgemeine Zeitung berichtete in einem kostenpflichtigen Onlinebeitrag vom 21.12.2021: „Verfassungsschutz warnt vor „Freie Niedersachsen““. Demnach ist der Verfassungsschutz beunruhigt, weil die „Freien Niedersachsen“ die Bevölkerung erfolgreich gegen die Landesregierung aufhetzen. „Diese Chat-Gruppen bieten eine Plattform zur kontinuierlichen Radikalisierung und zur Übernahme von Verschwörungstheorien und extremistischen Ideologien“, erklärte ein Sprecher. „In den letzten Wochen zeigt sich eine Zunahme der Teilnehmerzahlen bei Demonstrationen in Niedersachsen.“ Es gehe um eine „demokratiefeindliche und/oder sicherheitsgefährdende Delegitimierung des Staates“.
Die angemeldete Versammlung „Für Demokratie & Fakten und gegen Verschwörungstheorien“, Menschenkette auf dem Rathausplatz
Seit Beginn der Corona-Maßnahmenproteste in Hameln hat die gesellschaftliche Mehrheit, wie auch die Parteien, Institutionen oder auch nichtorganisierte Gruppen die Protestaktionen der Gegner der Corona-Sicherheitsmaßnahmen weitgehend ignoriert. Es gab nur sehr wenige Medienberichte über die Aktionen. Mit steigenden Teilnehmerzahlen und der andauernden Missachtung der Regelungen des Versammlungsgesetzes wuchs der gesellschaftliche Handlungsdruck. Nach der Demonstration am 03.01.2021 ergriffen zunächst unabhängig voneinander zwei Bürger der Stadt die Initiative und meldeten für Montag, den 10.01.2022, für den Rathausplatz Kundgebungen an, die die Zustimmung der Menschen zu den Schutzmaßnahmen aufgrund der Corona-Gefahren sichtbar machen sollten.
Über die Facebookgruppe „Damit Hameln bunt bleibt“ wurde eine Veranstaltung organisiert, die schnell auch eine parteiübergreifende Unterstützung der lokalen Untergliederungen von SPD, CDU, B90/Grüne, FDP, Linke und Piratenpartei fand. Gemeinsam erfolgte der Aufruf zur Menschenkette am 10.01.2022. Eine Beteiligung der Kirchen, stellvertretend durch den ev. Pastor Christof Vetter, wurde organisiert. Der Oberbürgermeister der Stadt Hameln Claudio Griese, wie wohl auch der Landrat Dirk Adomat sollen ihre Teilnahme zugesagt haben.
Letztendlich einigten sich beide Veranstaltungsanmelder auf eine gemeinsame Kundgebung.
Diese Veranstaltung ist bei der Versammlungsbehörde angemeldet. Für den Ablauf wurde eine Vielzahl von Sicherheitsauflagen (Maskenpflicht/Ordnerzahl/Mindestabstände) erlassen. Diese Auflagen werden zu Beginn der Kundgebung verlesen werden. Die Veranstaltungseinladung ist hier nachzulesen: https://hamelnerbote.de/archive/17816
Die DEWEZET berichtet auf Seite 3 des Hameln Teils über die Gegendemo. Online unter: https://www.dewezet.de/region/hameln_artikel,-gegen-gewalt-und-fuer-zusammenhalt-gegendemo-in-hameln-_arid,2724096.html
Zur Rolle der Polizei und der Kommunalverwaltung
Zuständig für die Regelungen im Versammlungsrecht im Stadtgebiet Hameln ist als Versammlungsbehörde die Stadtverwaltung Hameln. Diese hat mit Wirksamkeit vom 6. Januar 2022 eine Allgemeinverfügung erteilt, welche für Versammlungen unter freiem Himmel zwingend einen Mund-Nasen-Schutz der Teilnehmenden vorschreibt. (Pressemitteilung der Stadtverwaltung)
Der Landrat Dirk Adomat erläutert eine rechtlich gleichlautende Maßnahme in einen Videostatement auf Facebook unter https://www.facebook.com/hameln.pyrmont/videos/877140496290980
Parallel dazu hat sich der Inspektionsleiter der Polizei im Weserbergland mit einer Videobotschaft an die Öffentlichkeit gewandt und das weitere Vorgehen der Polizei im Zusammenhang mit den Demonstrationsgeschehen erläutert. Siehe dazu Botenbericht unter: https://hamelnerbote.de/archive/17811 Mit einer Reihe weiterer Presseinformationen informiert die Polizei über ihre eigene Rolle im Versammlungsgeschehen. Siehe hier z.B. https://www.presseportal.de/blaulicht/pm/57895/5114602
Sicherheitshinweise / Fazit:
- Jeder kann und sollte seine Meinung öffentlich äußern können. Dass die Regelungen unseres Versammlungsgesetzes eingehalten werden, muss selbstverständlich sein.
- Dass auf die bisherigen Proteste der Maßnahmengegner jetzt mit einer Menschenkette reagiert wird, ist gute demokratische Tradition.
- Auch wenn die Auflagen z.B. zum Maske tragen Einzelnen lästig oder unverständlich sind, es sind wissenschaftlich akzeptierte Sicherheitsregeln, die einzuhalten sind. Wer damit nicht einverstanden ist, kann eine Überprüfung der Regeln durch die Gerichte beantragen.
- Nicht alle, die gegen die Corona-Sicherheitsmaßnahmen sind, sind „Nazis“. Jede/r kann dazu beitragen, dass es nicht zu einer Radikalisierung beim Gegenüber kommt. Die einfachen Regeln von „gutem Benehmen“ gegenüber den Mitmenschen ermöglichen dieses. Beschimpfungen, Provokationen oder gar Gewalt müssen unterbleiben.
- Den Maßnahmen der Polizei ist Folge zu leisten. Wer das im konkreten Fall nicht versteht, bzw. damit nicht einverstanden ist, hat die Möglichkeit alles im Nachhinein rechtlich überprüfen zu lassen. Die Polizei ergreift nicht Partei für eine der Veranstaltungen. Sie sorgt für eine Umsetzung des Rechts für alle Teilnehmenden.
- Abstand halten und Maske tragen! Das sind in Anbetracht der Infektionslage für alle die wichtigsten Regeln. Sollte es irgendwo etwas passieren – geht weg und bildet keine Ansammlungen. Lasst Polizei oder Rettungsdienste ihre Arbeit tun.
Dank gilt den Versammlungsleitungen, die sich als Ansprechpartner / Organisatoren zur Verfügung stellen und dafür sorgen, dass unsere Demokratie funktioniert.
Ralf Hermes, Hameln, 09.01.2021
Text als PDF-Download:
Allgemeinverfügung der Stadt Hameln zum Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung: